Therapeutische Breite
Die therapeutische Breite der Digitalisglykoside ist sehr gering! (Ungemach 1994c; Boswood 1999a)
Dosisanpassung
Eine individuelle Dosisanpassung durch Kontrolle des Blutspiegels ist unbedingt nötig (Button 1980d). Zur Korrektur der individuellen Dosis kann folgende Formel verwendet werden (Staudacher 1989a; Staudacher 1989c):
Neue Dosis [Tabl.] = alte Dosis [Tabl.] × 1,6 / Serumdigoxinspiegel [ng/ml]
Loading-Dosis
Bei Verwendung einer Digoxin-Lösung kann ein therapeutischer Spiegel durch Gabe der Erhaltungsdosis, d.h. ohne Loading-Dosis von Anfang an in kurzer Zeit erreicht werden (Pedersoli 1978a). Da die orale schnelle Digitalisierung ein hohes Risiko für die Entwicklung von Intoxikationssymptomen birgt, sollte sie vermieden werden und im Notfall die intravenöse Einleitung der Therapie gewählt werden (Boswood 1999a).
Monitoring
Die Überwachung von Serumspiegel, Appetit / Gewicht, Herzfrequenz / EKG, Serumelektrolyten und der klinischen Wirkung auf die Herzinsuffizienz wird empfohlen (Plumb 1999a).
Nach Auftreten von Symptomen einer Intoxikation sollte die Therapie für 48 Stunden unterbrochen und dann mit einem 1⁄3 bis ½ der ursprünglichen Dosis weitergeführt werden (Boswood 1999a).
Verabreichungsart
Die intravenöse Verabreichung von Digoxin ist deutlich riskanter als die orale und sollte deshalb Notfallsituationen vorbehalten bleiben. Die weniger riskante intramuskuläre Injektion kann auch mit verdünnten Lösungen zu nicht unerheblichen Gewebereizungen führen (Detweiler 1977a).
Galenische Zubereitung
Bei Herzglykosiden spielt die galenische Zubereitung eine erhebliche Rolle für die orale Bioverfügbarkeit. Wechsel zwischen den Tabletten verschiedener Hersteller sollten aufgrund der teils deutlichen Unterschiede in den erreichten Blutspiegeln unterlassen werden (Ungemach 1994c; Sponer 1996a; Boswood 1999a). Dabei ist durch eine alkoholische Lösung bei der Katze der höchste maximale Plasmaspiegel zu erreichen. Geringere Spiegel wurden bei Verabreichung in Form von Tabletten gefunden, wobei die Gabe von zerkleinerten Tabletten mit dem Futter die Resorption weiter reduziert (Boswood 1999a; Erichsen 1980a). Wegen der erhöhten Bioverfügbarkeit des Elixirs kann die Dosis in diesem Fall um 10% reduziert werden (Bayley 1999a).
Ist die übliche orale Verabreichung von Digoxin nicht möglich, kann durch Einsatz von Digoxin in einer speziellen galenischen Form (in Liposomen) intravenös ein mit der oralen Dosierung vergleichbarer Blutspiegel erreicht werden (Fountain 1981a).
Dosisintervall
Die nötige Digoxindosis sollte auf zwei Portionen innerhalb von 24 Stunden aufgeteilt werden, um die maximale Konzentration im Blut möglichst gering zu halten (Hamlin 1984a).
Geschlecht
Bei männlichen Katzen wurden signifikant höhere Plasmaspiegel bei gleicher Dosis gefunden als bei weiblichen Tieren (Erichsen 1980a); ob die Halbwertszeit bei weiblichen Tieren gegenüber jener der männlichen Tiere verlängert ist, wird kontrovers diskutiert (Bolton 1982a; Breznock 1973a).
Adipositas
Weil im Fett nur geringe Spiegel erreicht werden, besteht bei fettleibigen Patienten die Gefahr der Überdosierung bei Dosierung nach Körpergewicht (Plumb 1999a).
Diätetischer Proteinmangel
Diätetischer Proteinmangel führt beim Meerschweinchen zu keiner Änderung der myokardialen Wirkungen und der Pharmakokinetik von Digoxin (Varma 1980a).
Digoxinderivate
Aufgrund der im Vergleich zu Digoxin höheren Bioverfügbarkeit und der teilweise langsameren Elimination sind bei der Verwendung von Beta-Methyldigoxin geringere Dosen zu verabreichen.
Beta-Acetyldigoxin unterscheidet sich aufgrund der vollständigen Desacetylierung in der Darmwand nur durch eine verbesserte enterale Verfügbarkeit von Digoxin. Die um 10 - 20% höhere Resorptionsquote ist bei der Dosierung zu beachten (Ungemach 1994c).
Niereninsuffizienz
Da Digoxin in erster Linie renal ausgeschieden wird, besteht die Gefahr einer starken Akkumulation (Boswood 1999a). Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Dosis zu reduzieren (Ungemach 1994c; Plumb 1999a); z.B. ist bei Verminderung der Kreatininclearance um 50% die Dosis von Digoxin um 30 - 50% zu reduzieren (Mevissen 2016a).
Leberinsuffizienz
Störungen der Leberfunktion beeinträchtigen die Eliminationskinetik von Digoxin im Gegensatz zu Beta-Methyldigoxin nicht. Bei Beta-Methyldigoxin kann eine Dosisreduktion nötig sein (Ungemach 1994c).
Erkrankungen der Schilddrüse
Bei hyperthyreoten Hunden ist die renale Exkretion von Digoxin und die Konzentration in der Leber und Pankreas erhöht, der Serumspiegel verringert (Wakamatsu 1982a); bei Hyper- oder Hypothyreoidismus ist eine individuelle Dosisanpassung erforderlich (Plumb 1999a).
Elektrolythaushalt
Auch Störungen im Elektrolythaushalt (Hypernatriämie, Hypokaliämie, Hyperkalzämie) können geringere Dosen erfordern (Plumb 1999a).
Hypokaliämie führt zu einer verstärkten Wirkung von Digoxin (Boswood 1999a), eine hohe extrazelluläre Kaliumkonzentration hemmt die Glykosidbindung an den Rezeptor (Schütz 1998a; Ungemach 1994c).
Eine Hyperkaliämie führt zu einem höheren Serumspiegel, niedrigeren Konzentrationen in Myokard, Niere und Skelettmuskel. Die positive Wirkung auf systolischen und diastolischen Aortendruck wird durch eine Hyperkaliämie vermindert (Kori 1983a).
Bei einer reduzierten extrazellulären Na+-Konzentration nimmt die positiv inotrope Wirkung der Digitalisglykoside je nach Grad des Na+-Mangels ab (Wiggins 1980a).
Cholestase
Eine Cholestase führt zu einer verzögerten Plasmaelimination und zu einem reduzierten Verteilungsvolumen von Digoxin (Miyazawa 1990a).
Alter
Paediatrie
Neugeborene und Kinder benötigen für einen vergleichbaren therapeutischen Effekt höhere Digoxindosen, obwohl Absorption und renale Clearance ähnlich sind (Kelly 1996a). Auch neugeborene Hunde sind weniger empfindlich (Murphy 1987a). Die Empfindlichkeit für die positiv inotrope Wirkung von Digoxin nimmt beim Schaf vom Fötus über das Neugeborene bis zum adulten Tier zu (Hougen 1982a).
Geriatrie
Beim geriatrischen Patienten kann aufgrund einer Veränderung der Zusammensetzung des Körpers und aufgrund eines verringerten Plasmaproteinspiegels der Plasmaspiegel von Digoxin erhöht sein. Wegen eines verringerten renalen Blutflusses, einer reduzierten glomerulären Filtrationsrate, einer reduzierten tubulären Sekretion und einer reduzierten Kompensation von Schwankungen im Säure-Base- oder Elektrolythaushalt kann die Halbwertszeit verlängert sein (Miller 1989a).
Hypoxie
Unter hypoxischen und hyperkapnischen Bedingungen nimmt das Verteilungsvolumen und die Gesamtkörperclearance von Digoxin zu. Ob der Serumspiegel abnimmt, wird kontrovers diskutiert (Du Souich 1985a; Saito 1982a).
Digoxinunempfindlichkeit beim Menschen
10% der Bevölkerung beherbergt als Darmbakterium Eubacterium lentum, welches Digoxin in inaktive Metaboliten umwandeln kann. Darauf beruht vermutlich die anscheinende Unempfindlichkeit auf die üblichen, oral verabreichten Digoxin-Dosen (Kelly 1996a).
Speziesunterschiede
Katze
Wegen ihrer hohen Empfindlichkeit auf Digoxin sollten Katzen nie schnell digitalisiert werden (Tilley 1977a). Aufgrund ihres Glukuronidierungsdefizits erfolgt die Ausscheidung bei der Katze wesentlich langsamer als beim Hund (Ungemach 1994c). Daher ist bei der Katze die Digoxin-Elimination sättigbar, was zu einer verlängerten Halbwertszeit bei einer Langzeittherapie führt (Bolton 1982a). Bei sechs Katzen wurde bei einer Dosierung von 0,01 mg/kg Digoxin alle 48 Stunden (in Kombination mit Furosemid und Aspirin und bei 2 Tieren mit Taurin) Serum-Konzentrationen zwischen 1,1 ng/ml und 3,2 ng/ml erreicht, bei einer Katze mit einem Spiegel von 2,9 ng/ml wurden Symptome einer Intoxikation beobachtet. Die Proben wurden jeweils 8 Stunden nach der Verabreichung genommen (Atkins 1990a).
Hunde mit MDR1 / ABCB1-Gendefekt
Digoxin wird aktiv durch P-Glykoprotein transportiert. Daher besteht ein grösseres Risiko für das Auftreten toxischer Effekte bei bestimmten Hunderassen (z.B. Collies, Australian Shepherd), die möglicherweise eine MDR1 / ABCB1-Allel-Mutation besitzen (multidrug-resistance, MDR) (Mevissen 2016a).
Wiederkäuer
Bei Wiederkäuern können Digitalisglykoside aufgrund ihrer Zersetzung in den Vormägen nicht oral eingesetzt werden (Ungemach 1994c).
Veränderte Empfindlichkeit
Auch Störungen des Säurehaushaltes, respiratorische Erkrankungen, begleitende Arzneimitteltherapien, der Tonus des vegetativen Nervensystems sowie Typ und Schwere der zugrunde liegenden Herzerkrankung können die Empfindlichkeit für Herzglykoside verändern (Kelly 1996a).
Kombinationstherapie
Bei nicht ausreichendem Erfolg empfiehlt sich bei der Behandlung der Herzinsuffizienz zusätzlich der Einsatz von herzentlastenden Pharmaka, z.B. Diuretika und Vasodilatatoren, insbesondere ACE-Hemmer oder von Pimobendan, das phosphodiesterasehemmende und Ca2+-sensitivierende Eigenschaften hat (Mevissen 2016a).