Die therapeutische Breite der Digitalisglykoside ist gering (Plumb 1999a; Boswood 1999a; Ungemach 1994c).
Höhere Digitaliskonzentrationen wirken durch Hemmung der Na+/K+-ATPase toxisch. Mit zunehmender Konzentration kommt es zum intrazellulären K+-Verlust und Na+-Anstieg. Die Folgen sind ein vermindertes maximales diastolisches Potential und ein Steilerwerden der diastolischen Depolarisation. Die Automatie der Zelle ist gesteigert. Aufgrund der partiellen Depolarisation und der Anreicherung von Na+-Ionen in der Zelle sind die Na+-Leitfähigkeit und damit die Erregungsleitungsgeschwindigkeit vermindert. Die Gefahr kreisender Erregungen wird erhöht (Schütz 1998a).
Eine weitere Erhöhung der Digitaliskonzentration führt zu einer Ca2+-Überladung des sarkoplasmatischen Retikulums, die sich in Form oszillatorischer Freisetzung und Wiederaufnahme von Ca2+-Ionen äußert. Diese Ca2+-Ionen-Schwankungen verursachen transiente Einwärtsströme, die zu späten Nachpotentiale führen. Bei Überschreitung der Schwellenpotentiale machen sie sich als an normale Aktionspotentialen gekoppelte Extrasystolen (Bigeminie) bemerkbar. Diese Einwärtsströme können aber auch zu ventrikulären Tachykardien führen, die in Kammerflimmern übergehen können (Schütz 1998a).
Toxische Dosen von Digitalisglykosiden führen zu einer Sympathikuserregung (Adams 1995b).
Deutlich werden diese Veränderungen in einer erhöhten ektopen Automatie, die im EKG als Vorhofflimmern, Extrasystolen (Bigeminie), Kammertachykardie oder Kammerflimmern in Erscheinung tritt.
Indirekt (durch Vagusaktivierung) äußert sich eine Digitalisintoxikation in einer Sinusbradykardie, einer verkürzten Refraktärzeit, einer verminderten Leitungsgeschwindigkeit und einer Verlängerung der PQ-Zeit (Schütz 1998a).
Durch die Wirkung an extrakardialen erregbaren Zellen treten als weitere Symptome einer Glykosidüberdosierung Nausea und Erbrechen (über Wirkung auf die Area postrema), Desorientiertheit, Halluzinationen und Diarrhoe (Erregung der glatten Muskulatur und Hemmung der aktiven Na+- und Wasserresorption) auf. Trotz Erregung der glatten Muskulatur kommt es durch Abnahme des Sympatikustonus insgesamt jedoch zu einer Abnahme des Gefäßtonus und damit zu einer Nachlastsenkung.
Beim Hund wurde eine akute Toxizität bei der intravenösen Verabreichung von 0,177 mg/kg beschrieben (Plumb 1999a; Detweiler 1977a). Nebenwirkungen können beim Hund bereits mit Blutspiegeln ab 2,5 ng/ml auftreten (Ungemach 1994c).
Bei einem Spiegel von über 2,5 bis 3 ng/ml 10 Stunden nach der letzten oralen Gabe konnten milde Symptome einer Digitalistoxikose beobachtet werden (Pedersoli 1980d).
Digoxin wird aktiv durch P-Glykoprotein transportiert. Daher besteht ein grösseres Risiko für das Auftreten toxischer Effekte bei bestimmten Hunderassen (z.B. Collies, Australian Shepherd), die möglicherweise eine MDR1 / ABCB1-Allel-Mutation besitzen (multidrug-resistance, MDR) (Mevissen 2016a).
Katzen sind aufgrund ihrer Glukuronidierunsdefizienz empfindlicher auf Digitalisglykoside (Mevissen 2016a).
Bei der Katze treten Symptome einer Intoxikation bei einem Plasmaspiegel ab 4,45 ng/ml auf, wobei die nichtkardialen Symptome, Depression, Erbrechen, Salivation, Würgen und Anorexie als erstes auftreten (Erichsen 1980a). Von anderen Autoren werden bei verschiedenen Spezies Spiegel über 2,0 ng/ml als außerhalb des therapeutischen Bereichs bezeichnet (Kelly 1996a). Die Katze gilt als besonders empfindlich gegenüber hohen Plasmaspiegeln (Plumb 1999a; Plumb 1991a).
Im EKG zeigen sich nur geringgradige Veränderungen. Eine geringgradige Verlängerung des PQ-Intervalls, ein erhöhtes ST-Segment und eine verringerte Herzfrequenz können beobachtet werden (Erichsen 1980a). Sämtliche Effekte sind nach 48 bis 96 Stunden reversibel. Die kardialen Effekte können sich jedoch tödlich auswirken (Erichsen 1980a).
Bei einer Versuchsgruppe von sechs Katzen trat eine Verlängerung des PQ-Intervalls von 0,01 Sekunden ohne eine Veränderung der Herzfrequenz durchschnittlich bei einem Spiegel ab 1,4 ng/ml auf. Ab einem Spiegel von 2,4 ng/ml (durchschnittlich 2,6 ng/ml) wurden Schwindel, Anorexie und Depression beobachtet, ab 2,5 ng/ml (durchschnittlich 3,1 ng/ml) kam es zu Erbrechen. Die Symptome waren innerhalb von 24 - 36 Stunden nach Absetzen der Therapie reversibel (Bolton 1982a).
Toxische Reaktionen zeigen sich in Ataxie, Erbrechen und Durchfall. Bei Tauben können ab einer Dosierung von 0,2 mg/kg 1 × täglich Arrhythmien auftreten (Pollock 2001a).
Digoxin überwindet die Plazentaschranke und die Konzentrationen in mütterlichem und Blut der Nabelvene sind ähnlich (Kelly 1996a).
Es ist entscheidend, Störungen der Impulsbildung oder -weiterleitung früh zu erkennen (Kelly 1996a). Zu beobachten sind ektopische Erregungen atrialen oder ventrikulären Ursprungs und eine Beschleunigung der Erregungsbildung im AV-Knoten, welche in der Regel lediglich eine Dosisreduktion erfordern (Kelly 1996a). Sinusbradykardie, ein Stillstand des Sinusknoten oder ein AV-Block zweiten oder dritten Grades sprechen meist auf eine Behandlung mit Atropin an (Plumb 1991a; Kelly 1996a).
Eine Verabreichung von Kalium kann bei einer heraufgesetzten Automatie des AV-Knotens bzw. des Ventrikels auch bei normalen Kaliumspiegel im Blut erfolgreich sein, sofern nicht zusätzlich ein AV-Block höheren Grades vorliegt (Kelly 1996a; Ungemach 1994c). Dies wird jedoch kontrovers diskutiert und sollte nur bei ständiger Überwachung und klinischer Erfahrung durchgeführt werden (Plumb 1991a).
Auch bei Hyperkaliämie oder Niereninsuffizienz sollten alternativ Lidocain oder Phenytoin, welche minimale Effekte auf die AV-Überleitung haben, für die Behandlung schwerwiegender ventrikulärer Arrhythmien eingesetzt werden (Ungemach 1994c; Kelly 1996a).
- | Phenytoin, 2 - 5 mg/kg langsam i.v. |
- | Lidocain zur Therapie ventrikulärer Ektopien und von Kammerflimmern (Miller 1989a; Ungemach 1994c): bis 4 mg/kg schnell i.v. initial, gefolgt von einer Infusion mit 50 µg/kg/min (Ungemach 1994c). |
Auch Propranolol kann eingesetzt werden (Plumb 1991a).
Cave: Chinidin und Verapamil sind bei einer Digitalisintoxikation kontraindiziert (Ungemach 1994c)!
Die Behandlung der chronischen Digoxin-Intoxikation ist abhängig von der Schwere der Symptome. Häufig verschwinden die Symptome nach kurzfristigem Absetzen der Therapie und neuer Einstellung der Dosierung.
Falls die orale Aufnahme einer Überdosis rechtzeitig erkannt wird und noch keine kardiotoxischen oder neurologischen (Koma, Krämpfe) Symptome aufgetreten sind, sollte eine Magenentleerung sowie die Verabreichung von Aktivkohle genügen. Da die Möglichkeit besteht, dass Digoxin langsam resorbiert wird und wegen der Gefahr der erneuten Resorption über den enterohepatischen Kreislauf, ist eine wiederholte Gabe von Aktivkohle sinnvoll (Plumb 1991a). Anionen-Austauscher-Harze wie Colestipol oder Cholestyramin scheinen ebenso die Resorption und den enterohepatischen Kreislauf von Digoxin und Digitoxin zu reduzieren (Plumb 1991a).
Der Einsatz eines Fab-Antikörpers ist bei lebensbedrohlichen Digoxin-Intoxikation indiziert. Dieser Antikörper vom Schaf bindet spezifisch Digoxin. Aufgrund der hohen Kosten ist sein Einsatz in der Veterinärmedizin jedoch limitiert (Plumb 1991a; Kelly 1996a).
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