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Diuretika

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Ein Diuretikum ist ein Arzneimittel, das die Harnausscheidung (Diurese) fördert. Es werden folgende Diuretika-Klassen unterschieden:
-Osmodiuretika (Mannitol, Glycerol, Sorbitol)
-Carboanhydrasehemmer (Acetazolamid, Dorzolamid, Brinzolamid)
-Thiaziddiuretika (Bendroflumethiazid, Hydrochlorothiazid, Chlortalidon, Indapamid, Xipamid)
-Schleifendiuretika (Furosemid, Torasemid, Bumetanid, Etacrynsäure, Piretanid)
-Kaliumsparende Diuretika: Epithelialer Natriumkanal (ENaC)-Hemmer (Amilorid, Triamteren)
- Aldosteronantagonisten (Spironolacton, Eplerenon, Finerenon, Canrenon)
-Vasopressinantagonisten (Tolvaptan, Conivaptan, Lixivaptan, Mozavaptan, Satavaptan, Relcovaptan)
 
Unerwünschte Wirkungen und klinische Symptome der Diuretika:
Unerwünschte WirkungDiuretikumKlinische Symptome
HypovolämieSchleifendiuretika, ThiaziddiuretikaPolydipsie, Polyurie, Hypotension, Azotämie/Urämie, oligurisches akutes Nierenversagen
HypokäliämieSchleifendiuretika, ThiaziddiuretikaMuskelschwäche, Arrhythmien
HyperkäliämieSpironolactonArrhythmien
HyponatriämieThiaziddiuretika, Furosemid, TorasemidBei schwerer Hyponatriämie ZNS-Symptome möglich
Metabolische AlkaloseSchleifendiuretika, ThiazidiuretikaHäufig, jedoch selten ein klinisches Problem
HypercalcämieThiazidiuretikaNur ein Problem bei hypercalcämischen Patienten
HyperurikämieThiazidiuretika, SchleifendiuretikaHarnsäure-Retention (Dalmatiner)
OtotoxizitätFurosemid, TorasemidNur bei supraphysiologischen Dosen, bei Patienten mit Hyponatriämie oder schwerer Niereninsuffizienz
DermatopathieSpironolactonAllergische Dermatopathie bei Katzen
 

2. Quellen

Diuretika werden in der Tiermedizin in erster Linie zur Behandlung der kongestiven Herzinsuffizienz eingesetzt. In jüngster Zeit werden kaliumsparende Diuretika in Kombination mit Chemotherapeutika zur Behandlung des Osteosarkoms beim Hund (Amilorid) und beim primären Hyperaldosteronismus der Katze (Spironolacton) eingesetzt.
 

3. Kinetik

WirkstoffOrale Bio­verfüg­barkeitWirkungs­eintrittWirkdauerPlasma­protein­bindungMetabolismusEliminationHalbwerts­zeit
Furosemid77% (Hund)30 min6 h90%10% hepatisch60-90% renal1-1.5 h
Hydrochlorothiazid60-80% (Mensch)2 h (Hund)
Plasmapeak: 2.4 h (Hund)
12 h (Hund)40%kein nennenswerter Metabolismusrenal,
61% nach 24 h
6 h (Hund)
Spironolacton50-90%mehrere Tagemehrere Tage90%hepatisch und renal70% renal20 h
Torasemid80-100% (Hund, Katze)1 h (Hund)
2-4 h(Katze)
 98%nur teilweise (Hund)renal, 60-61% unverändert (Hund)6-10 h (Hund)
13 h (Katze)
 

4. Toxisches Prinzip

-Alle in der Tiermedizin verwendeten Diuretika beeinflussen den Elektrolyt- und Wassertransfer im Nephron.
-Hohe Dosen an Diuretika können zu einer volumenabhängigen akuten Nierenschädigung führen, ein starker oder länger anhaltender Nierendurchblutungsdruckverlust in seltenen Fällen zu einem intrinsischen akuten Nierenversagen.
-Weniger häufige Komplikationen sind, je nach Diuretikum, Elektrolytverlust oder -überschuss wie Hypokaliämie, Hypomagnesiämie und Hyperkaliämie.
 
Wirkmechanismus und Wirkort der meisten bekannten Diuretika:
KlassifikationWirkstoffMechanismusLokalisation
Keine spezifische Klassi­fikationEthanol
Wasser
hemmen die ADH-Ausschüttung 
SäueresalzeCaCl2
NH4Cl
  
AquaretikaGoldrute
Wacholder
erhöhen das Plasmavolumen 
MethylxanthineCoffein
Theophyllin
hemmen die Na+-Resorption,
erhöhen die GFR
proximaler Tubulus
Osmotische DiuretikaGlucose (Diabetes),
Mannitol
fördern die osmotische Diureseproximaler Tubulus,
dünner absteigender Schenkel der Henle-Schleife
Na+-H+-Austausch AntagonistenDopaminfördert die Na+-Ausscheidung,
erhöht die GFR
proximaler Tubulus
Carbo­anhydrase­hemmerAcetazolamid
Dorzolamid
hemmen die H+-Ausscheidung,
dadurch För­derung der Na+- und K+-Ausscheidung
proximaler Tubulus
SchleifendiuretikaBumetanid
Etacrynsäure
Furosemid
Torasemid
hemmen den Na+-K+-2Cl-Co­transporter (NKCC)Henle-Schleife
ThiaziddiuretikaBendroflumethiazid
Hydrochlorothiazid
hemmen die Rück­resorption von Na+
und Cl- durch Hemmung des Thiazid­-sensitiven Co­transporters (TSC)
distales Konvolut
Vasopressin-Antagonisten (Vaptane)Amphotericin B
Lithiumcitrat
Tolvaptan
direkter ADH-AntagonismusSammelrohr
Kalium­sparende DiuretikaAmilorid
Spironolacton
Triamteren
Kaliumcanrenoat
hemmen die Na+/K+-Pumpe;
Spironolacton: hemmt die Wirkung von Aldosteron;
Amilorid: hemmt den epithelialen Natrium­kanal
corticales Sammelrohr
Inhibitor des äusseren
medul­lären Kalium­kanals (ROMK)
MK-7145
MK-8153
(in Entwicklung)
hemmen die Na+-Re­absorption durch Hem­mung der Kalium­zufuhr zur Versorgung des Na+/Na+/2Cl-Co­trasporters (NKCC)dicker aufsteigender Schenkel der Henle-Schleife
und corticales Sammelrohr
ADH = antidiuretisches Hormon; GFR = glomeruläre Filtrationsrate
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute orale LD50 ist wie folgt (in mg/kg Körpergewicht):
 MausRatteKaninchen
Acetazolamid4300> 2000 
Amilorid5636-86 
Bumetanid4624> 6000 
Dorzolamid13201927 
Etacrynsäure6001000 
Furosemid20002600 
Glycerol409012600 
Hydrochlorothiazid > 2000 
Mannitol2200013500 
Piretanid36725601 
Sorbitol 15900 
Spironolacton> 10004121> 1000
Torasemid > 5000 
Triamteren380400 
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

-Diuretika haben eine relativ grosse Sicherheitsspanne. Die häufigsten klinischen Symptome sind eine Dehydratation und Elektrolytstörungen. Die akuten Vergiftungen mit Diuretika verursachen in der Regel keine primäre Nephrotoxizität, diese können aber bei chronischer Überdosierung auftreten.
-Bei Patienten mit Herzerkrankungen, insbesondere mit Leistungsschwäche, schwerer Niereninsuffizienz, Anorexie und Hypodipsie kann die Wirkung des Arzneimittels verstärkt werden.
-Amilorid: Hund: LD50 oral 40 mg/kg Körpergewicht; mässig platzentadurchgängig bei Kaninchen und Mäusen.
-Furosemid: Hund: LD50 oral > 1000 mg/kg Körpergewicht, intravenös 300 mg/kg Körpergewicht.
-Torasemid: Hund: LD50 oral > 2000 mg/kg Körpergewicht.
 

2. Latenz

Die klinischen Sympome treten bei Furosemid nach 30 Minuten auf.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Polydipsie, Anorexie (infolge Azotämie/Urämie); Lethargy
  
3.2Nervensystem
Schwäche (infolge Hypokaliämie und Hypomagnesiämie); ZNS-Depression
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Vomitus
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Atemdepression
  
3.6Herz, Kreislauf
Arrhythmien, Hypoperfusion
  
3.7Bewegungsapparat
Schwäche aufgrund von Hypokaliämie, Hypomagnesiämie.
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Polyurie, Anurie
  
3.10Haut, Schleimhäute
Dehydratation; Katze: pruriginöse exkoriative Dermatitis (Spironolacton)
  
3.11Blut, Blutbildung
Elektrolytstörungen
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Keine spezifischen Befunde.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

-Blut-Untersuchung: Dehydratation, Elektrolytstörungen, Nierenprobleme.
-EKG: Herzrhythmusstörungen.
 

6. Differentialdiagnosen

-Allergische Dermatopathie bei Katzen unter Spironolacton-Therapie
-Gastroenteritis (Vomitus)
-Digoxin
-Toxine, die eine primäre Nierenschädigung verursachen können: z.B. NSAID, Rosinen, Vitamin D3/Cholecalciferol, Lilium sp. und Hemerocallis sp. bei Katzen, oxalathaltige Pflanzen)
-Primäre akute Nierenschädigung
-Primärer Hyperaldosteronismus
-Diabetes insipidus
-Hyperthyreose
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Provozierte Emesis: frühzeitig, bei hoher Überdosierung, danach:
-Sofern guter Schluckreflex: einmalige Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml).
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Intravenöse Flüssigkeitsgabe zur Korrektur einer Dehydrierung und zur verstärkten Medikamentenausscheidung. Vorsicht: Volumenüberlastung bei Patienten mit schweren Herzkrankheiten möglich; durch eine stündliche Überwachung der Atemfrequenz und -anstrengung kann festgestellt werden, ob die Flüssigkeitstherapie das Herz belastet.
-Elektrolytverabreichung, vor allem bei schwerer Hypokaliämie.
 
Vorsichtsmassnahmen/Wechselwirkungen
-Aminoglykoside sollten unter Furosemid-Therapie mit Vorsicht angewendet werden, da Furosemid das Potenzial einer Aminoglykosid-Ototoxizität und Nephrotoxizität erhöhen kann.
-Die klinisch relevante Hyperkaliämie ist bei kaliumsparenden Diuretika äusserst unwahrscheinlich, selbst wenn sie gleichzeitig mit ACE-Hemmern verabreicht werden.
-Eine Hypokaliämie/Hypomagnesiämie ist wahrscheinlicher bei gleichzeitiger Verabreichung von Schleifen- und Thiazid-Diuretika.
-Furosemid kann die Toxizität von Digoxin infolge einer Hypokaliämie und Hypomagnesiämie erhöhen.
-Spironolacton kann die Digoxin-Halbwertszeit verlängern, was zu erhöhten Digoxin-Konzentrationen führt.
-Es konnte gezeigt werden, dass Amilorid eine synergistische Wirkung mit Doxorubicin auf die Apoptose von Osteosarkom-Zellen bei Hunden hat.
 
Überwachung des Patienten
-Überwachung der Urinproduktion.
-Nierenwerte: erneute Kontrolle nach 24-48 Stunden.
-Elektrolyte: alle 4-6 Stunden bestimmen, bis sich der Hydratationszustand und die Elektrolyte normalisiert haben.
-Hämatokrit und Körpergewicht: zur Beurteilung des Flüssigkeitsmangels.
-Atemfrequenz und Atemarbeit überwachen.
-Bei chronische Hypokaliämie: kaliumreiche Nahrungsergänzungsmittel verabreichen.
 

8. Erwarteter Verlauf und Prognose

Die Behandlung einer Dehydratation durch Diuretika ist in der Regel einfach; auch bei Herz-Patienten führt die vorsichtige Behandlung gewöhnlich innerhalb weniger Tage zu einer vollständigen Genesung.
 

9. Literatur

Budde JA & McCluskey DM (2023) Plumbs Veterinary Drug Handbook, 10th Edition. Wiley-Blackwell, Hoboken NJ, pp. 9-11, 563-568, 587-588, 610-612, 793-795, 1168-1169, 1175-1180, 1259-1261 & 1273-1274
 
Hovda LR, Brutlag AG, Poppenga RH & Epstein SE (2024) Blackwell's five-minute veterinary consult clinical companion: small animal toxicology, 3rd edition. Wiley Blackwell, pp. 173-179
 
SDS Acetazolamide (2025) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/21218m.pdf (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Acetazolamide (2023) https://sds.edqm.eu/pdf/SDS/EDQM_201600010_1.0_SDS_DE.pdf?ref=1681496075 (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Amiloride (1997) https://www.inchem.org/documents/pims/pharm/pim026.htm (erfasst am 24.2.2025)
 
SDS Bumetanide (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/14630m.pdf (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Dorzolamide (2012) https://pdf.hres.ca/dpd_pm/00015439.PDF (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Ethacrynic acid (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/seawolf/msds/28537m.pdf (erfasst am 24.2.2025)
 
SDS Furosemide (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/17273m.pdf (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Glycerin (2013) https://bpb-us-e2.wpmucdn.com/sites.utdallas.edu/dist/5/1304/files/2023/04/glycerin-msds.pdf (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Hydrochlorothiazide (2023) https://sds.edqm.eu/pdf/SDS/EDQM_201600460_1.0_SDS_EN.pdf?ref=1605779938 (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Mannitol (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/23372m.pdf (erfasst am 25.2.202)
 
SDS Piretanide (2023) https://www.chemicalbook.com/ChemicalProductProperty_EN_CB4142755.htm (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Sorbitol (2025) https://www.merckmillipore.com/CH/de/product/D-Sorbitol,MDA_CHEM-107758 (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Spironolactone (2012) https://cdn.pfizer.com/pfizercom/products/material_safety_data/ALDACTONE%20UNCOATED.pdf (erfasst am 25.2.2025)
 
SDS Torasemide (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/21312m.pdf (erfasst am 24.2.2025)
 
SDS Triamterene (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/21242m.pdf (erfasst am 25.2.2025)
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