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5-Fluorouracil

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

5-Fluorouracil (5-FU, Fluorouracil, C4H3FN2O2), ein Derivat der Nukleinbase Uracil, ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Antimetabolite, der allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen bei einer Vielzahl von Tumorerkrankungen eingesetzt wird.
 

2. Quellen

5-Fluorouracil ist ein Medikament aus der Humanmedizin, das bei Hunden und Pferden bei Neoplasien eingesetzt wird. 5-Fluorouracil ist als topische Crème (1% und 5%), als topische Lösung (1%, 2% und 5%) und als Injektionslösung (50 mg/ml) erhältlich.
 

3. Kinetik

Die systemische Absorption von 5-Fluorouracil beträgt bei der dermaler Anwendung (Mensch) etwa 6%. Die orale Bioverfügbarkeit schwankt aufgrund eines First-Pass-Effekts, der durch die hepatische Aktivität der Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) bestimmt wird, zwischen 0-80%. Das Verteilungsvolumen beträgt 25 L/kg Körpergewicht (Mensch). 5-Fluorouracil verteilt sich in der Darmschleimhaut, Knochenmark, Leber, passiert die Blut-Hirn-Schranke und Plazenta. Es wird in der Leber in mehrere aktive Metaboliten verstoffwechselt. Die Elimination erfolgt innerhalb von 6 Stunden, 7-20% werden unverändert mit dem Urin ausgeschieden, ein Teil als Kohlendioxid und eine geringe Menge biliär.
 

4. Toxisches Prinzip

-5-Fluorouracil ist ein Antimetabolit und hemmt den Stoffwechselweg natürlicher Metabolite. Die Wirkform 5-Fluoro-UTP wird aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit anstelle der Pyrimidinbase Uracil in die RNA eingebaut. Dadurch kommt es zu einer Störung der Transkription und in der Folge zum Abbruch der Proteinsynthese, was zum Zelltod führt.
-Die Metaboliten α-Fluoro-β-alanin (FBAL) und Fluoressigsäure dürften für die Neurotoxizität bei Hunden und Katzen verantwortlich sein. Experimentell führte die Verabreichung dieser Metabolite zu einer lamellaren Aufspaltung der Myelinscheiden in den Nervenzellen und dadurch zu einer Vakuolisierung des Myelins.
-Fluoressigsäure wird zu Fluorocitrat metabolisiert. Die toxische Wirkung von Fluorocitrat besteht vermutlich darin, dass es den Tricarbonsäurezyklus hemmt und dadurch den Gamma-Aminobuttersäure (GABA)-Shunt, ein Nebenweg des Citratzyklus, der von α-Ketoglutarat über den Neurotransmitter GABA zu Succinat führt, blockiert. Dies dürfte zu einem niedrigen GABA-Spiegel im Gehirn führen und Krampfanfälle verursachen.
-Die schnell wachsende Zellen des Knochenmarks und der Darmkrypten nehmen Fluorouracil rasch auf. Aufgrund der Zytotoxizität kommt es zu schweren Magen-Darm-Beschwerden und Knochenmarksaplasien. Der aktive Metabolit 5-Fluorouridin-5'-triphosphat durchdringt die Zellmembranen langsamer als 5-Fluorouracil und führt zu einer verzögerten Clearance im Knochenmark.
-5-Fluorouracil kann neben schweren Magen-Darm-Beschwerden, Krampfanfällen und einer Knochenmarkssuppression auch ein Lungenödem und Herzrhythmusstörungen verursachen.
-Eine 5-FU-Exposition sollte aggressiv behandelt werden.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute orale LD50 ist wie folgt (in mg/kg Körpergewicht):
 RatteKaninchen
5-Fluoruracil115-23018.9
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

-5-Fluorouracil kann schwere Magen-Darm-Beschwerden, Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen, ein Lungenödem und eine Knochenmarkssuppression verursachen.
-Jede Exposition erfordert eine Überwachung und sollte aggressiv behandelt werden. Bei neurologischen Symptomen ist die Prognose ungünstig. Die Krampfanfälle sind oft schwer zu kontrollieren und können gegenüber typischen Antiepileptika refraktär sein.
-LD50 Hund, oral: > 40 mg/kg Körpergewicht; LDLo Hund, oral: 10.3 mg/kg Körpergewicht (Krampfanfälle, Tod); TD Hund, oral: 5.0 mg/kg Körpergewicht. Die therapeutische Breite ist sehr gering.
-LD50 Katze, oral: sehr kleine Mengen.
 

2. Latenz

-Gastrointestinale Symptome treten 10 Minuten bis 6 Stunden nach der Exposition auf; Krampfanfällen nach 30 Minuten bis 26 Stunden.
-Eine Knochenmarksuppression kann 5-30 Tage nach der Exposition beobachtet werden.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Ataxie, Desorientierung, Vokalisation, Agitation; Hypothermie, Hyperthermie
  
3.2Nervensystem
Hyperästhesie, Tremor, Kopftremor, zentrale Krampfanfälle
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Vomitus, Stomatitis
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Abdominalschmerzen, Diarrhoe (oft blutig)
  
3.5Respirationstrakt
Dyspnoe infolge Lungenödem
  
3.6Herz, Kreislauf
Herzrhythmusstörungen (evtl. durch koronare Vasospasmen)
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Fehlender Drohreflex
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Verzögerte Alopezie (v.a. Pudel, Pudelmischlinge und andere Rassen mit kontinuierlichem Haarwuchs, i.d.R. reversibel)
  
3.11Blut, Blutbildung
Erhöhte Leberenzyme, metabolische Azidose; dosisabhängige Knochenmarkssuppression mit Leukopenie, Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Teratogen, embryotoxisch
 

4. Sektionsbefunde

Hämorrhagische Colitis, Ulzerationen und Desquamationen im Magen-Darm-Trakt, Stomatitis, Myokardischämie, Lungenödem, Stauung in Lunge, Leber, Thymus, Nieren und Dünndarm, Myelinaufspaltung und sekundäre Vakuolenbildung im Grosshirn.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

-Grosses Blutbild: Ausgangswert, erneute Kontrolle nach 12 und 24 Stunden (Neutropenie), bei symptomlosen Tieren alle 24-72 Stunden während 2 Wochen (Knochenmarksuppression), bei Tieren mit vorhandener Knochenmarksuppression bis zur Heilung (kann bis zu 30 Tage dauern).
-Serumbiochemie: Ausgangswert, erneute Kontrolle nach Bedarf. Anstieg der Leberenzyme: i.d.R. gering, ein fulminantes Leberversagen wird nicht erwartet. Erhöhte Kreatinkinase-Werte: können bei Krampfanfällen beobachtet werden.
-Säure-Basen-Status: Kontrolle nach Bedarf. Metabolische Azidose: bei Hyperlaktatämie möglich, vor allem wenn die Anfälle schwerwiegend oder schwer zu kontrollieren sind.
-5-Fluorouracil-Serumspiegel: aufgrund der schnellen Umverteilung klinisch nicht relevant.
 

6. Differentialdiagnosen

-Intoxikation mit Natriumfluoracetat ("compound 1080"), Zinkphosphid, Metaldehyd, Bromethalin, Strychnin.
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Provozierte Emesis: wird nicht empfohlen, da rasch Krampfanfälle auftreten können.
-Die Verabreichung von Aktivkohle: nur falls weniger als 1 Stunde nach der Exposition und das Tier asymptomatisch ist.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Stationärer Aufenthalt und mindestens 26 Stunden auf Krampfanfälle überwachen, auch asymptomatische Tiere.
-Infusionstherapie: es wird eine Flüssigkeitsdiurese empfohlen, um die Hydratation aufrechtzuerhalten und die Ausscheidung zu fördern; bei Lungenödem: Infusionsmenge reduzieren oder absetzen.
Antidot
-Uridintriacetat (Vistonuridin, Xuriden, Vistogard): wird in der Humanmedizin als Antidot verwendet. Es gibt keine Daten für die Veterinärmedizin und über die Wirksamkeit ist nichts bekannt. Trotzdem könnte die Verwendung in Betracht gezogen werden. Uridintriacetat muss vor dem Auftreten neurologischer Anzeichen verabreicht werden.
Medikation bei Krampfanfällen
-Hinweis: Krampfanfälle können sehr schwer zu kontrollieren sein.
-Levetiracetam: 30-60 mg/kg Körpergewicht i.v., gilt als Mittel der Wahl.
-Phenobarbital: 4-24 mg/kg Körpergewicht i.v., in 4 mg/kg Körpergewicht-Schritten bis zur Wirkung titrieren.
-Inhalations-Anästhesie (Isofluran, Sevofluran usw.).
-Propofol: 0.05-0.4 mg/kg Körpergewicht/Minute i.v., in einer Dauerinfusion.
Magen-Darm-Schutzmittel
-Sucralfat: grosse Hunde: 1 g p.o., alle 8 Stunden; kleine Hunde und Katzen: 0.5 g, alle 8 Stunden.
-Omeprazol: 1 mg/kg Körpergewicht p.o., alle 12 Stunden.
-Pantoprazol: 1 mg/kg Körpergewicht i.v., alle 12 Stunden.
Antiemetika
-Maropitant: 1 mg/kg Körpergewicht s.c., langsam i.v. oder p.o., alle 24 Stunden.
-Ondansetron: 0.1-1.0 mg/kg Körpergewicht p.o. oder langsam i.v., alle 12 Stunden.
Antidiarrhoika
-Probiotika und Diät.
Koloniestimulierende Faktoren (CSF)
-Filgrastim (Neupogen®): 4-6 µg/kg Körpergewicht s.c., bei Neutropenie.
Schmerzkontrolle
-Opioide: Buprenorphin: 0.005-0.02 mg/kg Körpergewicht i.m., i.v., transmukosal, alle 6-12 Stunden.
 
Vorsichtsmassnahmen/Interaktionen
-Metronidazol: verringert die Clearance und erhöht die Serumkonzentrationen von 5-Fluorouracil sowie alle Vergfitungssymptome.
-Hydrochlorothiazid: erhöht das Risiko einer Myelosuppression.
-Leucovorin: erhöht das Risiko einer Myelosuppression und gastrointestinalen Toxizität.
-Cimetidin: erhöht die Spitzenplasmakonzentration von 5-Fluorouracil.
-NSAIDs: können Magen-Darm-Beschwerden und -Reizungen verstärken.
-Benzodiazepine: nicht kontraindiziert, aber aufgrund des niedrigen GABA-Spiegels im Gehirn gegen Krampfanfälle oft nicht wirksam.
 
Hämodialyse
-5-Fluorouracil ist dialysierbar, wird aber aufgrund der schnellen zellulären Aufnahme als nicht wirksam angesehen.
 
Chirurgische Massnahmen
-Aufgrund der Leukopenie verzögerte Heilung und erhöhtes Infektionsrisiko.
-Aufgrund der Thrombozytopenie übermässige Blutungen.
 
Patientenüberwachung
-EKG-Kontrolle, Körpertemperatur, Puls und Blutdruck überwachen.
-Dyspnoe und Lungengeräusche: können Anzeichen eines Lungenödems sein.
-Stark sedierte oder narkotisierte Tieren: Blutgase (pCO2) überwachen.
-Ernährung: sobald die Tiere die Diät vertragen und die Anfälle unter Kontrolle sind, sollte mit fettarmer, weicher Kost begonnen werden.
 
7.2Erwarteter Verlauf und Prognose
-Magen-Darm-Symptome gehen häufig zentralen Krampfanfällen voraus.
-Krampfanfälle können bis zu 26 Stunden nach der Exposition auftreten.
-Es kann eine Suppression einer oder mehrerer Zelllinien festgestellt werden: Leukopenie und Thrombozytopenie häufig am 5.-7. Tag; Anämie um den 9. Tag herum; Tiefpunkt aller Zelltypen typischerweise 9-14 Tage nach der Exposition; Erholung nach 30 Tagen.
-Die Prognose ist, sobald klinische Anzeichen auftreten, verhalten bis schlecht.
-Eine Studie zeigte, dass 30% der symptomatischen Hunde starben oder euthanasiert werden mussten.
 

9. Literatur

Budde JA & McCluskey DM (2023) Plumbs Veterinary Drug Handbook, 10th Edition. Wiley-Blackwell, Hoboken NJ, pp. 544-546
 
Hovda LR, Brutlag AG, Poppenga RH & Epstein SE (2024) Blackwell's five-minute veterinary consult clinical companion: small animal toxicology, 3rd edition. Wiley Blackwell, pp. 101-106
 
SDB 5-Fluoruracil (2023) https://www.fishersci.at/chemicalProductData_uk/wercs?itemCode=10697552&lang=DE (erfasst am 14.4.2025)
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