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Bromethalin

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch- physikalische Eigenschaften

Bromethalin liegt in Form schwach gelber und geruchloser Kristalle vor. Es ist nicht wasserlöslich, löst sich jedoch in organischen Lösungsmitteln.
 

2. Quellen

Die Substanz wird als Ratten- und Mäusegift eingesetzt. Die Bromethalin-Köder sind meistens auf Getreidebasis verarbeitet.
 

3. Kinetik

Bromethalin wird enteral sehr gut resorbiert und erreicht seine höchste Plasma-Konzentration 4 Stunden nach Ingestion des Köders. Die höchsten Gewebsspiegel werden im Fett erreicht. Bromethalin wird zum grössten Teil in der Leber zu Desmethylbromethalin umgewandelt, das bedeutend toxischer ist als die Ausgangssubstanz.
Die Plasmahalbwertzeit von Bromethalin beträgt bei Ratten etwa 6 Tage. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über die Galle und es findet ein enterohepatischer Kreislauf statt.
 

4. Toxisches Prinzip

Der aktive Metabolit, Desmethylbromethalin, entkoppelt die oxydative Phosphorylierung in den Mitochondrien der Zellen. Dies hat zur Folge, dass kein ATP mehr produziert wird. Daraufhin können die an Zellmembranen positionierten Na+/K+-Pumpen ihre Funktion nicht mehr ausüben, woraus Ödeme vor allem in Gehirn und Rückenmark resultieren. Der Liquordruck steigt an. Die Degeneration der Neuronen wird durch Lipid-Peroxydation verstärkt. Todesfälle resultieren meist aus der Lähmung der Atemmuskulatur.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Bromethalin5.32.013 
 
Für das Meerschwein liegt die akute orale LD50 bei > 1'000 mg/kg Körpergewicht; Der Grund hierfür besteht in der fehlenden Umwandlung in das toxische Desmethylbromethalin.
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

1.1Minimale toxische Dosis
Sie liegt beim Hund bei 1.7 mg/kg p.o., bei der Katze bei 0.3 mg/kg.
 
1.2Minimale letale Dosis
Sie liegt beim Hund bei 2.5 mg/kg p.o., bei der Katze bei 0.45 mg/kg.
 
1.3Akute orale LD50
Sie beträgt beim Hund 3.7 mg/kg, bei der Katze 0.54 mg/kg.
Die Möglichkeit einer Sekundärvergiftung durch den Verzehr von Nagern, die Bromethalin aufgenommen haben, ist umstritten.
 

2. Latenz

Beträgt die aufgenommene Dosis mehr als die LD50, liegt die Latenzzeit unter 24 Stunden; beträgt die aufgenommene Dosis weniger als die LD50, erstreckt sich die Latenzzeit auf 1-5 Tage.
 

3. Symptome

Das ZNS ist das primäre Zielorgan der Bromethalinvergiftung. Bei Einnahme hoher Dosen (> LD50) äussern sich die ZNS-Störungen mit Hyperästhesie, Tremor und Krämpfen. Nach geringerer Exposition (Dosis < LD50) kommt es zu Depression, Ataxie und Paresen oder Paralyse der Hintergliedmassen.
 
3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Dosis > LD50: Anorexie, Übererregbarkeit, Schreien bei Katzen, Stimmverlust bei Hunden, Hyperthermie, Festliegen, Koma;
Dosis < LD50: reduzierte Wahrnehmung, Depression, Ataxie
  
3.2Nervensystem
Dosis > LD50: Hyperästhesie, Hyperreflexie, Tremor, Krämpfe, Opisthotonus, unphysiologische Körperhaltung (typisch ist eine Extensorenrigidität der Hinterbeine mit Flexorenrigidität der Vorderbeine);
Dosis < LD50: Parese, Paralyse der Hintergliedmassen, Verlust des Tiefenschmerzes
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Gespannte Bauchdecke
  
3.5Respirationstrakt
Keine Symptome
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Steife Gliedmassen
  
3.8Augen, Augenlider
Nystagmus
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut und Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Die makroskopischen Veränderungen nach Bromethalinvergiftungen sind nur unspezifisch ausgeprägt. Post mortem lassen sich ein intrakraniales Ödem, sowie ein geringgradiges Lungenödem feststellen.
Histopathologische Befunde: Mikroskopisch findet man Veränderungen vor allem im Bereich des ZNS, mit Schwerpunkt auf dem Gehirn. Die Ödembildung beginnt zwischen den Lamellen der Myelinscheiden und führt vor allem im Kleinhirn zu Vakuolisierung und spongiöser Degeneration der weissen Substanz. Davon können auch Rückenmark und Sehnerv betroffen sein.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Der direkte Nachweis von Bromethalin/Desmethylbromethalin in Leber, Niere, Fett, Gehirn, Blut, Harn oder Mageninhalt ist möglich, wird aber selten durchgeführt. Die hierfür gebräuchliche Methode beruht auf einer Gaschromatographie gekoppelt an Massenspektrometrie. Dabei ist die Photoinstabilität der Substanz zu berücksichtigen.
 
5.2Veränderte Laborwerte
-Blutchemie: Beim Hund existiert manchmal eine Hyperglykämie, ansonsten sind bei Hunden und Katzen die Möglichkeiten zur Labordiagnose sehr begrenzt. Einige Leberwerte können geringgradig erhöht sein.
-Liquoruntersuchung: Der Liquordruck ist erhöht (Normalwert 80 mm Hg), wobei die Liquorflüssigkeit keinerlei Veränderungen in spezifischem Gewicht, Protein- oder Zellgehalt aufweist.
 

6. Differentialdiagnose

-Gehirn- oder Rückenmarkstrauma
-Anfallsleiden infolge von Tumoren
-Tollwut
-Botulismus
-Tetanus
-Strychninvergiftung
-Hexachlorophenvergiftung
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren: Diazepam, Barbiturate oder Propofol
-Die Behandlung des intracranialen Ödems mit Dexamethason, Mannitol und Furosemid ist erfolglos.
 
7.2Dekontamination
-Provozierte Emesis, wenn die Ingestion weniger als 2 Stunde zurückliegt und noch keine ZNS-Symptome aufgetreten sind
-Sofern guter Schluckreflex: wiederholte Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml), alle 6-8 Stunden über 4-5 Tage
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Antiemetika bei anhaltendem Erbrechen: Metoclopramid oder Domperidon
-Analgetika
-Regulierung der Körpertemperatur: Kühlung
 

8. Fallbeispiele

8.1Eine Katze (4 kg) nimmt einen Bromethalinköder auf.
Symptome: Zuckungen, Konvulsionen und Miosis
Therapie: Atropin, Acepromazin
Verlauf: Besserung am nächsten Tag
(Tox Info Suisse).
  
8.2Ein Hund (20 kg) nimmt 0.5 mg Bromethalin auf. Bei Einlieferung in die Praxis ist der Hund symptomlos.
Therapie: Apomorphin-Emesis, Glucocorticoide
Verlauf: Der Hund bleibt symptomlos
(Tox Info Suisse, Zürich).
  
8.3Bromethalin wurde einer Gruppe von Beagles oral verabreicht (Dosis: 6.25 mg/kg Körpergewicht)
Symptome 8 Stunden nach Exposition: Hyperästhesie, Hyperreflexie, Tremor, Herumrennen, Manegebewegungen, Krämpfe, Depression, Koma.
Labor: Bromethalin und Desmethylbromethalin konnten in Leber und Fettgewebe nachgewiesen werden
(Dorman et al., 1989).
 

9. Literatur

Beasley VR, Racke KD & Leslie AR (1993). Pesticides and pets. Pesticides in urban environments: fate and significance. Am Chem Soc, 344-351
 
Dorman DC (1990) Toxicology of selected pesticides, drugs and chemicals. Anticoagulant, cholecalciferol and bromethalin-based rodenticides. Small Anim Pract 20, 339-352
 
Dorman DC, Parker AJ & Buck W (1990) Bromethalin toxicosis in the dog. Part I: clinical effects. J Am Anim Hosp Assoc 26, 589-594
 
Dorman DC, Parker AJ & Buck WB (1990), Part II: selected treatments for the toxic syndrome. J Am Anim Hosp Assoc 26, 595-598
 
Dorman DC, Simon J, Harlin KA & Buck WB (1989) Diagnosis of bromethalin toxicosis in the dog. J Vet Diagn Invest 2, 123-128
 
Dorman DC, Zachary JF & Buck WB (1992) Neuropathologic findings of bromethalin toxicosis in the cat. Vet Pathol 139-144
 
Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of small animal toxicology and poisonings. Mosby, St. Louis, pp 119-122
 
Martin T & Johnson B (1989) A suspected case of bromethalin toxicity in a domestic cat. Vet Hum Toxicol 31, 239-240
 
Murphy MJ (1994) Toxin exposures in dogs and cats: pesticides and biotoxins. J Am Vet Med Ass 205, 414-421
 
Talcott PA & Dorman DC (1997) Pesticide exposures in companion animals. Vet Med 92, 168-181
 
Van Lier RB & Cherry LD (1988) The toxicity and mechanism of action of bromethalin: a new single-feeding rodenticide. Fund Appl Toxicol 11, 664-672
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