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Benzodiazepine

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Benzodiazepine sind polyzyklische organische Verbindungen, die aus einem Benzol- und einem Diazepinring bestehen. Sie wirken anxiolytisch, sedierend, muskelrelaxierend, hypnotisch und zum Teil antikonvulsiv. Alle Benzodiazepine binden an GABAA-Rezeptoren, die wichtigsten inhibitorischen Rezeptoren im Zentralnervensystem.
 

2. Quellen

Humanarzneimittel, von denen Diazepam, Midazolam, Alprazolam und Zolazepam (in Kombination mit dem Dissoziativum Tiletamin) häufig in der Tiermedizin eingesetzt werden.
 

3. Kinetik

Die Benzodiazepine werden oral gut resorbiert, sind stark proteingebunden und lipidlöslich. Die maximalen Plasmakonzentration wird nach 30-120 Minuten erreicht. Die Benzodiazepine haben in Gehirn, Leber und Milz ein hohes, in Fett und Muskeln ein geringes Verteilungsvolumen. Sie werden in der Leber in aktive und inaktive Metaboliten metabolisiet. Die Halbwertszeit von Diazepam beträgt bei der Katze nach intravenöser Verabreichung 5.46 Stunden, die Eliminationshalbwertszeit von Nordiazepam (aktiver Diazepam-Metabolit) 21.3 Stunden. Diazepam wird glucuronidiert und mit dem Urin ausgeschieden. Die Dauer der Wirkung ist für jede Benzodiazepinverbindung spezifisch.
 
Generischer NameHandelsnameMaximale Plasmakonzentration
(Mensch) (in Stunden)
Halbwertszeit (Mensch)
(in Stunden)
Wirkungseintritt
AlprazolamXanax®, Tafil®1-26.3-26.9mittelschnell
ChlordiazepoxidLibrium®, Radepur®, Multum®0.5-45-30mittelschnell
ClonazepamRivotril®, Klonopin®1-2; 1-3 (Hund)18-50; 1.5-2.8 (Hund)mittelschnell
ClorazepatTranxilium®, Tranxene®1-240-50schnell
DiazepamValium®0.5-2; 0.75-1 (Hund)20-80; 2.5-3.2 (Hund); 5.5 (Katze)sehr schnell
EstazolamProsom®28-28schnell
FlurazepamDalmadorm®, Staurodorm®, Dalmane®0.5-12-3schnell
LorazepamTemesta®, Ativan®, Tavor®, Tolid®2-4; 0.5 (Hund); 12 (Katze)10-20; 1 (Hund)mittelschnell
MidazolamDormicum®, Versed®0.28-0.832.2-6.8sehr schnell
OxazepamAdumbran®, Praxiten®, Serax®2-45-20langsam
QuazepamDoral®, Dormalin®1-241schnell
TemazepamPlanum®, Temazep®, Remestan®, Restoril®1.6-23.5-18.4schnell
TriazolamApo-Triazo®, Halcion®, Hypam®, Trilam®1-21.5-5.5schnell
 

4. Toxisches Prinzip

-Die Benzodiazepine interagieren mit den Benzodiazepin-Bindungsstelle der GABAA-Rezeptoren, an denen die γ-Aminobuttersäure (GABA) bindet. Die Anbindung der Benzodiazepine erhöht die Affinität von GABA an seiner orthosterischen Bindungsstelle, wodurch der Einstrom der Chlorid-Ionen in die Nervenzelle verstärkt wird, was zu einer geringeren Erregbarkeit der Neuronenmembran führt.
-Bei Katzen, die zur Verhaltensmodifikation oral und chronisch Diazepam erhalten, kann es zu einer akuten fulminanten Lebernekrose kommen. Der Mechanismus ist nicht bekannt, könnte aber mit der verminderten Glucuronid-Konjugation und Glutathion-Entgiftung von reaktiven Zwischenprodukten zusammenhängen.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute orale LD50 ist wie folgt (in mg/kg Körpergewicht):
 MausRatte >
Alprazolam1410-17001220-3100
Chlordiazepoxid 300-2000
Clonazepam200015000
Clorazepat 1320
Diazepam7001200
Estazolam 2500
Flurazepam500980
Lorazepam 4500
Midazolam 215
Oxazepam1540> 8000
Quazepam> 5000> 5000
Temazepam3702000
Triazolam > 7500
Zolazepam512398
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

Die einmalige Überdosierung ist bei gesunden Tieren selten lebensbedrohlich. Je höher jedoch die eingenommene Dosis ist, desto höher ist das Risiko einer Hypotonie, Hypothermie, eines Koma und von Krampfanfällen. In etwa 40-50% der Fälle kommt es sowohl bei Hunden als auch bei Katzen zu paradoxer Stimulation und Erregung.
-Diazepam: allgemein: Dosen > 20 mg/kg Körpergewicht gelten als relevant, andere stärkere Benzodiazepine sind toxischer; Hund: LD50 oral 1000 mg/kg Körpergewicht; Katze: die chronische Einnahme von mehr als einer Dosis Diazepam kann lebensbedrohlich sein, da sich eine fulminate Lebernekrose entwickeln kann.
-Quazepam: Hund: LD50 oral > 1000 mg/kg Körpergewicht.
 

2. Latenz

Die klinischen Sympome treten bei Lorazepam und Oxazepam nach 20-30 Minuten auf.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Ataxie, Apathie, Koma; Verwirrung, Desorientierung; Erregung, Aggression; Hypothermie
  
3.2Nervensystem
ZNS-Depression; Krampfanfälle
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation (Katzen: Erstickungsgefahr); Katzen: fulminante Lebernekrose
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Atemdepression
  
3.6Herz, Kreislauf
Hypotonie, Bradykardie
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Katze: Ikterus
  
3.11Blut, Blutbildung
Katze: erhöhte Leberenzyme, Koagulopathie, Hypoglykämie
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Keine spezifischen Befunde
 

5. Weiterführende Untersuchungen

-Blut- und Urinanalyse zum Ausschluss einer Grunderkrankung.
-Schnelltest zum Drogenscreening.
-Arzneimittel-Urin- oder Serumkonzentration: geben nur Aufschluss über die Exposition.
-Katzen: bei Verdacht auf eine akute Lebernekrose: Gerinnungstests: Prothrombin-Zeit (Quick-Test, PT) und aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT).
-Blutgasanalyse: kann bei Patienten mit schweren klinischen Symptomen indiziert sein, um eine Atemdepression zu überwachen.
 

6. Differentialdiagnosen

-Primäre Stoffwechselerkrankung (z.B. hepatische Enzephalopathie, Hypoglykämie).
-Primäre neurologische Erkrankung.
-Toxische Substanzen:
Sedation: Alkohole und Glykole (z.B. Ethanol, Methanol, Ethylenglykol); Barbiturate; Marihuana; Opiate und Opioide; Phenothiazine.
Agitation: Amphetamine; Antidepressiva (Serotonin-Syndrom); Kokain; Pseudoephedrin.
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Provozierte Emesis: aufgrund des schnellen Einsetzens von Symptomen ist äusserste Vorsicht geboten.
-Sofern guter Schluckreflex: einmalige Verabreichung von Aktivkohle mit einem Laxans, z.B. Carbodote, Trinklösung (24 g Carbo activatus/100 ml) oder Carbovit® (15 g Carbo activatus/100 ml): bei grossen Mengen, wobei das Aspirationsrisiko berücksichtigt werden muss.
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Körpertemperatur und Blutdruck kontrollieren.
-Intravenöse Flüssigkeitsgabe, mit einem ausgewogenen Kristalloid, nach Bedarf, zur Behandlung von Hypotonie, Aufrechterhaltung der Durchblutung und Korrektur einer Dehydrierung.
-Bei schwerer ZNS- oder Atemdepression kann das Antidot Flumazenil eingesetzt werden, allerdings können durch Flumazenil zentrale Krampfanfälle ausgelöst werden! Die Wirkung tritt i.d.R. innerhalb von 5 Minuten ein.
Flumazenil-Dosis: 0.01 mg/kg Körpergewicht i.v. bis zur Wirkung, bei Bedarf wiederholen. Aufgrund der kurzen Wirkungsdauer (1-2 Stunden) können wiederholte Flumazenil-Gaben erforderlich sein.
Paradoxe Reaktionen (z.B. Unruhe, Aggression)
-Die Behandlung mit Benzodiazepinen (z.B. Diazepam) ist kontraindiziert!
-Es sollte ein alternatives Sedativum oder Anxiolytikum verwendet werden:
Acepromazin 0.01-0.1 mg/kg Körpergewicht i.v., s.c., i.m., je nach Bedarf.
Dexmedetomidin 1-3 µg/kg Körpergewicht i.v., je nach Bedarf.
 
Vorsichtsmassnahmen/Wechselwirkungen
-Diazepam ist nicht wasserlöslich und die parenterale Formulierung enthält Propylenglykol sowie 10% Ethanol. Die intramuskuläre Injektion ist sehr schmerzhaft und reizend und das Diazepam wird schlecht absorbiert. Eine übermässige Propylenglykol-Exposition bei Katzen kann zur Bildung von Heinz' Körperchen führen.
 
Patientenüberwachung
-Bei übermässig sedierten Patienten sollten der Blutdruck, das EKG, der totale periphere Widerstand (TPR) und der Beatmungsstatus engmaschig überwacht werden.
 

8. Erwarteter Verlauf und Prognose

-Nach der Dekontamination müssen die Tiere in der Regel nur 4-8 Stunden lang überwacht werden.
-Wenn keine klinischen Anzeichen auftreten, kann der Patient zu Hause überwacht werden.
-Wenn klinische Symptome auftreten, sollten die Tiere überwacht werden, bis die klinischen Symptome abgeklungen sind (typischerweise innerhalb von 8-24 Stunden, je nach Medikament).
-Tiere, die nur eine einzige Überdosis eingenommen haben, ist die Prognose ausgezeichnet.
-Bei Katzen mit idiosynkratischem Leberversagen infolge wiederholter oraler Diazepam-Dosen ist die Prognose schlecht bis vorsichtig. Aus diesem Grund sollte die orale chronische Anwendung von Benzodiazepinen bei Katzen vermieden werden.
 

9. Literatur

Budde JA & McCluskey DM (2023) Plumbs Veterinary Drug Handbook, 10th Edition. Wiley-Blackwell, Hoboken NJ, pp. 39-41, 292-294, 301-303, 378-382, 778-781, 880-885 & 1236-1240
 
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SDS Estazolam (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/15889m.pdf (erfasst am 21.1.2025)
 
SDS Flurazepam (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/16190m.pdf (erfasst am 21.1.2025)
 
SDS Lorazepam (2023) https://sds.edqm.eu/pdf/SDS/EDQM_201600536_1.0_SDS_DE.pdf?ref=1679879530 (erfasst am 21.1.2025)
 
SDS Midazolam (2017) https://cdn.pfizer.com/pfizercom/products/material_safety_data/midazolam_inj_29-mar-2017.pdf (erfasst am 21.1.2025)
 
SDS Quazepam (2009) https://www.t3db.ca/system/msds/attachments/000/002/468/original/T3D3055.pdf?1414204354 (erfasst am 21.1.2025)
 
SDS Temazepam (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/15918m.pdf (erfasst am 21.1.2025)
 
SDS Triazolam (2024) https://cdn.caymanchem.com/cdn/msds/22577m.pdf (erfasst am 21.1.2025)
 
SDS Zolazepam (2004) https://laboratoriouniversal.com/home/biblioteca/hojas-seguridad/Zoletil%2050%20-%20MSDS.pdf (erfasst am 21.1.2025)
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