mdi-book-open-variant Impressum mdi-help Hilfe / Anleitung mdi-printer Webseite ausdrucken mdi-bookmark Bookmark der Webseite speichern mdi-magnify Suche & Index Toxikologie mdi-sitemap Sitemap CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-home Startseite CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-email Beratungsdienst: Email / Post / Fax / Telefon

Zutreffende Spezies (Botanik)

Cannabis sativa L. - giftig
 

Toxizitätsgrad

Giftig + (Erläuterungen)
 

Hauptwirkstoffe

Cannabinoide: vergiftungsrelevant ist das psychoaktive THC (delta-9-Tetrahydrocannabinol, Dronabinol).
THC-Gehalt der weiblichen Pflanze:
-Marihuana (getrocknete Blüten, blütennahe Blätter): 0.4-20%
-Haschisch (Harz der Blütenknospen): ≥ 10%
-Haschischöl (Harzextrakt der Blütenstände): 20-50%
-Joint mit 1 g Pflanzenmaterial: durchschnittlich 150 mg THC.
Cannaboide können im Mageninhalt und Urin nachgewiesen werden, im Urin während mehrerer Tage nach Ingestion. THC ist sehr lipophil und wird deshalb schnell in den Geweben verteilt und passiert die Blut-Hirnschranke. Dies erklärt die kurze Plasma- und die lange Eliminationshalbwertszeit. Der grösste Anteil von THC wird in der Leber zu 11-hydroxy-delta-9-THC metabolisiert, enterohepatisch rezirkuliert und zu 85% in der Faeces ausgeschieden, ein kleiner Anteil (15%) wird im Urin ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit beim Hund beträgt 30 Stunden, 80% des THC werden innerhalb von 5 Tagen ausgeschieden.
(Brutlag & Hommerding, 2018; Fitzgerald et al., 2013; Janeczek et al., 2018; Volmer, 2013; Wichtl, 2009)
 

 

Zielorgane

Peripheres und zentrales Nervensystem
 

Wirkungsmechanismen

Die ZNS-Depression sowie die halluzinogene Wirkung ist abhängig von der Höhe des THC-Gehalts.
-THC aktiviert die Cannaboid-Rezeptoren 1 (CB1) und 2 (CB2) im zentralen und peripheren Nervensystem.
-Die CB1 befinden sich hauptsächlich im zentralen Nervensystem, zu einer geringeren Anzahl im peripheren Nervensysten. Die CB1 im Gehirn sind in den anatomischen Regionen lokalisiert, die mit der Wahrnehmung, dem Gedächtnis, der Belohnung, Angst, Schmerzempfinden, der motorischen Koordination sowie der endokrinen Funktion in Zusammenhang gebracht werden. Gefühle wie Euphorie, Paranoia, Aggression und Relaxation werden deshalb den CB1 zugeordnet. Sensorische und autonome CB1 sind an der Schmerzempfindung, an kardiovaskulären, gastrointestinalen und respiratorischer Effekten beteiligt. Die CB1 sind für den psychotischen Effekt von THC verantwortlich. Deren Aktivierung inhibiert retrograd u.a. die Ausschüttung von Acetylcholin, Dopamin, GABA, Serotonin, Histamin und/oder Noradrenalin. Tiere haben die höchsten CB1-Konzentrationen in den Basalganglien und im Cerebellum.
-Die CB2 befinden sich hauptsächlich im peripheren Nervensystem, d.h. im Gastrointestinaltrakt, in den Entzündungs- und Epithelialzellen. Sie sind nicht-psychotrop. Die Aktivierung der CB2 hemmt u.a. die Produktion proinflammatorischer Cytokine und bewirkt eine erhöhte Ausschüttung von entzündungshemmenden Cytokinen.
-Hunde haben im Vergleich zum Menschen eine höhere Anzahl Cannaboid-Rezeptoren im Gehirn, was die höhere Empfindlichkeit gegenüber THC erklären dürfte.
-Synthetische Cannabinoide haben eine höhere Affinität für diese Rezeptoren als natürliche Cannabinoide.
(Fitzgerald et al., 2013; Landa et al., 2016; Brutlag & Hommerding, 2018)
 
Veterinärtoxikologie

Letale Dosis / Toxische Dosis

TD Hund p.o.:> 84.7 mg getrocknete Blätter/kg Körpergewicht (Janczyk, 2004; Fitzgerald et al., 2013).
TD Hund, Katze inhalativ: mehrmaliges absichtliches Anpusten während des Rauchens von Marihuana (Schwartz & Riddile, 1985; Janeczek et al., 2018).
LDmin. Hund p.o.:> 3 g THC/kg Körpergewicht (Fitzgerald et al., 2013; Volmer, 2013; Brutlag & Hommerding, 2018; Janeczek et al., 2018).
LD Rind p.o.:> 7 kg getrocknete Blätter/kg Körpergewicht (Driemeier, 1997).
 

Klinische Symptome

Die Inhalation oder Einnahme von THC hat eine hohe Morbiditäts- aber niedrige Mortalitätsrate (Brutlag & Hommerding, 2018; Fitzgerald et al., 2013). Am meisten betroffen sind Hunde (96%), selten Katzen (3%) (Janeczek et al., 2018).
Latenz: Inhalation: wenige Minuten, Ingestion: 1(-3) Stunden.
Erholung: meist innerhalb 24-36 Stunden, schwere Fälle bis 72 Stunden.
Eliminationshalbwertszeit Hund: 30 Stunden, 80% des THC's werden innerhalb von 5 Tagen ausgeschieden (Brutlag & Hommerding, 2018).
Symptome:
-Hund: 99% zeigen neurologische Symptome, 30% zusätzlich Magen-Darm-Probleme (Janeczek et al., 2018).
-Hund: Apathie, ZNS-Depression, Ataxie, Vomitus (v.a. nach Einnahme von Pflanzenmaterial), Harninkontinenz/-Tröpfeln, Hyperästhesie, Mydriasis, Salivation und Bradykardie; weniger häufig: Agitation, Aggression, Bradypnoe, Hypotension, Tachykardie und Nystagmus; selten: zentrale Krampfanfälle und Koma (Brutlag & Hommerding, 2018; Cooper et al., 2003; Fitzgerald et al., 2013; Henney & Coelman, 1984; Janczyk et al., 2004; Janeczek et al., 2018; Schwartz & Riddile, 1985; Thompson et al., 1973; Volmer, 2013; Welshman, 1986; Whalley et al., 2018).
-Hypothermie tritt häufiger bei Marihuana-Exposition auf, Hyperthermie häufiger bei synthetischen Cannabinoiden (SCB) (Brutlag & Hommerding, 2018).
-Synthetische Cannabinoide (SCB), Hund: Ataxie, Miosis, Tremor, Hyperästhesie, Aggression, Hypothermie, milde respiratorische Azidose, zentrale Krämpfe und Opisthotonus. Eliminationshalbwertszeit: 72-96 Stunden (Brutlag & Hommerding, 2018).
-Katze: Verhaltensstörungen (Aggression alternierend mit Apathie, Desorientierung), neurologische Störungen (Mydriasis, Störungen der Bewegungskoordination), Störungen des Verdauungstraktes (Hypersalivation, Fressatacken, gesteigerter Durst) und Polyurie; auch Hypotonie, Bradykardie und Bradypnoe (Janeczek et al., 2018).
-Frettchen: Niessen, Ataxie, Koma, Hypothermie, Bradykardie (Smith, 1988).
-Pferd, Maultier: Todesfälle nach der Einnahme grosser Mengen von frischem Pflanzenmaterial von Cannabis indica (Bischoff, 2007).
-Rind: 30 Stunden nach der Einnahme von 35 kg getrockneten Blättern von Cannabis sativa zeigten 5 Tiere Tremor, Mydriasis, Salivation, Bewegungsunlust, Ataxie und Schaum vor dem Maul. Zwei Jährlinge verstarben nach 1 Tag, ein Jährling nach 2 Tagen und eine Kuh nach 3 Tagen. Ein Ochse überlebte ohne Behandlung (Driemeier, 1997).
 

Fallbeispiele

Katze (Perser, wk, 6 Jahre alt): Nach direktem Anpusten während des Rauchens von Marihuana wies die Katze während 48 Stunden Phasen von Agitation alternierend mit Apathie, Aggression bis Angriffslust, Angst, Ataxie, Mydriase, Phasen mit Inapptenenz oder Fressatacken, Vokalisation, Salivation und Schluckbeschwerden auf. Die Blutgasanalyse ergab 5.5 ng delta-9-THC/ ml, 1.2 ng 11-hydroxy-delta-9-THC/ml und 13.8 ng 11-hydroxy-delta-9-THC/ml (Janeczek et al., 2018).
 
Hund (Boxer, männlich, 2.7 Jahre alt): 4 Stunden nach Verzehr einer Kräutermischung mit synthetischen Cannabinoiden zeigte der Hund starke Hypothermie (32.7°C), alternierend Sinusbradykardie und -tachykardie (60-160/Minute), war zuerst stuporös, dann zum Teil aggressiv, stark ataktisch, hypersensitiv, bekam Faszikulationen und intermittierend Opisthotonus. 2 Stunden später war er komatös und musste mechanisch beatmet werden. Ausser einer respiratorischen Azidose und einer milden Hyperlaktatämie waren die Blutwerte im Normalbereich. Neben der symptomatischen Therapie wurde dem Hund intravenös eine 20%ige Lipidemulsion verbreicht (1.5 ml/kg Körpergewicht als Bolus, dann 0.5 ml/kg Körpergewicht/Stunde kontinuerliche während 6 Stunden). Bereits kurz nach Beginn der Lipidinfusion reagierte er wieder auf Stimuli. 15 Stunden nach der Präsentation war der Hund weckbar und begann spontan zu atmen, nach weiteren 18 Stunden konnte er beschwerdefrei entlassen werden (Williams et al., 2015).
 

Therapie

Dekontamination innerhalb 30-60 Minuten und wiederholte Gabe von Aktivkohle (alle 6-8 Stunden, während 24 Stunden) bei asymptomatischen Patienten/ Symptomatische Therapie (siehe Notfalltherapie) / intravenöse Lipidinfusion, 20%ig: Bolus von 1.5 ml/kg Körpergewicht i.v., dann 0.25 ml/kg Körpergewicht/Minute während 30 Minuten. Die Therapie kann bei ungenügendem Effekt nach ca. 15 Stunden wiederholt werden.
 
Literatur
-Bischoff K. (2007) Marijuana. In: R.C. Gupta (ed.), Veterinary toxicology: basic and clinical principles, 1st edition. Elsevier Inc., Oxford, pp. 393-395
-Brutlag & A. Hommerding H. (2018) Toxicology of marijuana, synthetic cannabinoids, and cannabidiol in dogs and cats. Vet Clin North Am Small Anim Pract. 48(6), 1087-1102
-Cooper M.R., Johnson A.W. & Dauncey E.A. (2003) Poisonous plants and fungi, 2nd edition. TSO, London, pp. 38-39
-Driemeier D. (1997) Marijuana (Cannabis sativa) toxicosis in cattle. Vet Human Toxicol. 39(6), 351-352
-Fitzgerald K.T., Bronstein A.C. & Newquist K.L. (2013) Marijuana poisoning. Top Companion Anim Med. 28(1), 8-12
-Godbold J.C Jr., Hawkins B.J. & Woodward M.G.(1979) Acute oral marijuana poisoning in the dog. J Am Vet Med Assoc. 175(10), 1101-1102
-Henney S.N. & Coelman M.J. (1984) Canine cannabis intoxication. Vet Rec. 114(17), 436
-Janczyk P., Donaldson C.W. & Gwaltney S. (2004) Two hundred and thirteen cases of marijuana toxicosis in dogs. Vet Human Toxicol 46, 19-21
-Janeczek A., Zawadzki M., Szpot P. & Niedzwiedz A. (2018) Marijuana intoxication in a cat. Acta Vet Scand. 60(1), 44
-Jones D.L. (1978) A case of canine cannabis ingestion. N Z Vet J. 26(5), 135-136
-Landa L., Sulcova A. & Gbelec P. (2016) The use of cannabinoids in animals and therapeutic implications for veterinary medicine: a review. Veterinarni Medicina 61(3), 111-122
-Meola S.D., Tearney C.C., Haas S.A., Hackett T.B. & Mazzaferro E.M. (2012) Evaluation of trends in marijuana toxicosis in dogs living in a state with legalized medical marijuana: 125 dogs (2005-2010). J Vet Emerg Crit Care 22(6), 690-696
-PubChem (2016) pubchem.ncbi.nlm.nih.gov
-Schwartz R.H. & Riddile M. (1985) Marijuana intoxication in pets. J Am Vet Med Assoc. 187(3), 206
-Smith R.A. (1988) Coma in a ferret after ingestion of cannabis. Vet Hum Toxicol. 30(5), 486
-Volmer P.A. (2013) "Recreational" drugs: Marijuana. In: Small Animal Toxicology. 3rd edition. Peterson M.E. & Talcott P.A., W.B. Elsevier Saunders, St. Louis, pp. 321-323
-Whalley B., Lin H., Bell L., Hill T., Patel A., Gray R.A., Roberts E.C., Devinsky O., Bazelot M., Williams C.M. & Stephens G.J. (2018) Species-specific susceptibility to cannabis-induced convulsions. Br J Pharmacol.
-Welshman M.D. (1986) Doped dobermann. Vet Rec. 119(20), 512
-Wichtl M. (2009) Teedrogen und Phytopharmaka: Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. 5. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, p. 723
-Williams K., Wells R.J. & McLean M.K. (2015) Suspected synthetic cannabinoid toxicosis in a dog. J Vet Emerg Crit Care 25(6), 739-744
© 2024 - Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie

Es kann keinerlei Haftung für Ansprüche übernommen werden, die aus dieser Webseite erwachsen könnten.