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Phenole

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Phenol (= Carbolsäure) ist ein aromatischer Alkohol, der äusserst reaktive und korrosive Eigenschaften besitzt. Phenol bildet in reiner Form farblose Kristallnadeln, die einen charakteristischen Phenolgeruch aufweisen und sich durch Oxidation an der Luft rot färben.
Als Cresole werden die monomethylierten Phenolderivate bezeichnet. Das Isomergemisch der Cresole ist eine klare, gelbliche bis gelblich-braune Flüssigkeit. Durch weitere Methylierung (Dimethylphenole) entstehen die als Xylenole bezeichneten Verbindungen. Diese sind farblos und kristallin. Grosse Bedeutung für die Erhöhung einer bakteriziden und fungiziden Wirkung besitzt die Halogensubstitution, besonders die Chlorierung der Cresole und Xylenole. Hexachlorophen ist ein weisses Pulver, das nur noch einen schwachen Phenolgeruch hat.
Die meisten Phenolderivate besitzen eine geringe Wasserlöslichkeit. Carbolwasser ist eine 1-3%ige wässrige Lösung des gewöhnlichen Phenols. Lysol stellt eine Cresolseifenlösung dar; 8-Hydroxychinolinsulfat ist ein gelbes, kristallines Pulver, das in Wasser sehr gut löslich ist und einen bitteren brennenden Geschmack aufweist.
 

2. Quellen

Phenolhaltige Desinfektionsmittel gehören zu den am häufigsten verwendeten Präparaten in der Tierproduktion. Daneben werden Phenolderivate in Holzschutzmitteln, Entwicklerlösungen, Antiseptika, Hautseifen, Shampoos, Haarfärbemitteln und Anthelminthika angetroffen. Carbolineum ist ein Imprägnierungsmittel.
Es existieren auch natürliche Phenolderivate, wie das Thymol (aus Thymian) oder Eugenol (aus Gewürznelken), deren Toxizität um ein vielfaches geringer ist.
 

3. Kinetik

Sowohl über den Magen-Darm-Trakt, als auch über die Haut oder Lungen erfolgt eine schnelle Resorption der substituierten Phenole. Die Resorption des mittlerweile kaum mehr verwendeten reinen Phenols ist nur als mittelmässig zu bezeichnen.
Die Biotransformation erfolgt auf unterschiedliche Weise: Ein wichtiger Abbauweg beginnt mit der Oxidation, die zur Entstehung von Chinonen führt. Daneben findet die Konjugation durch Sulfatierung und Glukuronidierung statt.
Hierauf erfolgt die Ausscheidung über die Nieren.
Katzen, Reptilien und gewisse Vögel reagieren besonders empfindlich auf Phenole, da die Glukuronidierung bei diesen Spezies nur rudimentär ausgeprägt ist, und der Giftstoff daher nicht genügend abgebaut werden kann.
 

4. Toxisches Prinzip

Ihre lokale toxische Wirkung erlangen Phenole aufgrund der Denaturierung von Zellproteinen. Sie verursachen schon beim alleinigen Kontakt mit Haut oder Schleimhäuten tiefgehende Verätzungen, die anfangs weisslich erscheinen, sich später zu verbrennungsartigen Gewebszerstörungen entwickeln.
Die systemische Wirkung beruht auf radikalvermittelten Reaktionen und manifestiert sich in Form einer Leber- und Nierentoxizität. Phenolderivate stimulieren ausserdem das Respirationszentrum im Stammhirn, so dass es zur Hyperventilation und in Folge dessen zu einer respiratorischen Alkalose kommt. Über Kompensationsmechanismen (Bikarbonatausscheidung) folgt eine metabolische Azidose. Schliesslich können Phenole durch Oxidation des Hämoglobins Methämoglobinämie und Hämolyse verursachen. Hexachlorophen bewirkt eine Demyelinisierung im ZNS.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die akute, orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht) ist wie folgt:

 MausRatteKaninchenHuhn
Benzoesäure 1'700  
4-Chlor-m-cresol 1'830  
4-Chlor-o-cresol1'3201'190 2
6-Chlor-o-cresol710   
2-Chlorphenol345670  
3-Chlorphenol 5702 
4-Chlorphenol 670  
Chlorxylenol 3'830  
m-Cresol828242  
o-Cresol344121  
p-Cresol3441'800620 
Hexachlorophen67-18756-6641 
Pentachlorphenol 50-210  
Phenol270370  
2-Phenylphenol (= o-Phenyl-phenol)1'0502'000  
Pyrogallol300 1'600 
Resorcinol (= Resorcin) 301  
2,4-Xylenol8093'200620 
2,5-Xylenol380440940 
3,5-Xylenol4806001'300 
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

Phenol:Die minimal toxische Dosis (oral) beträgt 150 mg/kg beim Hund und 30 mg/kg bei der Katze. Die akute, orale LD50 für den Hund ist 0.5 g/kg Körpergewicht.
Benzoesäure:Die akute toxische Dosis (oral) für die Katze ist 450 mg/kg Körpergewicht, repetitiv 200 mg/kg Körpergewicht/Tag während 15 Tagen.
Hexachlorophen:Die akute, orale LD50 für den Hund ist 90 mg/kg.
Katzen reagieren empfindlicher auf Phenole und Phenolderivate wegen der geringeren Glucuronidierungsfähigkeit.
 

2. Latenz

Die Latenzzeit bis zum Auftreten der ersten Symptome beträgt 1-4 Stunden; Leber- und Nierenschäden manifestieren sich erst nach 12-24 Stunden.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Depression, Schwäche, Anorexie, Ataxie, Schock oder Koma bei akutem Leber- oder Nierenversagen
  
3.2Nervensystem
Krämpfe, Muskelzuckungen, Konvulsionen, Paralyse
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Hypersalivation, Erbrechen
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Polypnoe, Dyspnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie, Arrhythmien
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Korneanekrosen, -ulcera bis -penetration
  
3.9Harntrakt
Grün oder schwarz gefärbter Harn, Hämoglobinurie, Proteinurie
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Braun oder ikterisch gefärbte Schleimhäute
  
3.11Blut, Blutbildung
Methämoglobinämie, Anämie, Ikterus
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Der typische weisse Schorf, der durch die Verätzungen entsteht, ist in den meisten Organen nachzuweisen. Die Organe sind ikterisch verfärbt.
Histopathologische Befunde: In der Leber finden sich zentrolobuläre Nekrosen, in der Niere Tubulusnekrosen. Hexachlorophen verursacht eine Vakuolisierung der Myelinscheiden in Gehirn und Rückenmark.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Nachweis von Phenol im Harn mittels Farbreaktion: Die Vermischung von Urin mit Eisenchlorid führt zu Violettfärbung.
 
5.2Veränderte Laborwerte
-Blutchemie: Leberenzyme, Harnstoff, Kreatinin und Bilirubin sind erhöht.
-Nachweis der Methämoglobinämie.
-Differentialblutbild: Hämatokrit erniedrigt wegen aplastischer Anämie, Thrombozytopenie; erst Leukozytose, dann Leukopenie.
-Mikroskopische Veränderung des Blutbilds: Heinz' Körperchen, basophile Tüpfelung der Erythrozyten.
 

6. Differentialdiagnosen

-Hämolytische Anämien
-Hämobartonellose
-Leptospirose
-Babesiose
-Andere Vergiftungen, die zu Hämolyse führen: Zink
-Autoimmunerkrankungen
-Bakterielle Infektion mit hämolysierenden Bakterien
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren, gegebenenfalls Bluttransfusion
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
-Behandlung des intrakranialen Ödems
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Bei dermalem Kontakt sofortige Reinigung von Fell und Haut mit lauwarmem Wasser, mindestens 15 Minuten: Polyethylenglycol oder Glycerol erleichtert die Entfernung der Phenolderivate, danach kann ein mildes Detergens eingesetzt werden
-Wenn das Auge, beziehungsweise die Kornea in Kontakt mit Phenolderivaten gekommen ist, muss mindestens 20 Minuten mit steriler Kochsalzlösung (oder lauwarmem Wasser) gespült werden
-Bei oraler Aufnahme kann Milch oder Eiweiss eingegeben werden
-Eine Verdünnung der oral aufgenommenen Substanz mit Wasser ist umstritten, weil die Resorption erleichtert werden könnte
-Repetitive Verabreichung von Aktivkohle und Glaubersalz
-Eine Emesis oder Magenspülung soll nur dann durchgeführt werden, wenn Verletzungen des Ösophagus mit Sicherheit auszuschliessen sind.
 
7.3Forcierte renale Elimination
-Mittels Diurese
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Hautverbrennungen abdecken mit Binden, die in 0.5%igem Bicarbonat getaucht sind.
-Behandlung der Korneaverletzungen: Antibiotische Salbe, Vitamin A
-Aufhebung der Azidose: Bicarbonatinfusion, Ringerlaktat
-Antiemetika
-Antibiotische Versorgung
-Regulierung der Körpertemperatur
-Analgetika
-Die Behandlung des Hirnödems nach Hexachlorophenvergiftung bei Katzen ist mit 30%igem Harnstoff am erfolgreichsten.
 
7.5Antidottherapie
-Behandlung der Methämoglobinämie mit Vitamin C und Methylenblau. Dosierung von Vitamin C: 30 mg/kg p.o. oder i.v. 6mal im Abstand von 6 Stunden; Dosierung von Methylenblau: 3-4 mg/kg langsam i.v. (Hund) oder 1.5 mg/kg langsam i.v. (Katze)
-N-Acetylcystein als Prophylaxe vor Lebernekrosen. Initialdosis 140 mg/kg i.v., dann 70 mg/kg p.o. 5-7mal im Abstand von 6 Stunden
 

8. Fallbeispiele

8.1Eine Katze (4 Jahre) wurde mit Kresolseife gewaschen.
Symptome: Mydriasis, Zittern, Krämpfe, Erbrechen, Hypersalivation, Verätzungen der Maulschleimhaut
Therapie: Mehrmals gewaschen mit Wasser und Seife, Infusionen mit Glukosezusatz, Antibiotika, Glucocorticoide, homöopathische Vergiftungstropfen
Verlauf: Nach einer Woche langsame Besserung, nimmt selber wieder Wasser und Futter auf, nach 2 weiteren Tagen beginnt die Haut an Beinen und Bauch sich zu lösen. Es entstehen Eiterungen, die Katze hört auf zu fressen und wird euthanasiert
(Tox Info Suisse).
 

9. Literatur

Abdullahi SU (1983) Phenol toxicity in a dog. Vet Hum Toxicol 25, 407
 
Ellenhorn MJ (1997) Medical Toxicology, Williams & Wilkins, Baltimore, 1421-1424
 
Finnie JW, Abbott DP & Allan ET (1978) Hexachlorophene poisoning in a dog. Austr Vet J 54, 365
 
Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of Small Animal Toxikology and Poisonings; Mosby, St. Louis, pp 265-268
 
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Baillere Tindall, London, pp 205-207
 
Kietzmann M (1993) Arzneimittelunverträglichkeiten und Intoxikationen bei der Katze. Mh Vet Med 48, 507-511
 
Kojda G (1997) Lösemittel. In: Pharmakologie/Toxikologie Systematisch (Kojda G, ed), UNI-MED, Bremen, pp 965-967
 
Moeschlin S (1952) Klinik und Therapie der Vergiftungen, Georg Thieme, Stuttgart, pp 267-269
 
Owens J & Dorman D (1997) Common household hazards for small animals. Vet Med 92, 140-148
 
Poppenga RH, Trapp L, Braselton WE, Louden CG, Gumbs JM & Dalley JB (1990) Hexachlorophene toxicosis in a litter of Doberman pinschers. J Vet Diagn Invest 2, 129-131
 
Windholz M (1983) The Merck Index. Merck & Co, Rahway, New Jersey
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