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Phosphingas

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Die Reaktion von Aluminiumphosphid oder Zinkphosphid mit Wasser führt zur Freisetzung von giftigem Phosphorwasserstoff (Phosphingas). Aluminiumphosphid ist ein graugelbes Pulver mit geringer Wasserlöslichkeit. Zinkphosphid ist ein grau-schwarzes Pulver, nicht löslich in Wasser oder Alkohol. Beide Substanzen sind gut löslich in Säuren (zum Beispiel Magensäure) oder Alkalien. Zinkphosphid hat einen unangenehmen knoblauchartigen Geruch. Phosphin ist ein farbloses Gas, es ist schwerer als Luft und riecht nach faulem Fisch.
 

2. Quellen

Aluminium- und Zinkphosphid werden als Fertigköder, als Paste, in Form von "Giftweizen" oder als Rauchpatronen zur Nager- und seltener zur Insektenbekämpfung angewendet.
 

3. Kinetik

Nach oraler Aufnahme kommt es unter Einfluss der Magensäure zur Bildung von Phophorwasserstoff (Phosphin). Sowohl dieses Gas als auch das ursprüngliche Aluminium- oder Zinkphophid werden im Magen resorbiert. Phosphorwasserstoff gelangt dann über die Blutbahn zu den Organen. Es findet keine bedeutende Resorption über die Haut statt.
 

4. Toxisches Prinzip

Aluminium- und Zinkphosphid reizen die Schleimhäute und verursachen Erbrechen.
Phosphide werden im Magen zu Phosphin zersetzt, das die eigentliche toxische Substanz ist. Phosphin ist ein zytotoxisches Gas, das vermutlich den Elektronentransport in den Mitochondrien durch Blockierung der Cytochromoxidase hemmt. Betroffen sind vor allem Gewebe, die wie Lunge, Gehirn, Nieren Herz und Leber einen hohen Sauerstoffgehalt aufweisen. Es bildet sich ein toxisches Lungenödem.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteHuhnKaninchen
Aluminiumphosphid  60200-300
Zinkphosphid 40.5-46.7  
 
Phosphingas ist ab einer Konzentration von 50 ppm (70 mg/m3) akut toxisch.
 

6. Umwelttoxikologie

Aufgrund von Sekundärvergiftungen durch die Aufnahme von Nagern, die Phosphide gefressen haben, sind vor allem Greifvögel einem potentiellen Risiko ausgesetzt.
Der MAK-Wert für Phosphin liegt bei 0.3 ppm (= 0.42 mg/m3), dieses Gas wird von Menschen aber erst ab einer Konzentration von 1-3 ppm geruchlich wahrgenommen.
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

Die orale LD50 von Zinkphosphid liegt für Katzen und Hunde bei 20-40 mg/kg Körpergewicht; bei leerem Magen (keine Säureproduktion) überleben Hunde eine Dosis von bis zu 300 mg/kg (Casteel & Bailey, 1986; Knight, 2013).
 

2. Latenz

Die Latenzzeit nach Exposition dauert 15 Minuten bis 4 Stunden.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Zuerst Depression, Apathie, Ataxie, dann auch Unruhe, Erregung, Heulen, Herumrennen, Hyperthermie; bei schwerwiegender Vergiftung kommt es zu Festliegen und Koma
  
3.2Nervensystem
Hyperästhesie, Tremor, Krämpfe
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen, oft blutig
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Abdominalschmerz
  
3.5Respirationstrakt
Dyspnoe, Polypnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Kreislaufschwäche, Schock
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Zyanotische Schleimhäute
  
3.11Blut und Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Die postmortalen Veränderungen sind nicht spezifisch ausgeprägt. Es lassen sich Hämorrhagien und Ödeme in den Lungen, sowie Degenerationen und Nekrosen in Leber, Niere und Herzmuskel finden. Ausserdem weist der Magen-Darm-Trakt Zeichen einer Gastroenteritis auf. Es fällt eine generelle Hyperämie der Organe auf.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Der direkte Nachweis der Phosphide im Köder, Mageninhalt oder Erbrochenem mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie ist möglich: hierfür die Proben luftdicht verschliessen und einfrieren oder sofort analysieren, da sich die Phosphide zersetzen und Phosphingas flüchtig ist.
-Zur Diagnosesicherung kann auch der Aluminium- oder Zinkgehalt im Blut gemessen werden. Der Blutspiegel dieser Metalle ist aber bei Vergiftungen nicht zwingend erhöht.
 

6. Differentialdiagnosen

-Vergiftungen mit Arsenik, Blei, nichtsteroidalen Antiphlogistika, Metaldehyd, Strychnin, Amphetaminen, Carbamaten oder Organophosphaten
-Pankreatitis
-Diabetes
-Staupe
-Corona-Virus
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Bei inhalatorischer Vergiftung Atemmaske anlegen, um den Patienten aus der Umgebung zu bringen!
-Emesis sollte induziert werden, sofern der Patient nicht schon erbrochen hat
-Eine Magenspülung mit 5%iger Natriumbicarbonatlösung ist sinnvoll, weil dadurch der pH im Magen erhöht und somit die hydrolytische Abspaltung von Phosphingas reduziert wird (Vorsicht: keine metabolische Alkalose induzieren!)
-Alternative zur Magenspülung mit Natriumbicarbonat: Verabreichung von Aluminiumhydroxid 4-6mal täglich
-Mehrmals wiederholt Aktivkohle, bei Verstopfung in Verbindung mit Glaubersalz
 
7.3Forcierte renale Elimination
-Mittels Diurese, ist auch als Prophylaxe einer Niereninsuffizienz sinnvoll
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Aufhebung der Azidose: Ringerlaktatinfusion oder Bicarbonat
-Schutz der Magenschleimhaut: Cimetidin, Omeprazol, Misoprostol und Sucralfat
-Behandlung der Kolik mit einem Spasmolytikum/Analgetikum
-Regulierung der Körpertemperatur: Behandlung der Hyperthermie
-Behandlung des toxischen Lungenödems mit einem Diuretikum und Glucocorticoiden
 

8. Fallbeispiele

8.1Ein Spaniel hat eine in der Nähe eines Getreidesilos gefundene Ratte gefressen.
Symptome wenige Stunden später: Hyperkinesie, steife Extensoren, Zähneklappern
Therapie: Pentobarbitalnarkose
Verlauf: Der Hund stirbt
(Casteel and Bailey, 1986).
  
8.2Ein Deutscher Schäferhund (1 Jahr) streunte mehrere Stunden allein in der Nähe von Getreidesilos herum.
Symptome: Konvulsionen, Tremor, Extensorensteifheit
Therapie: Keine
Verlauf: Kurze Phase der Erholung, dann rennt der Hund jaulend in eine Gebäudewand und stirbt bald danach
(Casteel und Bailey, 1986).
  
8.3Ein Deutscher Schäferhund wird dem Tierarzt vorgestellt.
Symptome: Tremor, Konvulsionen, Hyperthermie (41°C), strenger Geruch nach Knoblauch
Therapie: Barbiturate
Verlauf: Der Hund stirbt nach 5 Stunden
(Casteel und Bailey, 1986).
 

9. Literatur

Beasley VR, Racke KD & Leslie AR (1993) Pesticides and pets. Pesticides in urban environments: fate and significance, Am Chem Soc, 344-351
 
Casteel SW & Bailey EM (1986) A review of zinc phosphide poisoning. Vet Hum Toxicol 28, 151-154
 
Dorman DC (1990) Toxicology of selected pesticides, drugs, and chemicals. Anticoagulant, cholecalciferol, and bromethalin-based rodenticides. Small Anim Pract 20, 339-352
 
Ellenhorn MJ (1997) Medical Toxicology, Williams & Wilkins, Baltimore, p 1658
 
Guale FG, Stair EL, Johnson BW, Edwards WC & Haliburton JC (1994) Laboratory diagnosis of zinc phosphide poisoning. Vet Hum Toxicol 36, 517-519
 
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Bailliere Tindall, pp 76-78
 
Knight MW (2013) Zinc Phosphide. In: Small Animal Toxicology, Third Edition. Eds: ME Peterson & PA Talcott, Elsevier Saunders, St. Louis USA, pp. 853-864
 
Talcott PA & Dorman DC (1997) Pesticide exposures in companion animals. Vet Med 92, 167-181
 
Murphy MJ (1994) Toxin exposures in dogs and cats: pesticides and biotoxins. J Am Vet Med Assoc 205, 414-421
 
Ram R, Ghouse M & Rao DS (1993) Therapy of experimental zinc phosphide poisoning in canines. Ind J Vet Med 13, 85
 
Rodenburg HD, Chang CC & Watson WA (1989) Zinc phosphide ingestion: A case report and review. Vet Hum Toxicol 31, 559-562
 
Stowe CM, Nelson R, Werdin R, Fangmann G, Fredrick P, Weaver G & Arendt TD (1978) Zinc phosphide poisoning in dogs. J Am Vet Med Assoc 173, 270
 
Windholz M (1983) The Merck Index. Merck & Co, Rahway, New Jersey
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