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Dinitrophenole

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Dinitrophenole sind substituierte aromatische Verbindungen. Sie sind lipidlöslich und intensiv gelb oder orange-rot bis braun gefärbt.
 

2. Quellen

Dinitrophenole werden als Herbizide, Fungizide und Insektizide eingesetzt. Eine unkontrollierte Aufnahme dieser Verbindungen erfolgt meistens aufgrund fehlerhafter Lagerung, Nichteinhaltens der Anwendungsvorschriften oder akzidentellen Besprühens der Tiere.
Dinitrophenole wurden früher auch als Explosivstoffe und Abmagerungsmittel vermarktet.
 

3. Kinetik

Dinitrophenole können auf Grund ihrer Lipidlöslichkeit sowohl oral, als auch über die Haut oder die Lungen resorbiert werden. Im Blut findet ein starke Bindung an das Serumalbumin statt. Die Ausscheidung erfolgt teils in unveränderter Form und teils metabolisiert über den Harn. Beträchtliche Anteile werden auch über die Faeces ausgeschieden.
Die Elimination aus dem Körper erfolgt jedoch langsam und dauert etwa 3-4 Wochen.
 

4. Toxisches Prinzip

Dinitrophenole verursachen an ihrer Eintrittsstelle in den Körper lokale Reizungen der Haut oder Schleimhäute.
Die dominierende toxische Wirkung der Dinitrophenole ist die Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung: die ATP-Bildung in den Zellen erfolgt durch oxidative Phosphorylierung an 3 Stellen entlang der mitochondrialen Atmungskette. Unter normalen Bedingungen sind diese zwei Prozesse (oxidative Phosphorylierung und Atmungskette) miteinander gekoppelt, das Durchlaufen der Atmungskette führt somit zwangsläufig zur Bereitstellung von ATP. In der Gegenwart von Dinitrophenolen werden oxidative Phosphorylierung und Atmungskette jedoch entkoppelt. Als Folge kann die in der Atmungskette anfallende Energie nicht mehr in verwertbarer Form gespeichert werden, sie wird als Abwärme ungenutzt abgegeben.
Die aufgrund des gesteigerten Energieumsatzes vermehrte Glykolyse führt zur metabolischen Azidose infolge gesteigerter Milchsäurekonzentration im Blut des Tieres.
Bei Wiederkäuern kann zusätzlich eine Umwandlung der Dinitroverbindungen in methämoglobinbildende Metaboliten durch die Pansenflora erfolgen.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
2-Cyclohexyl-4,6-Dinitrophenol5065  
Dinitramin 3'000  
Dinitroorthocresol (DNOC)2425-404526
Dinitrobutylphenol (Binapacryl)1'600-3'20058-63  
2,4-Dinitrophenol (DNP) 30  
Dinocap 980-1'190  
Dinoseb (DNBP)1627-50 26-40
Dinosebacetat 55-65  
Dinoterb19.5-2526-6225-35 
Disophenol212170  
Nitralin> 2'000> 6'000> 2'000 
 
Die Toxizität der Dinitrophenole wird durch höhere Umgebungstemperaturen beträchtlich verstärkt.
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

Es liegen nur vereinzelt spezifische Angaben zur Toxizität der Dinitrophenole bei Hund und Katze vor.
 
1.1Akute orale LD50
Für den Hund: DNOC 50 mg/kg Körpergewicht; Dinocap 100 mg/kg.
 

2. Latenz

Die Latenzzeit kann bei akuten Vergiftungen einige Minuten bis einige Stunden betragen. Wegen der Anreicherung der Dinitrophenole im Organismus ist eine Vergiftung auch nach chronischer Belastung möglich.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Die typischen Merkmale der Dinitrophenolvergiftung sind Schwäche, Müdigkeit, Ataxie in Verbindung mit Hyperthermie und starkem Durst.
  
3.2Nervensystem
Paresen, Muskelschwäche, manchmal Konvulsionen im Agoniestadium
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Gelb-orange Verfärbung der Mundhöhle (Differentialdiagnose: Ikterus), Hypersalivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Kolik, Durchfall, gelb-oranger Kot
  
3.5Respirationstrakt
Tachypnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Oligurie, Proteinurie, gelber, gelb-grüner manchmal brauner Harn
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Gelb-orange Verfärbung der Haut oder Schleimhäute (Differentialdiagnose: Ikterus)
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Bei der Sektion finden sich keine charakteristischen Befunde ausser einer möglichen Gelbfärbung von Fell, Haut oder Schleimhäuten. Auch die Harnblase oder der Urin können gelb oder gelb-grün verfärbt sein. Zu erwarten ist ferner ein ungewöhnlich schneller Eintritt der Totenstarre.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Der Nachweis der Dinitrophenole in Futterresten, Mageninhalt, Harn oder Serum ist mittels Gaschromatographie möglich.
 

6. Differentialdiagnose

Es besteht die Gefahr von Verwechslungen mit
-Infektionskrankheiten (zum Beispiel Tollwut) sowie
-Vergiftungen durch Carbamate, Organophosphate oder chlorierte Kohlenwasserstoffe.
-Die Gelbfärbung der Schleimhäute könnte einen Ikterus vortäuschen.
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination
-Emesis
-Wiederholte Verabreichung von Aktivkohle und Glaubersalz
-Bei Hautkontakt mit Detergens abwaschen
 
7.3Weitere symptomatische Massnahmen
-Aufhebung der Azidose: Ringerlaktat- oder Bikarbonatinfusion
-Betroffene Tiere in ruhige Umgebungen bringen
-Regulierung der Körpertemperatur: Kalte Waschungen durchführen
 
7.4Kontraindiziert
-Verabreichung von Atropin
 

8. Fallbeispiele

8.1Zwei Setter waren durch eine ländliche Gegend gestreunt.
Ein Hund starb auf dem Weg zum Tierarzt, der andere wurde mit Tachypnoe, Ataxie und einer auffallend gelben Flüssigkeit im Fell vorgestellt. Nach einer Atropinverabreichung starb auch der zweite Hund. Die gelbe Flüssigkeit konnte als Dinoseb-Konzentrat identifiziert werden (Fikes et al., 1989).
  
8.2Ein Hund (6 Jahre, 36 kg, männlich) hat eine unbekannte Menge von Dinoseb aufgenommen.
Symptome: Unruhe, Hyperthermie, Hypersalivation, Tachypnoe, Tachykardie, Erbrechen
Therapie: Emesis, Infusionen, Kühlung
Verlauf: Besserung ohne weitere Komplikationen
(Tox Info Suisse).
 

9. Literatur

Fikes JD, Lovell RA & Metzler M (1989) Dinoseb toxicosis in two dogs. J Am Vet Med Assoc 194, 543-544
 
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Baillière Tindall, London, pp 136-137
 
Kühnert M (1991) Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel und Mittel zur biologischen Prozesssteuerung. In: Veterinärmedizinische Toxikologie (M Kühnert, ed) Gustav Fischer, Jena, pp 98-189
 
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1987) Précis de Toxicologie Clinique Vétérinaire, Édition du Point Vétérinaire, Maisons-Alfort, pp 90-93
 
Perkow W (1988) Wirksubstanzen der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel. Parey Verlag, Berlin
 
Windholz M (1983) The Merck Index, Merck & Co, Rahway, New Jersey
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