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Amitraz

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Amitraz ist ein aus Formamidin abgeleiteter, lipophiler Stoff. Die reine Substanz ist farblos und hat eine kristalline Struktur. Amitraz ist in Wasser schlecht, in Aceton, Toluol, Xylol oder anderen organischen Lösungsmitteln gut löslich. Die Lagerung angerührter wässriger Lösungen ist gefährlich, weil dabei toxische Abbauprodukte entstehen.
 

2. Quellen

Amitraz wird als Insektizid und Akarizid mit breiter Wirkung eingesetzt. In der Landwirtschaft kommt Amitraz als Emulsionskonzentrat vor allem auf Obstkulturen zum Einsatz. Beim Hund wird Amitraz als Waschlösung oder in Form von Halsbändern gegen Ektoparasiten angewendet. Beim Schwein wird Amitraz als Aufgusspräparat ebenfalls gegen Ektoparasiten gebraucht. Die handelsüblichen Konzentrate von Amitraz enthalten organische Lösungsmittel. Oftmals sind diese Lösungsmittel Verursacher weiterer Vergiftungssymptome.
 

3. Kinetik

Amitraz wird sowohl dermal wie enteral resorbiert. Die dermale Bioverfügbarkeit beträgt jedoch weniger als 40%. Bereits 3 Stunden nach oraler Aufnahme erreicht der Plasmaspiegel seine höchsten Werte. Der aufgenommene Wirkstoff wird umfangreich metabolisiert und als Konjugat überwiegend renal ausgeschieden.
Nach Überdosierung wird eine Eliminationshalbwertszeit von ca. 24 Stunden gemessen.
 

4. Toxisches Prinzip

Amitraz entfaltet eine agonistische Wirkung an α-2-Adrenozeptoren, ähnlich wie Xylazin oder Medetomidin. Als Hauptkennzeichen der Vergiftung ist deshalb eine zentrale Sedation mit Analgesie und Muskelrelaxation zu erwarten. Ferner führt die α-2-adrenerge Wirkung zu Bradykardie, Blutdruckabfall und Magen- sowie Darmatonie. Bei Ratten und Hunden vermindert Amitraz die Freisetzung von Insulin, womit sich eine Hyperglykämie einstellt.
Die meisten Amitrazpräparate enthalten ausserdem Lösungsmittel (zum Beispiel Xylol), die ebenfalls toxische Wirkungen besitzen können.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Amitraz800-1'600600-800> 100 
 
Bei Aufnahme über die Haut erhöht sich die LD50 um einen Faktor von 2-4. Der akute orale LD50-Wert von Amitraz beträgt für das Meerschwein > 400 mg/kg Körpergewicht.
 

6. Umwelttoxikologie

Amitraz wird in der Umwelt zwar rasch zersetzt, infolge der hohen Fischtoxizität sollte diese Substanz jedoch nicht in die Gewässer gelangen.
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

1.1Minimal toxische Dosis
10 mg/kg p.o. beim Hund, die Katze reagiert empfindlicher.
 
1.2Akute orale LD50
100 mg/kg Körpergewicht beim Hund
 

2. Latenz

Die Latenzzeit beträgt 30 Minuten; nach perkutaner Vergiftung kann es auch länger dauern, bis die Symptome auftreten.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Depression, Somnolenz, Sedation, Koma, Ataxie, Hypothermie
  
3.2Nervensystem
Muskelschwäche
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen, Salivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Magenatonie, Magendilatation, herabgesetzte Darmmotilität, Ileus, Obstipation
  
3.5Respirationstrakt
Das in Präparationen enthaltene Xylol ist oftmals Verursacher von Verschluckpneumonien
  
3.6Herz, Kreislauf
Kurz nach der Ingestion Hypertonie, dann Hypotonie, Bradykardie, verlängerte Kapillarrückfüllungszeit, Zyanose
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Mydriasis (gelegentlich)
  
3.9Harntrakt
Polyurie
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Klebrige, kalte Schleimhäute, kirschrote oder bläuliche Schleimhäute
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Spezifische postmortale Befunde sind bei den Kleintieren nicht bekannt.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Nachweis von Amitraz im Plasma mittels Gaschromatographie.
 
5.2Veränderte Laborwerte
-Blutchemie: Es kann eine Hyperglykämie, manchmal auch eine Glukosurie festgestellt werden
 

6. Differentialdiagnose

-Ileus oder Obstipation anderer Genese
-Anwendung von Sedativa
-Weitere Vergiftungen, vor allem mit Pyrethoiden, Carbamaten, Organophosphaten, Rotenon
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren.Vorsicht mit Flüssigkeitssubstitution, wenn eine Hypertension vorliegt.
-Atmung stabilisieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Bei dermaler Exposition: Sorgfältiges Waschen mit ausreichend warmem Wasser und milder Seifenlösung
-Entfernung eines abgeschluckten Halsbandes mittels Endoskopie
-Wiederholte Verabreichung von Aktivkohle, kombiniert mit Glaubersalz
-Erbrechen sollte nur dann ausgelöst werden, wenn in der abgeschluckten Substanz keine organische Lösungsmittel enthalten sind und keine Anzeichen einer ZNS-Depression vorliegen
 
7.3Antidottherapie
-Atipamezol: 0.1-0.2 mg/kg Körpergewicht i.m.
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Regulierung der Körpertemperatur: Wärme
-Antiemetika: sofern das Erbrechen auch nach längerer Zeit anhält, Metoclopramid oder Domperidon
-Antibiotische Versorgung: im Fall einer Aspirationspneumonie muss der Patient mit Breitspektrumantibiotika abgedeckt werden.
 
7.5Kontraindiziert
-Xylazin, Medetomidin und andere α-2-Agonisten wegen der Synergien mit Amitraz
-Atropinsulfat ist nur mit Vorsicht anzuwenden: da die Bradykardie durch eine Blockade der Norepinephrinausschüttung bedingt ist und die restlichen α-Effekte nicht aufgehoben werden, besteht durch die Atropingabe die Gefahr von Herzarrhythmien und der zusätzlichen Dämpfung der Motilität des Magen-Darm-Trakts (Grossmann, 1993)
-Gastrotomie zur Giftquellenentfernung wegen der Gefahr einer Magendilatation
 

8. Fallbeispiele

8.1Ein Labrador (18 kg) hat vor 2 Stunden ein 5 cm langes Stück seines Zeckenhalsbandes gefressen (etwa 180 mg Amitraz).
Symptome: Hypothermie, verlängerte Kapillarrückfüllungszeit, Bradykardie, Lethargie, Mydriasis
Therapie: Emesis mit Ipecac-Syrup, Aktivkohle, Atropin, Flüssigkeit
Verlauf: Heilung innerhalb von 3 Tagen
(Tox Info Suisse).
  
8.2Ein Hund (20 kg) hat während der Nacht Teile seines Zeckenhalsbandes gefressen. Die aufgenommene Amitraz-Menge beträgt maximal 500 mg.
Symptome: Somnolenz, Ataxie, Bradykardie
Therapie: Flumethason, Atropin
Verlauf: Besserung innerhalb von 48 Stunden
(Tox Info Suisse).
 

9. Literatur

Ameno K, Fuke C, Ameno S, Kiriu T, Shinohara T & Ijiri I (1991) A rapid and sensitive quantitation of amitraz in plasma by gas chromatography with nitrogenphosphorus detection and its application for pharmacokinetics. J Anal Toxicol 15, 116-118
 
Chen TH & Hsu WH (1994) Inhibition of insulin release by the formamidine pesticide amitraz and its metabolites in a rat β-cell line: an action mediated by α-2 adrenoceptors, a GTP-binding protein and a decrease in cyclic AMP. J Pharmacol Exp Ther 271, 1240-1245
 
Cullen LK & Reynoldson JA (1987) Cardiovascular and respiratory effects of the acaricide amitraz. J Vet Pharmacol Therap 10, 134-143
 
Duncan K (1993) Treatment of amitraz toxicosis. J Am Vet Med Assoc 203, 1115-1116
 
Gfeller RW & Messonnier SP (2004) Handbook of Small Animal Toxicology and Poisonings. Mosby, St. Louis, pp 84-86
 
Grossman M (1993) Amitraz toxicosis associated with ingestion of an acaricide collar in a dog. J Am Vet Med Assoc 203, 55-57
 
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Hugnet C, Buronfosse F, Pineau X, Cadore JL, Lorgue G & Berny PJ (1996) Toxicity and kinetics of amitraz in dogs. Am J Vet Res 57, 1506-1510
 
Jones RD (1990) Xylene/amitraz: a pharmacologic review and profile. Vet Hum Toxicol 32, 446-449
 
Kunkle G (1997) An updated review of ectoparsiticide treatments in dogs and cats. J Vet Pharm Therap 20, Suppl 1, 110-112
 
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Talcott PA & Dorman DC (1997) Pesticide exposures in companion animals. Vet Med 92, 168-181
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