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Enzootische Bronchopneumonie (EBP) bei Kälbern und Jungrindern

Wichtige Hinweise Diese akute bis chronische Entzündung der oberen und unteren Atemwege tritt gehäuft bei Kälbern und Jungrindern im Alter von 4 Wochen bis 4 Monaten auf. Die EBP ist die wichtigste Faktorenerkrankung der Kälber. Bei gehäuften Erkrankungen basiert die Lösung des Bestandesproblems auf einer Verbesserung von Haltung, Ventilation und Fütterung der Kälber. Impfungen und der massive Einsatz von Antibiotika sind ungeeignete Massnahmen, um Mängel im Management und der Aufstallung zu kompensieren.
 
Krankheitsbild / Symptomatik / Risikofaktoren

Hintergrundinformationen

Erkrankungen der Kälber resultieren in der Regel aus dem Zusammenwirken von Viren, Bakterien, hoher Ammoniakkonzentration, hoher Belegungsdichte und Zugluft.
 
Die EBP tritt am häufigsten Crowding-assoziiert, nach Transport und Aufstallung von Kälbern verschiedener Geburtsbetriebe in Mastbetrieben auf sowie, bei nasskalter Witterung im Frühjahr und Spätherbst ("saisonale Form").
 
Erkrankte Kälber können drei Stadien der EBP durchlaufen:
 
-Bronchitis: Initial nach Virusinfektion, Inflammation der oberen Atemwege (Tracheitis, Bronchitis, Bronchiolitis) einhergehend mit Bronchokonstriktion, Infiltration von Leukozyten, Hyperkrinie, und verminderter respiro-protektiver Clearance.
  
-Katarrhalisch-purulente Herdpneumonie: Nach bakterieller Sekundärinfektion insbesondere im Spitzenlappenbereich mit Anschoppung von Entzündungsprodukten, Atelektasen und Konsolidierungen; bakterielle Exotoxine induzieren pro-koagulative und pro-inflammatorische Reaktionen.
  
-Fibrinöse Pleuropneumonie: Die überschiessende Fibrinausschwitzung führt zu einer fokalen Pleuritis, alveolärem und interstitiellen Emphysem, vermehrter Durchbauung des Parenchyms und drastisch verminderter alveolärer Ventilation ("bunte Marmorierung").
 

Ursachen, Risikofaktoren und Schlüsselstellen

Zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung der Kälber ist die frühe Erkennung betroffener Tiere. Häufiges Thermometrieren in Risikoperioden (d.h. nach Aufstallung neuer, zugekaufter Tiere auf dem Mastbetrieb) ist essentiell.
 

Erreger

-Viren: Bovines Respiratorische Syncitialvirus (BRSV), Parainfluenza-3 (PI-3), Corona
  
-Bakterien: v.a. Mannheimia haemolytica, Pasteurella multocida, Histophilus somni, Mycoplasma spp.
 
Diagnose / Tests Initial tritt nach der Virusinfektion Fieber (> 39.5°C) auf, ein Teil der Tiere wirkt abgeschlagen, hustet gelegentlich, zeigt Epiphora und vermehrt serösen Nasenausfluss.
 
Eine deutlich erkennbare Tachypnoe (> 40/min) ist 36 - 48 Stunden nach dem initialen Fieber erkennbar. Die Atemintensität ist erhöht. Tracheobronchial sind inspiratorisch verschärfte Atemgeräusche auskultierbar. Es entwickelt sich eine inspiratorische Dyspnoe.
 
Bei Ausbleiben einer adäquaten Therapie fällt in den folgenden Tagen eine gemischte Dyspnoe mit aktiver exspiratorischer Komponente auf. Fieber kann fehlen. Purulenter Nasenausfluss ist Ausdruck einer bakteriellen Sekundärinfektion und einer deutlichen Störung des Allgemeinbefindens.
 
Terminal fallen die Kälber auf mit doppelschlägiger, exspiratorischer Dyspnoe, grossflächigem Röhrenatmen, evtl. Bradypnoe, Hypothermie, Stridores, gestreckter Kopf-Hals-Haltung, Maulatmung und abgeblatteten Schultergliedmassen. Eine erfolgreiche Behandlung und vollständige Heilung derartiger Patienten ist nicht möglich.
 
Therapieleitlinien

Grundsätzliches

Trotz der initialen Virusinfektion sollte die Antibiose unmittelbar nach Auftreten von Fieber (> 40.0°C) bereits vor Auftreten einer deutlichen respiratorischen Symptomatik beginnen. Sobald sich im Zusammenhang mit einer bakteriellen Sekundärinfektion massive pathomorphologische Veränderungen des Lungenparenchyms entwickelt haben, wird die Prognose wesentlich ungünstiger.
 
Die Mehrzahl akut erkrankter Kälber ist aufgrund der massiven Einwirkung von Stressoren (ungünstige Witterungsbedingungen, Transportstress, Umstallung) immunsupprimiert. Es sind deshalb initial vorzugsweise bakterizide Antibiotika einzusetzen.
 
Eine Behandlungsdauer von 6 Tagen sollte bei akut erkrankten Tieren nicht unterschritten werden, um die Rezidivrate gering zu halten (< 10 %). Eine einzige Behandlung ("single shot") ist i.d.R. nicht ausreichend. Der Therapieerfolg sollte durch wiederholtes Thermometrieren und die Befundung der klinischen Symptome erfasst und dokumentiert werden. Die Behandlungsintervalle richten sich nach der Wahl des Präparates. Bei konzentrationsabhängigen Antibiotika (z.B. Fluorchinolone) ist eine hohe initiale Serumkonzentration notwendig, um eine maximale Wirkung sicherzustellen.
 

Antibiotika

EBP: Akut erkrankte Kälber mit deutlicher klinischer Symptomatik
PriorisierungAntibiotikaBemerkung
 Oral 
First Linenicht sinnvollAkut kranke Tiere sind häufig inappetent und lassen sich leicht abdrängen; Gefahr der Unterdosierung der Wirkstoffe.
 Parenteral 
First LineFlorfenicolBakterizide Wirkung gegen Pneumonieerreger (inkl. Mykoplasmen)
Second LineSulfonamid & TrimethoprimPotenzierte Sulfonamide wirken bakterizid.
 β-Lactam-Antibiotika
(ausgenommen 3./4. Generation Cephalosporine)
β-Lactam-Antibiotika zeigen oft eine gute Wirkung; nachteilig sind deren kurze Halbwertszeit und die fehlende Wirksamkeit gegenüber Mykoplasmen.
 TetracyclineTetracycline in hoher Dosierung (20 mg/kg) haben sich in der Praxis bewährt, wirken aber bakteriostatisch und es werden relativ häufig Resistenzen beobachtet.
Third LineFluorchinoloneStark eingeschränkter Einsatz. Nur als Ausnahme mit einer fallspezifischen Begründung einsetzbar.
 Cephalosporine 3./4. GenerationStark eingeschränkter Einsatz. Nur als Ausnahme mit einer fallspezifischen Begründung einsetzbar.
No goAminoglykosideSind aufgrund des Erregerspektrums, der Resistenzlage und der geringen therapeutischen Breite nicht geeignet.
 
EBP: Metaphylaxe ("Einstallungsmedikation")
PriorisierungAntibiotikaBemerkung
 Oral 
First LineKombinationspräparate mit Tetracyclinen und SulfonamidenAnwendung über 8 - 10 Tage; die Beimischung von Makroliden (kritische Antibiotika) ist nicht zielführend.
Second LineAmoxicillinβ-Lactam-Antibiotika zeigen oft eine gute Wirkung; nachteilig sind deren kurze Halbwertszeit und die fehlende Wirksamkeit gegenüber Mykoplasmen.
 TetracyclineTetracycline in hoher Dosierung haben sich in der Praxis bewährt, allerdings werden relativ häufig Resistenzen beobachtet.
 Parenteral 
First LineTetracyclineTetracycline haben sich in der Praxis bewährt, wirken aber bakteriostatisch und es werden häufig Resistenzen beobachtet.
Second LineMakrolideGewährleisten aufgrund des grossen Verteilungsvolumens eine über 7 Tage anhaltende Konzentration oberhalb des MHK im entzündeten Gewebe. Stark eingeschränkter Einsatz. Nur als Ausnahme mit einer fallspezifischen Begründung einsetzbar.
No goAminoglykosideSind aufgrund des Erregerspektrums, der Resistenzlage und der geringen therapeutischen Breite nicht geeignet.
 
Prudent use: In Betrieben mit wiederkehrenden Problemen werden häufiger Fütterungsarzneimittel eingesetzt und es wird auch häufiger geimpft als in Betrieben, die kaum Probleme mit Rindergrippe haben. Das macht deutlich, dass Bestandesprobleme mit massivem Medikamenten- und Impfstoffeinsatz nicht zu lösen sind. Es braucht dort eine grundlegende Evaluation der Ursachen der Probleme und daraus folgend allfällige Verbesserungen und Änderungen in Management, Haltung, Biosicherheit etc.
Mehrere aktuelle Studien aus der Schweiz zeigen, dass kritische Antibiotika sehr häufig als first line Therapie eingesetzt werden. In dieser Hinsicht besteht ein grosses Optimierungspotenzial.
 

Resistenzlage

Die Resistenzsituation ist vergleichsweise günstig. Probleme ergeben sich allenfalls bei den Tetracyclinen, die in der Schweiz bei Aufzuchtkälbern zu den am häufigsten eingesetzten Antibiotika gehören. Deren Dosierung ist jedoch häufig zu niedrig und die Dauer der Therapie zu kurz. Dies bestätigt, dass eine falsche Anwendung von Antibiotika zur Resistenzbildung infolge eines erhöhten Selektionsdruckes führen kann. So zeigten Auswertungen aus der Schweiz, dass im Vergleich zum Jahr 2000 im Jahr 2012 hohe Resistenzraten von Pasteurellaceae gegenüber Makroliden nachgewiesen wurden.
 
Im Rahmen der Überwachung (2016) von Antibiotikaresistenzen bei tierpathogenen Erregern waren drei Viertel der M. haemolytica Isolate resistent auf Tetracyclin. Eine erhöhte Intermediärrate für M. haemolytica wurde gegenüber Tilmicosin (62,5%) und Enrofloxacin (25%) gefunden. Nur je ein Isolat zeigte sich resistent gegenüber Florfenicol und Penicillin. Alle Isolate waren sensibel auf Gentamicin, Tulathromycin und Ceftiofur. In der gleichen Studie wurden 18 P. multocida Stämme untersucht. Davon waren mehr als drei Viertel resistent gegen Tetracyclin. Bei Penicillin wurde eine Resistenzrate von 11,1% und eine Intermediärrate von 22,2% nachgewiesen. Die Resistenzrate von Tulathromycin lag bei 11,1%. Ein Isolat war resistent gegen Florfenicol. Bei Enrofloxacin wurden keine Resistenzen gefunden, jedoch eine mittlere Intermediärrate von 16,7%.
 

Prävention

Zentrale präventive Massnahmen bestehen in ausreichender Kolostrumversorgung, korrektem Tränkemanagement, Verbesserung der Hygiene und Optimierung des Managements.
 
Um das Erkrankungsrisiko zu vermindern, sollten ausschliesslich gesunde Kälber mit gutem Allgemeinzustand zugekauft werde. Der Transport sollte möglichst kurz und schonend erfolgen.
 
Die kontinuierliche Bestossung von Gruppenboxen ist unbedingt zu vermeiden. Zugekaufte Gruppen sollten in gemistete und gereinigte Gruppenboxen kommen. Die Gruppen müssen alters- und gewichtsmässig möglichst homogen und nicht zu gross (< 15 Tiere) sein.
 

Unterstützende Massnahmen

Für die Bekämpfung der Entzündungsreaktionen sind nicht-steroidale Antiphlogistika indiziert. Diese führen zudem zu einer Besserung des Allgemeinbefindens der Tiere.
 
Glucocorticoide sollten aufgrund der immunsuppressiven Wirkung nicht routinemässig zum Einsatz kommen. Sie sind im Einzelfall aber bei schwer perakut erkrankten Kälbern mit hochgradiger Dyspnoe in hoher Dosierung sinnvoll.
 
Bronchosekretolytika (oral oder parenteral) erhöhen bei einer grossen therapeutischen Breite die Sekretion der peribronchialen Drüsenzellen und des Surfactant; sie führen zudem zu einer Anreicherung der Antibiotika in der Lunge.
 
Die Induktion einer Bronchodilatation durch Applikation von Clenbuterol als β2-Sympathomimetikum ist insbesondere bei Vitalindikationen sehr sinnvoll.
 
Antioxidative Wirkstoffe wie Vitamin E und Selen sind insbesondere bei schwer kranken Tieren indiziert.
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