Verteilung
Nach intravenöser Verabreichung entspricht die Verteilung im Körper einem offnen Zweikompartiment-Modell (
Vaden 2001a;
el-Komy 1995a;
Cabana 1976a;
Short 1987d;
Nightingale 1975a;
Carli 1999a;
Ismail 2005b). Bei der intramuskulären Injektion ist bei einigen Cephalosporinen die Lokalisation der Injektion ausschlaggebend für die Maximalkonzentration im Serum. Bei Cefacetril war die Serumkonzentration 30 min nach der Injektion in die Oberschenkelmuskulatur höher (35,3 μg/ml) als bei derjenigen in die Glutealmuskulatur (25,3 μg/ml) (
Wise 1975a). Die unterschiedliche Durchblutung der verschiedenen Muskeln scheint die Ursache zu sein, wobei dieser Effekt nicht bei allen Wirkstoffen gleichstark auftritt (
Wise 1975a).
Im Plasma werden die Cephalosporine unterschiedlich stark (20 - 85%) an Plasmaproteine, vor allem an Albumin gebunden. Da nur der freie Anteil ins Gewebe diffundieren kann, wirkt der plasmagebundene Anteil als temporäres Reservoir (
Stahlmann 2001a;
Bergan 1987a).
Der Verteilungsraum der Cephalosporine entspricht in etwa dem Extrazellulärraum, da sie infolge ihrer geringen Lipidlöslichkeit bzw. ihrer hohen Polarität, (die das Eindringen durch die Porine der Bakterien erlaubt) praktisch nicht in die Zellen eindringen können (
Stahlmann 2001a;
Bergan 1987a). Cephalosporine verteilen sich rasch in den verschiedenen Geweben und Körperflüssigkeiten, vor allem aber in Knochen (
Breilh 2003a;
Daly 1982a;
Rosenfeld 1981a), Lunge (
Cohen 1984a), sowie in Perikard- und Synovialflüssigkeiten (
Chang 2001b;
Schurman 1978a;
Brown 1986h;
Wise 1983b;
Tartaglione 1989a;
Kroker 2002b). Sehr hohe Spiegel werden im Urin erreicht. In der Gallenblase erreichen einige Wirkstoffe, wie Cefazolin (
Nightingale 1975a), Cefacetril (
Brogard 1978a;
Maurice 1974a), Cefapirin (
Kroker 2002b) Cefotaxim (
Tartaglione 1989a;
Papenburg 1990a), Cefixim (
Molavi 1991a;
Graninger 1983a), Ceftriaxon (
Molavi 1991a) und Cefoperazon (
Shimizu 1980a) therapeutische Konzentrationen, sofern keine Gallengangsobstruktion vorliegt (
Plumb 2002a;
Nightingale 1975a). Einige Cefalosporine wie Cefepim (
Gloor 2003a;
Tumah 2004a), Cefalotin (
Studley 1982a), Cefotaxim (
Trudel 1994a;
Papenburg 1990a) und Cefoperazon (
Spicak 1999a) erreichen auch im Pankreas therapeutische Konzentrationen.
Die Penetrationsfähigkeit der Bluthirnschranke ist abhängig von zwei Faktoren: der Lipophilität und der Plasmaproteinbindung des Wirkstoffes. Die Diffusion in die Cerebrospinalflüssigkeit in Abhängigkeit der Lipophilität entspricht einer parabelförmigen Kurve bei welcher die Diffusion nicht bei maximaler, sondern bei mittlerer Lipophilität am grössten ist (
Radouane 1996a). Die Antibiotikakonzentrationen in der CSF und im Blutplasma verhalten sich in der Regel nicht parallel zueinander (
Andes 1998a).
Die Aufnahme von Cefadroxil in den Plexus choroideus, welcher eine Barriere zwischen Blut und Cerebrospinalflüssigkeit darstellt, und die damit verbundene Elimination aus der Cerebrospinalflüssigkeit erfolgt zu 80 - 85% durch den PEPT2-Transporter, 10 - 15% durch den OAT-Transporter (organischer Anionen-Transporter) und weniger als 5% durch unspezifische Mechanismen. Der PEPT2-Transporter gehört zu den protonengekoppelten Oligopeptidtransportern (POT), welche kleine Peptide, entgegen dem Konzentrationsgradient (uphill), in die Zellen transportieren im Austausch mit Protonen (downhill). Sie sind dabei sehr wenig spezifisch und transportieren die verschiedensten Peptide unter anderem auch Medikamente wie Betalaktamantibiotika. Diese Mechanismen sind vermutlich verantwortlich für die geringen Konzentrationen vieler Cephalosporine wie z.B. Cefadroxil in der Cerebrospinalflüssigkeit. Als gute Substrate für den PEPT2-Transporter gelten vor allem Cephalosporine mit einer alpha-amino Gruppe, wie Cefadroxil, Cefalexin, Cefoxitin und Cefotaxim. Diese Wirkstoffe werden schneller in die Zellen des Plexus choroideus aufgenommen, das heisst schneller aus der CSF eliminiert, wodurch ihre Konzentration und Wirkungszeit in der CSF abnimmt (
Ocheltree 2004a).
Die Cephalosporine der ersten und zweiten Generation erreichen in der Cerebrospinalflüssigkeit keine therapeutischen Konzentrationen, nicht einmal bei Hirnhautentzündungen (
Plumb 2002a). Cephalosporine der 3. und 4. Generation wie Cefotaxim, Ceftriaxon, Cefepim werden hingegen nach parenteraler Applikation in der Cerebrospinalflüssigkeit von Patienten mit Meningitis nachgewiesen und sind deshalb auch für diese Indikation therpeutisch einsetzbar (
Plumb 2002a;
Molavi 1991a;
Tartaglione 1989a;
Tsai 1990a;
Marchou 1981a).
Cefoperazon, ebenfalls ein Cephalosporin der dritten Generation erreicht im Gegensatz dazu in der Cerebrospinalflüssigkeit keine bakteriziden Konzentrationen und ist daher als Therapeutikum bei Meningitis
nicht wirksam (
Tartaglione 1989a;
Neu 1987b;
Cherubin 1989a).
Penetration durch Plazentaschranke und in die Milch
Cephalosporine können die Plazentaschranke überwinden (
Halperin-Walega 1988a;
Plumb 2002a;
Bergan 1987a;
Tartaglione 1989a), was zu einer Anreicherung im fetalen Blut führen kann. Die Konzentration im fetalen Blut kann bis zu 120% derjenigen im maternalen Blut betragen (
Plumb 2002a;
Bergan 1987a;
Tartaglione 1989a).
In geringen Konzentrationen können Cephalosporine in die Milch gelangen (
Plumb 2002a;
Smith 1998d).
Metabolismus
Einige Cephalosporine wie Cefapirin, Cefalotin, Cefacetril und Cefotaxim werden in der Leber und zum Teil auch in anderen Geweben wie Lunge und Nieren durch spezifische Esterasen deazetyliert (
Bergan 1987a;
Shimizu 1975c;
Turnidge 1995a). Das Verhältnis des Metaboliten zur Muttersubstanz im Harn beträgt 3:1 bei Cefacetril, 2:1 bei Cefalotin und 1 - 2:1 bei Cefapirin (
Bergan 1987a). Die resultierenden Metaboliten sind meist noch zu einem geringen Teil antibakteriell wirksam (
Plumb 2002a;
Jones 1984a). Die Wirkung der Metaboliten von Cefapirin und Cefalotin ist dreimal geringer gegenüber grampositiven Kokken und 8- bis 16-mal geringer gegenüber gramnegativen Stäbchen im Vergleich zum ursprünglichen Wirkstoff (
Barza 1977a). Bei Cefotaxim ist die Wirkung des Metaboliten gegenüber Enterobacteriaceae 4- bis 8-mal geringer (
Bergan 1987a). Bei Cefacetril ist die Wirkung im Durchschnitt 2- bis 8-mal geringer (
Aran 1999a). Die deazetylierte Form zeigt jedoch oft eine synergistische Wirkung zusammen mit der Muttersubstanz und scheint somit
in-vivo eine wichtige Funktion zu haben (
Jones 1989a;
Jones 1984a;
Bergan 1987a;
Thomson 2003a). Die Metaboliten erhöhen vermutlich die Stabilität gegenüber degradierender Betalaktamasen, die Gewebepenetration sowie die Halbwertszeit der Muttersubstanz (
Jones 1984a). Cefalotin wies mit seinem Metaboliten bei 5 von 5 E. coli und bei 4 von 5 Klebsiella pneumoniae Stämmen eine synergistische Wirkung auf. Bei Cefapirin waren es 4 von 5 E. coli, 4 von 5 Klebsiella pneumoniae sowie 4 von 5 Staphylococcus aureus Stämme, die eine synergistische Wirkung aufwiesen (
Jones 1984a). Bei Cefotaxim betrug die synergistische Wirkung zwischen Ausgangssubstanz und Metabolit je nach Bakterienart zwischen 41 - 76%. Ausserdem wies Desazetylcefotaxim eine bessere Betalaktamasestabilität auf als Cefotaxim (
Jones 1989a). Die niedrigere Inzidenz von Superinfektionen bei Wirkstoffen, die zu einem grossen Anteil metabolisiert werden, wird ebenfalls der synergistischen Wirkung von Ausgangsstoff und Metaboliten zugeschrieben (
Jones 1989a).
Die Metabolisierung von Ceftiofur ist ziemlich komplex, es wird vor allem in den Nieren und zum Teil in der Leber durch Esterasen schnell hydrolisiert, wobei Desfuorylceftiofur und Fuoresäure als Spaltprodukte entstehen (
Koshy 1997a;
Olson 1998a). Diese Produkte werden jedoch durch Hydrolisierung und Oxidation noch weiter metabolisiert (
Koshy 1997a). Cefepim wird bei Ratten zu etwa 15% metabolisiert, die quaternäre N-Methylpyrrolidin (NMP)-Seitenkette wird abgespalten und in der Leber noch teilweise oxidiert (
Forgue 1987b). Die niedrigere Inzidenz von Superinfektionen bei Wirkstoffen die zu einem grossen Anteil metabolisiert werden wird der synergistischen Wirkung von Ausgangsstoff und Metaboliten zugeschrieben (
Jones 1989a).
Cefazolin (
Graninger 1983a;
EMEA 1996e), Cefoxitin, Cefoperazon, Ceftriaxon (
Graninger 1983a) und Cefotetan (
Plumb 2002a) werden nur geringfügig oder nicht messbar metabolisiert. Für die Metabolisierung der einzelnen Substanzen wird auf den jeweiligen spezifischen Eintrag verwiesen.
Elimination
Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über die Nieren, wobei in unterschiedlichem Anteil glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion bzw. Resorption eine Rolle spielen (
Plumb 2002a;
Bergan 1987a). Die Ausscheidung in den Harn erfolgt teilweise durch organische Anionen Transporter (OAT) in den proximalen Tubuluszellen. Beim Menschen befinden sich OAT1, OAT2 und OAT3 auf der basolateralen Seite, OAT4 hingegen auf der apikalen Seite und bei Ratten befindet sich der OAT2 in der apikalen Seite. Die OAT-Transporter sind also sowohl bei der tubulären Sekretion als auch bei der Reabsorbtion beteiligt. Bei einem
in-vitro-Versuch mit proximalen Tubuluszellen, konnte gezeigt werden, dass Cephalosporine die Aufnahme von organischen Anionen durch OAT2 dosisabhängig hemmen können. Ausserdem konnten bei der Interaktion von OAT2 mit Cephalosporinen keine speziesspezifische Unterschiede zwischen Ratten und Menschen gefunden werden (
Khamdang 2003a).
Bei herabgesetzter Nierenfunktion wird die Eliminationshalbwertszeit der Cephalosporine stark erhöht. Es ist bei solchen Patienten notwendig, entweder das Therapieintervall zu verlängern und/oder zusätzlich die Dosis zu reduzieren (
Andriole 1978a). Die tubuläre Sekretion der Cefalosporine kann durch
Probenecid kompetitiv gehemmt werden (
Bergan 1987a;
Juzwiak 1989a).
Bei einigen Cephalosporinen, wie Cefoperazon, Ceftriaxon und Cefotaxim wird ein Teil des Wirkstoffes über die Gallenwege bzw. die Fäzes eliminiert(
Luscombe 1972a;
van Ogtrop 1991a). Diese Wirkstoffe werden in der Regel aber nicht aus dem Darm absorbiert und treten deshalb auch nicht in den enterohepatischen Kreislauf ein (
Bergan 1987a). Bei Mäusen wurden nach subkutaner Applikation 36,5% Cefoperazon, 11,1% Ceftriaxon und 0,16% Cefepim über den Gastrointestinaltrakt eliminiert (
van Ogtrop 1991a). Bei Menschen liegt der biliär ausgeschiedene Anteil von Cefoperazon und Ceftriaxon bei 30% (
Graninger 1983a) oder nach anderen Quellen für Cefoperazon sogar bei 70% (
Molavi 1991a) und für Ceftriaxon bei 11 - 65% (
van Ogtrop 1991a). Bei Ratten wurden 24 h nach oraler Applikation von 100 mg Cefepim/kg rund 34,1% über den Harn und 21,9% über die Galle ausgeschieden. Hunde, die 40 mg/kg oral erhielten, eliminierten 23,4% im Harn und 0,2% in der Galle (
Sakamoto 1985b). Es gibt also ziemlich grosse tierspezifische und auch individuelle Unterschiede in der Elimination der Cefalosporinen.
Plasmaproteinbindung
Die verschiedenen Cephalosporine binden in unterschiedlichem Masse (20 - 85%) an Plasmaproteine (
Bergan 1987a). Cefazolin, Cefalotin, und Cefoxitin weisen die stärksten, Cephalexin und Cefacetril die schwächste Proteinbindung auf (
Andersson 1978a). Die Plasmaproteinbindung einiger Cephalosporine wie Cefixim (
Klepser 1995a;
Tonelli 1985a;
Bialer 1987b), Cefazolin (
Sams 1985b) und Cefoxitin (
Wagner 1986a) ist bei verschiedenen Tierarten konzentrationsabhängig, was aber im Bereich der therapeutischen Dosierung ohne Relevanz ist (
Klepser 1995a;
Tonelli 1985a;
Bialer 1987b). So beträgt die Plasmaproteinbindung von Cefazolin bei Pferden 8,3% bei einer Cefazolinkonzentration von 10 μg/ml und 4,4% bei 100 μg/ml (
Sams 1985b).
Der freie Anteil im Blut befindet sich im Gleichgewicht mit der Konzentration im Gewebe (
Graninger 1983a;
Bergan 1987a). Der gebundene Anteil hingegen kann den Intravasalraum nicht verlassen und ist antibakteriell nicht wirksam, dafür wirkt er als eine Art temporäres Reservoir und hat einen verlängernden Einfluss auf die Halbwertszeit (
Andersson 1978a;
Graninger 1983a;
Wise 1978a;
Tawara 1992a). Bei systemischen Infektionen ist der therapeutische Effekt von Cephalosporinen abhängig von der MIC und vom freien (d.h. nicht proteingebundenen) Anteil des Antibiotikums. Das heisst, dass die Plasmaproteinbindung bei systemischen Infektionen eine Art hemmenden Einfluss auf die Aktivität der Cephalosporine hat. Die Wirkung der Proteinbindung auf die Antibiotikakonzentration im Gewebe ist abhängig von der Halbwertszeit im Serum. Bei kontinuierlicher Applikation (Dauertropfinfusion) stellt sich zwischen dem freien Cephalosporin im Serum und im Gewebe ein Gleichgewicht ein. Bei subkutaner Applikation ist die Zeit für die Diffusion limitiert, so dass sich kein Gleichgewicht einstellen kann. Der Einfluss der Proteinbindung auf die therapeutische Effizienz ist somit sowohl von der Lokalisation der Infektion, wie auch von der Applikationsart des Cephalosporins abhängig (
Tawara 1992a).
Die Penetration von Cephalosporinen mit hoher Plasmaproteinbindung in die Lunge ist bei entzündetem Lungengewebe grösser, als bei gesundem. Dieser Effekt ist durch die erhöhte Durchblutung und die verstärkte Durchlässigkeit von Gefässen in einem entzündeten Gewebe erklärbar (
Tawara 1992a).
Die Bindung von Cephalosporinen an die Proteine der Bauchhöhlenflüssigkeit ist kleiner als diejenige an die Serumproteine. Bei Cefazolin beträgt die Bindung an Serumproteine 34% an die Proteine der Bauchhöhlenflüssigkeit 22%, bei Cefalotin werden mit 45% und 38% ähnliche Ergebnisse gemessen (
Gerding 1978a)