Antiarrhythmika der Klasse IA
Antiarrhythmika der Klasse IA, zu denen außer Procainamid auch Chinidin und Disopyramid gehören, bewirken eine nichtselektive Blockade aller Ionenkanäle (
Ungemach 1994c), insbesondere verringern sie den Na
+-Einstrom (
Schütz 1998a;
Sponer 1996a;
Adams 1995b;
Ungemach 1994c), den K
+-Ausstrom (
Sponer 1996a;
Ungemach 1994c) und den Ca
2+-Einstrom während der Depolarisationsphase (
Schütz 1998a;
Sponer 1996a;
Adams 1995b;
Ungemach 1994c). Dadurch werden, neben einer Verlangsamung der schnellen Depolarisation, auch die Repolarisation (durch Hemmung des K
+-Ausstroms (
Schütz 1998a;
Sponer 1996a;
Vaughan Williams 1984a)) und die diastolischen Depolarisation abgeflacht (
Sponer 1996a). Dies hat eine Verlängerung des Aktionspotentials (
Berman 1993a;
Sponer 1996a;
Ketelaars 1984a) und der Refraktärzeit (
Vaughan Williams 1992a;
Berman 1993a;
Plumb 1999a;
Schütz 1998a;
Ungemach 1994c;
Adams 1995b;
Adams 1995b;
Iansmith 1981a;
Sponer 1996a) sowohl im atrialen als auch im ventrikulären Myokard (
Strickland 1998a) zur Folge. Die Verlängerung der atrialen Refraktärzeit ist dabei dosisabhängig (
Iansmith 1981a). Die maximale Depolarisations-Frequenz wird reduziert, ohne das Ruhepotential zu verändern (
Vaughan Williams 1984a).
Durch die Verlängerung der Refraktärzeit wird die Gefahr von re-entry's verringert (
Plumb 1999a) und frühzeitige Extrasystolen werden unterdrückt (
Schütz 1998a). Es setzt die myokardiale Erregbarkeit (
Plumb 1999a;
Schütz 1998a;
Ungemach 1994c), die Automatiebereitschaft (
Ungemach 1994c;
Adams 1995b;
Sponer 1996a), sowohl die physiologische als auch die unphysiologische (
Strickland 1998a) und die Überleitungsgeschwindigkeit herab (
Plumb 1999a;
Schütz 1998a;
Ungemach 1994c;
Strickland 1998a). Atrioventrikuläre- und ventrikuläre Überleitungszeit werden verlängert (
Satoh 1981a).
EKG
Im EKG führen Antiarrhythmika der Klasse IA zu einer Verlängerung des PQ- und QT-Intervalls (
Sponer 2002a) und des QRS-Komplexes (
Vaughan Williams 1992a;
Sponer 1996a;
Schütz 1998a;
Sponer 2002a).
Anticholinerge Wirkung
Antiarrhythmika der Klasse IA besitzen eine anticholinerge Wirkung (
Plumb 1999a;
Sponer 1996a;
Pearle 1983a). Durch die Vagusantagonisierung wird die Refraktärzeit am Vorhofmyokard, in dem viele Muskarinrezeptoren vorkommen, verlängert. Diese anticholinergen Wirkungen kompensieren die direkten Effekte auf den AV-Knoten bei gesunden Hunden und kehren sie sogar um, sodass die Überleitung im AV-Knoten beschleunigt wird (
Adams 1995b;
Tilley 1997a). Da gleichzeitig die Sinusfrequenz erhöht und die AV-Überleitung verkürzt wird (Verminderung der Siebwirkung des AV-Knotens), besteht bei Vorhofflimmern die Gefahr, dass mehr Erregungen auf das Kammermyokard übergeleitet werden. Dies wird auch als paradoxe Chinidinwirkung bezeichnet (
Schütz 1998a).
Bei Kammerflimmern sollte deswegen vor Gabe von Antiarrhythmika der Klasse IA die AV-Überleitung durch Digoxin, Verapamil oder einen Beta-Blocker verlängert werden (
Schütz 1998a). Durch die Vorbehandlung mit Digitalisglykosiden kann die gefährliche Beschleunigung der Ventrikelfrequenz der Antiarrhythmika der Klasse IA verhindert werden (
Adams 1995b).
Negative Inotropie
Die Antiarrhythmika der Klasse IA besitzen eine negativ inotrope Wirkung (
Schlieper 1987a;
Schütz 1998a;
Windholz 1983a;
Plumb 1999a), da wegen der Verminderung der intrazellulären Na
+-Konzentration der Na
+-Ca
2+-Austausch verstärkt wird und somit die intrazelluläre Ca
2+-Konzentration abnimmt (
Schütz 1998a). Die Antiarrhythmika der Klasse IA beeinflussen die nichtspezifische Ca
2+-Aufnahme nicht (
Eyolfson 1989a). Trotz der negativ inotropen Wirkung auf das Herz ist das Herzminutenvolumen in der Regel nicht verändert (
Plumb 1999a).
Wirkungen auf die Niere
Aufgrund einer reduzierten renalen Durchblutung und einer verringerten glomerulären Filtrationsrate wird die Nierenfunktion durch Antiarrhythmika der Klasse IA eingeschränkt (
Tilley 1997a).
Procainamid
Freies Procainamid bindet direkt an die Zellmembranen (
Tilley 1997a). Es verlangsamt die Überleitung in Vorhöfen und Kammern (
Landmark 1981a;
Satoh 1981a;
Plumb 1999a;
Strickland 1998a) und verringert die Erregbarkeit und sowohl die physiologische als auch die unphysiologische (
Strickland 1998a) Automatiebereitschaft (
Strickland 1998a;
Plumb 1999a).
Procainamid beeinflusst die Herzaktion ähnlich wie Chinidin (
Plumb 1999a). Es ist jedoch bei der Behandlung ventrikulärer Arrhythmien wirksamer als bei atrialen Rhythmusstörungen (
Adams 1995b). Die Wirkung von Procainamid auf die Herzfrequenz ist nicht voraussagbar, meistens ist jedoch keine oder lediglich eine geringe Änderung der Frequenz zu beobachten (
Plumb 1999a;
Varia 1984a).
Die anticholinerge und auch die alpha-adrenolytische Wirkungen von Procainamid sind geringer als die von Chinidin (
Sponer 1996a).
N-Acetylprocainamid
N-Acetylprocainamid, ein Metabolit von Procainamid, besitzt Wirkungen der Antiarrhythmika der
Klasse III (Hemmung des K
+-Ausstroms, Verlängerung der Repolarisation (
Sponer 1996a)) (
Schütz 1998a) und vasodilatatorische, negativ chronotrope und positiv inotrope Wirkungen (
Lertora 1980a).