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Maleinsäure

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Maleinsäure ist der Trivialname für cis-Butendisäure, auch cis-Ethylendicarbonsäure oder Toxilsäure genannt. Es handelt sich um eine Dicarbonsäure. Ihre Salze heissen Male(in)ate. Diese bilden bei Raumtemperatur farblose Kristalle, die nur schwach riechen, haut- und schleimhautreizend sind und sich gut in Wasser lösen.
 

2. Quellen

Maleinsäure wird als Inhaltsstoff von Entkalkungsmitteln auf der Basis von Amidosulfonsäure oder Zitronensäure eingesetzt, des Weiteren zur Herstellung von Polymeren, Kunstharzen, zur Veredelung und beim Färben von Baumwolle. In der Medizin werden Maleat-Salze in Form von Chlorphenaminmaleat und Brompheniraminmaleat als Antiallergika verwendet. In der wissenschaftlichen Chemie wird Maleinsäure häufig als Agens für die Diels-Alder-Reaktion benutzt.
 

3. Toxisches Prinzip

Maleinsäure bewirkt eine mit einem ATP (Adenosintriphosphat)-Defizit einhergehende, defizitäre tubuläre Reabsorption, ähnlich dem Fanconi-Syndrom, und eine verminderte glomeruläre Filtration (GFR) (Arend et al., 1986). Maleinsäure schädigt die proximalen Nierentubuluszellen indem sie ATPase-Aktivitäten reduziert. Zudem verändert sie das Phosphorylierungspotential der Zellen, was zu einem veränderten ATP/ADP-Pi Verhältnis führt. Die verminderte Na-K-ATPase-Aktivität hemmt den Natrium-abhängigen Transport. Die H-ATPase-Hemmung dürfte für den grossen Bikarbonatverlust, der in einer metabolischen Azidose resultiert, verantwortlich sein. Das Ausmass der Veränderungen ist dosisabhängig, sehr hohen Dosen bewirken strukturelle Veränderung der Mitochondrien (Eiam-ong et al., 1995; Mujais, 1993). Die Aminoazidurie sowie die Glukosurie sind primär dem erhöhten Efflux aus den proximalen Tubuluszellen in den Urin zuzuschreiben (Rosenberg & Segal, 1963; Silvermann & Huang, 1976). Obwohl die Maleinsäure die glomeruläre Filtrationsrate sowie die tubuläre Kapazität senkt, steigen unter Wasserdiurese der Urinfluss und die Clearance-Parameter CCl und CH2O. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn zusätzlich Glucose i.v. verabreicht wird. Weibliche Hunde sind, bedingt durch eine grössere Aufnahme der Maleinsäure, empfindlicher als männliche (Al-Bander et al., 1982; Al-Bander et al., 1985; Berliner et al., 1950; Eiam-ong et al., 1995; Everett et al., 1993; Mujais, 1993).
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchen
cis-Butendisäure2400708 2
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

1. Toxizität

Hunde reagieren sensitiver auf Maleinsäure als Ratten, Mäuse und Affen. Toxische Dosis Hund p.o.: 9 mg Maleinsäure/kg Körpergewicht, 40 mg Pravadolin-Maleat/kg Körpergewicht (Everett et al., 1993).
 

2. Latenz

-Hunde: Vomitus und Polydipsie innert 10 Stunden nach Einnahme, später Apathie, Inappetenz und verspanntes Abdomen (Schweighauser et al., 2015). Anstieg der Nierenparameter im Serum 24 Stunden nach oraler Maleinsäuregabe (Everett et al., 1993). Innerhalb von 10 Minuten nach intravenöser Verabreichung Anstieg des Urin-pH, mit einem Maximum von 7.61 ± 0.06 nach 90 Minuten (Al-Bander et al., 1982; Al-Bander et al., 1985). Glukosurie 25-30 Minuten nach intravenöser Maleinsäuregabe (Silverman & Huang, 1976). Innerhalb von 30 Minuten nach intravenöser Verabreichung erhöhte Ausscheidung von Bicarbonat, Natrium, Kalium, Phosphor, Ammonium und Aminosäuren im Urin, mit einem Maximum nach 100-120 Minuten, bestehend für 60 Minuten (Al-Bander et al., 1982; Al-Bander et al., 1985).
-Ratten: innerhalb 2 Stunden nach intravenöser Verabreichung deutlich erhöhte Diurese sowie deutlich erhöhte Ausscheidung von Glukose und α-Aminostickstoff im Urin, während 72 Stunden, mit einem Maximum in den ersten 12 Stunden nach Verabreichung (Rosenberg & Segal, 1963).
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Polydipsie; Apathie, Lethargie, Seitenlage; Hypothermie
  
3.2Nervensystem
Keine Symptome
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Vomitus
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Abdominalschmerzen
  
3.5Respirationstrakt
Keine Symptome
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Polyurie, später Oligurie und Anurie
  
3.10Haut, Schleimhäute
Blass, klebrig
  
3.11Blut, Blutbildung
Azotämie
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Akute multifokale und schwere Nerkrose der proximalen Nierentubuli, intakte Basalmembran, multifokale tubuläre Regeneration (Everett et al., 1993; Schweighauser et al., 2015).
 

5. Weiterführende Untersuchungen

5.1Veränderte Laborwerte
-Blutchemie: erhöhte Harnstoff- und Kreatininwerte, Hyperphosphatämie und Hypokalzämie.
-Urin: erhöhte Ausscheidung vom Natrium, Phosphor, Bicarbonat, Glukose und Aminosäuren bzw. Protein.
 

6. Differentialdiagnosen

-Andere Vergiftung, z.B. mit Trauben/Trester/Rosinen, Ethylenglykol
-Nephropathie
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Flüssigkeitstherapie (je nach Dehydratation)
-Kontraindiziert: Glukose-Infusion
-Natriumbicarbonat-Gabe bei Azidose
-Kreislauf stabilisieren
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination und Elimination
-Bei zunehmender Verschlechterung trotz Flüssigkeitstherapie: Hämodialyse empfohlen.
 
7.3Forcierte renale Elimination
-Mittels Diurese
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Antiemetika (Metoclopramid oder Domperidon)
 

9. Literaturverzeichnis

Al-Bander HA, Weiss RA, Humphreys MH & Morris RC Jr. (1982) Dysfunction of the proximal tubule underlies maleic acid-induced type II renal tubular acidosis. Am J Physiol. 243(6), F604-F611
 
Al-Bander H, Etheredge SB, Paukert T, Humphreys MH & Morris RC Jr. (1985) Phosphate loading attenuates renal tubular dysfunction induced by maleic acid in the dog. Am J Physiol. 248, F513-F521
 
Arend LJ, Thompson CI, Brandt MA & Spielman WS (1986) Elevation of intrarenal adenosine by maleic acid decreases GFR and renin release. Kidney Int. 30(5), 656-661
 
Berliner RW, Kennedy TJ & Hilton JG (1950) Effect of maleic acid on renal function. Proc Soc Exp Biol Med. 75(3), 791-794
 
Eiam-ong S, Spohn M, Kurtzman NA & Sabatini S (1995) Insights into the biochemical mechanism of maleic acid-induced Fanconi syndrome. Kidney Int. 48(5), 1542-1548
 
Everett RM, Descotes G, Rollin M, Greener Y, Bradford JC, Benziger DP & Ward SJ (1993) Nephrotoxicity of pravadoline maleate (WIN 48098-6) in dogs: evidence of maleic acid induced acute tubular necrosis. Fundam Appl Toxicol. 21, 59-65
 
Mujais SK (1993) Maleic acid-induced proximal tubulopathy: Na:K pump inhibition. J Am Soc Nephrol. 4(2), 142-147
 
Rosenberg LE & Segal S (1964) Maleic acid-induced inhibition of amino acid transport in rat kidney. Biochem J. 92(2), 345-352
 
Schweighauser A, Francey T, Gurtner C, Kupferschmidt H & Rauber-Lüthy C (2015) Acute kidney injury in three dogs after ingestion of a descaling agent containing maleic acid. Vet Rec Case Rep 3(1), 1-5
 
Silverman M & Huang L (1976) Mechanism of maleic acid-induced glucosuria in dog kidney. Am J Physiol. 231(4), 1024-1032
 
Verani RR, Brewer ED, Ince A, Gibson J & Bulger RE (1982) Proximal tubular necrosis associated with maleic acid administration to the rat. Lab Invest. 46(1), 79-88
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