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Zutreffende Spezies (Botanik)

Cyanobacteria Stanier - sehr stark giftig
 

Toxizitätsgrad

Sehr stark giftig +++ (Erläuterungen)
 

Hauptwirkstoffe

Neurotoxische Alkaloidtoxine: Anatoxin A, Anatoxin-A(S) und Aphantoxin (= Saxitoxin und Neosaxitoxin der Dinoflagellaten).
Hepatotoxische Peptidtoxine: Microcystin (zyklisches Oligopeptid aus 7 Aminosäuren, ursprünglich aus Cyanobakterien der Gattung Microcystis isoliert) und Nodularin (zyklisches Oligopeptid aus 5 Aminosäuren, ursprünglich aus Cyanobakterien der Gattung Nodularia isoliert) sind wegen der ringförmigen Grundstruktur äusserst stabil und können mit herkömmlichen Methoden der Trinkwasseraufbereitung (Sandfiltration, Ausflocken, Chlorierung) nicht vollständig inaktiviert werden. Sie werden erst bei Temperaturen über 200°C oder durch Oxidation mit Ozon (1.5 mg/l Wasser) zerstört und können nur durch Bindung an Aktivkohle vollständig entfernt werden.
 

 

Wirkungsmechanismen

Neurotoxine
-Anatoxin-a ist ein potenter cholinerger Agonist mit hoher Selektivität für die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren. Durch Bindung an die Acetylcholinrezeptoren der neuromuskulären Endplatten führt Anatoxin-a zuerst zu fibrillären Zuckungen, manchmal zu Krämpfen und dann, wegen der anhaltenden Membrandepolarisation, zu Muskelrelexation, Paralyse und Tod durch Atemlähmung (beschrieben bei Rindern, Pferden, Schafen und Hunden).
-Anatoxin-a(s) ist ein Organophosphat und hat ebenfalls eine potente cholinergische Wirkung, indem es das Enzym Acetylcholinesterase irreversibel hemmt. Dadurch kommt es zu einer Stimulation des Parasympathicus, was sich unter anderem in einer erhöhter Salivation äussert, und zu einer Depolarisation der neuromuskulären Endplatten. Der Tod tritt durch Atemlähmung ein.
-Aphantoxine entsprechen den schon früher von marinen Dinoflagellaten isolierten Saxitoxin und Neosaxitoxin. Diese reichern sich in der Nahrungskette (z.B. in Muscheln ) an und sind verantwortlich für das sogenannte "paralytic shellfish poisoning", einer gefürchteten Lebensmittelvergiftung beim Menschen. Die Saxitoxine unterbrechen die Erregungsleitung entlang den Neuronen durch Blockierung von Na+-Kanälen und können über diesen Mechanismus ebenfalls zum Tod durch Atemlähmung führen.
 
Hepatotoxine
Eine chronische, subletale Exposition von Microcystin und Nodularin kann die Bildung von Tumoren fördern. Die perorale Verabreichung von Mycrocystin an Fische löst die Grundstruktur deren Lebern bereits nach 3 Stunden völlig auf, da die Intermediärfilamente und Mikrofilamente im Lebergewebe vollständig kollabieren. Microcystin und Nodularin führen auf dieselbe Weise bei Säugern zu einer akuten, hämorrhagischen Lebernekrose und damit zum Tod. Microcystin und Nodularin sind potente Inhibitoren der Proteinphosphatasen 1 und 2A. Diese sind Enzyme, die die Abspaltung kovalent gebundener Phosphatreste von Proteinen katalysieren. Microcystin und Nodularin hemmen diese Phosphatasereaktionen bereits in geringen Konzentrationen, indem das aktive Zentrum des Enzyms besetz wird. Zusätzlich entsteht eine kovalente Bindung zwischen N-Methyl-dehydroalaninrest des Microcystins und einem Cysteinrest des Proteins, womit das Toxin doppelt verankert wird. Diese selektive und irreversible Wechselwirkung führt zu einer Hyperphosphatylierung und somit zum Untergang der Intermediärfilamente und Mikrofilamente der Leber; zugleich lassen sich die Hepatoxine durch diese irreversible Wechselwirkung auch nachweisen.
 
Veterinärtoxikologie

Letale Dosis

LD50 Maus (i.p.):10-500 µg Blaualgen-Toxine/kg Körpergewicht.
 

Klinische Symptome

Vergiftung durch blaualgenhaltiges Wasser:
-Enten, Schweine: nach 1-2 Stunden Krämpfe, Dyspnoe, Leberschäden; Tod infolge hämorrhagischen Schocks durch Microcystin und Nodularin.
-Rinder: Krämpfe, Kolik, Tremor, Ataxie, Unruhe, Brüllen, Zähneknirschen, Schaum vor dem Maul, Somnolenz, Festliegen in Seitenlage und Ruderbewegungen. Verlauf perakut oder akut, Tod innert weniger Minuten bis höchstens einige Stunden, evt. Auffinden der Tiere mit unter dem Leib zusammengeknickten Beinen.
-Hunde: Vomitus, Muskelspasmen, zentrale Krampfanfälle, Kollaps (Faassen et al., 2012); Salivation, Vomitus, Diarrhoe, zentrale Krampfanfälle, starke Dyspnoe, Seitenlage, Hyperthermie (Chatziefthimiou et al, 2014).
 

Diagnose

-"Wasserblüten" (siehe Beschreibung und Bilder) im Gewässer.
-Nachweis von Toxinen in Algen- und Wasserproben.
-Nachweis von Toxinen im Mageninhalt.
 

Therapie

Symptomatische Therapie:
-Falls möglich wiederholte Verabreichung von Aktivkohle.
-Bei cholinergen Symptomen Atropinsulfat nach Wirkung:
-Hund/Katze: mehrmals bis 0.2 mg/kg. Ein Viertel der Dosis i.v., den Rest i.m. oder s.c. Salivation und Feuchtigkeit der Schleimhäute kontrollieren, die Atemgeräusche sollten unter der Therapie zurückgehen. Leichtes Überatropinisieren ist indiziert, bis zum Beginn einer leichten Tachykardie; Atropinverabreichung abbrechen, sobald Hyperthermie und Motilitätsstörungen des Magen-Darm-Traktes auftreten. Die Wirkungsdauer von Atropin beträgt 6-8 Stunden, dann in abnehmender Menge nachdosieren.
-Wiederkäuer: Verabreichung von Atropinsulfat bis zum Verschwinden der muskarinischen Symptome (Salivation, Dyspnoe, Atemgeräusche, Bradykardie, Miosis); Richtdosis: 0.5 mg/kg Atropinsulfat; 1/3 der Dosis soll langsam i.v., der Rest i.m. oder s.c. appliziert werden, nach Bedarf Wiederholung in kleinerer Dosis alle 2 Stunden.
-Pferd: Verabreichung von Atropinsulfat bis zum Verschwinden der muskarinischen Symptome (Salivation, Dyspnoe, Atemgeräusche, Bradykardie, Miosis); Richtdosis: 0.2-1.0 mg/kg Atropinsulfat; 1/3 der Dosis soll langsam i.v., den Rest i.m. oder s.c. appliziert werden, Wiederholung alle 2 Stunden nach Bedarf.
-Schwein: 0.5 mg Atropinsulfat pro kg Körpergewicht i.m. Ein Viertel dieser Dosis kann auch als Initialdosis intravenös verabreicht werden. Bei Bedarf kann nach einigen Stunden nochmals 0.25 mg Atropinsulfat pro kg Körpergewicht nachgespritzt werden. Einige Minuten nach der Injektion sollte eine Besserung eintreten, allerdings werden Muskeltremor und Zittern nicht unterdrückt).
Prophylaxe: kein Weidegang bzw. Tränken an Gewässern mit Wasserblüten; Hunde nicht in trübem Wasser spielen oder trinken lassen.
 
Veterinärpathologie

Sektionsbefunde

Rinder

Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich

Innert 22 Jahren 82 plötzliche Todesfälle von Bünder Rindern, untersucht am Institut für Veterinärpathologie der Universität Zürich.
Makroskopische Befunde: Petechien und Ekchymosen in Epi-/Endokard, Subkutis, Lunge und diversen anderen Organen, rötlicher Bauchhöhlenerguss (wenige Deziliter bis mehrere Liter); Gekröse und Gallenblasenwand in der Regel ödematös; Leber meistens vergrössert und vermehrt bluthaltig, mit homogen dunkelbraun bis bläulich verfärbtem Parenchym.
-Histopathologische Befunde: in allen Fällen hämorrhagische Lebernekrose mit Dissoziation der Parenchymzellen.
 
Hund
-Mageninhalt: neben teilweise verdautem Futter dunkelgrünes und schwarzes, blattähnliches Material, wenig Sand und schwarze Körnchen.
-Lungenödem, Hyperämie der Nieren, kleine Hämorrhagien in Lungen und Herz. Leber, Nebennieren und Gehirn ohne Befund.
-Nachweis von Anatoxin-a und des Metaboliten Dihydroanatoxin-a im Mageninhalt.
(Faassen et al, 2012).
 
Humantoxikologie

Toxische Dosis

Unbekannt
 

Klinische Symptome

Neuropathie, Hepatopathie.
 

Therapie

Ärzteinformation: Symptomatische Therapie.
 
Literatur
-Baker P.D. & Humpage A.R. (1994) Toxicity associated with commonly occurring cyanobacteria in surface waters of the Murray-Darling Basin, Australia. Aust J Mar. Freshwater Res. 45, 774-787
-Chatziefthimiou A.D., Richer R., Rowles H., Powell J.T. & Metcalf JS. (2014) Cyanotoxins as a potential cause of dog poisonings in desert environments. Vet Rec. 174(19), 484-485
-Done S.H. & Bain M. (1993) Hepatic necrosis in sheep associated with ingestion of blue-green algae. Vet Rec. 133, 600
-Faassen E.J., Harkema L., Begeman L. & Lurling M. (2012) First report of (homo)anatoxin-a and dog neurotoxicosis after ingestion of benthic cyanobacteria in The Netherlands. Toxicon 60(3), 378-384
-Fitzgerald S.D. & Poppenga R.H. (1993) Toxicosis due to microcystin in three Holstein heifers. J Vet Diagn Invest. 5, 651-653
-Galey F.D., Beasley V.R., Carmichael W.W., Kleppe G., Hooser S.B. & Haschek W.M (1987) Blue-green algae (Microcystis aeruginosa) hepatotoxicosis in dairy cows. Am J Vet Res. 48, 1415-1420
-Kerr L.A., McCoy C.P. & Eaves D. (1987) Blue-green algae toxicosis in five dairy cows. J Am Vet Med Assoc. 191, 829-830
-Naegeli H., Sahin A., Braun U., Hauser B., Mez K., Hanselmann K., Preisig H.-R., Bivetti A. & Eitel J. (1997) Plötzliche Todesfälle von Alprindern im Kanton Graubünden. Schweiz Arch Tierheilkd. 139, 201-209
-PubChem (2016) pubchem.ncbi.nlm.nih.gov
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