I. Allgemeine Toxikologie1. Chemisch-physikalische EigenschaftenQuecksilber ist ein silberweisses, bei Raumtemperatur flüssiges Schwermetall. Quecksilber findet sich auch in vielen anorganischen und organischen Verbindungen. Quecksilber(I)chlorid (Kalomel) ist zum Beispiel ein weisses bis gelblichweisses, geruch- und geschmackloses, in Wasser schwerlösliches Pulver. Quecksilber(II)chlorid (Sublimat) bildet farblose, wasserlösliche und sublimierbare Kristalle. Amalgam ist eine Legierung, die etwa zu 50% aus Quecksilber besteht.2. QuellenDie Hauptvergiftungsursache mit quecksilberhaltigen Substanzen liegt in der Veterinärmedizin in der unbedachten Verfütterung von Getreide oder Getreideerzeugnisssen, die mit quecksilberhaltigen Saatbeizmitteln behandelt worden sind. Dieselbe Problematik hat in der Vergangenheit ebenfalls zu Vergiftungen beim Menschen, dies vor allem in Entwicklungsländern, wie Ghana, Guatemala, Irak oder Pakistan geführt.Als Saatbeizmittel werden hauptsächlich organische Quecksilberverbindungen wie Methyl-, Dimethyl-, Ethyl- oder Phenylquecksilber verwendet. Auch der Einsatz von quecksilberhaltigen Desinfektionsmitteln kann zu Vergiftungen führen. Es handelt sich hierbei vor allem um folgende Substanzen: Quecksilber(II)chlorid (Sublimat), Quecksilber(II)oxidcyanid, Phenylquecksilberacetat, -borat oder -nitrat. Merfen besteht aus Phenylquecksilberborat. Quecksilberverbindungen sind auch als Konservierungsmittel in pharmazeutischen Präparaten und Impfstoffen enthalten (zum Beispiel Thiomersal). Viele Quecksilberverbindungen wurden in früheren Zeiten für therapeutische Zwecke eingesetzt. Beispiele: Amidoquecksilber(II)chlorid (scharfe Einreibungen), Chlormerodrin (Diuretikum), Kalomel (Laxans und Diuretikum), Mersalyl (Diuretikum), Quecksilber(II)iodid (Rote Blister), Quecksilber(II)oxid (gelbe oder rote Augensalbe), Quecksilber(II)sulfid (rote Hautsalbe), anorganische Quecksilbersalze (gegen die Varroatose der Bienen). Als weitere Vergiftungsquellen kommen in Frage: Quecksilberhaltige Farben, vor allem Quecksilber(II)sulfid, Thermometer, Barometer oder Batterien (eine Knopfbatterie enthält 1-5 g Quecksilber), aber auch Futtermittel, bei deren Herstellung quecksilberverseuchte Meeresfische (zum Beispiel Thunfisch) verwendet wurden. 3. KinetikDie Resorptionsquote und der damit in Verbindung stehende Grad der Toxizität, ist bei den einzelnen Quecksilberverbindungen stark unterschiedlich. Metallisches Quecksilber ist bei oraler Aufnahme und bei Hautkontakt praktisch ungiftig, da die Resorption dieser Substanzen sehr gering ist.Organische Quecksilberverbindungen zeichnen sich infolge ihrer Lipidlöslichkeit durch eine allgemein gute Resorbierbarkeit und Gewebsverteilung aus, einschliesslich bei Hautkontakt. Die orale Bioverfügbarkeit von Organoquecksilberverbindungen liegt bei 50-100%. Die Resorption der anorganischen Quecksilberverbindungen hängt von deren Wasserlöslichkeit ab und ist unterschiedlich, so wird zum Beispiel Quecksilber(II)chlorid (Sublimat) wesentlich besser über den Magen-Darm-Trakt resorbiert als Quecksilber(I)chlorid (Kalomel). Die orale Bioverfügbarkeit von anorganischen Quecksilberverbindungen liegt bei 2-15%. Quecksilber besitzt einen hohen Dampfdruck: Quecksilberdampf wird über die Atemwege aufgenommen und kann somit zu Vergiftungen führen. Auch feinstverteilte Quecksilberpartikel (wie sie zum Beispiel in Salben vorkommen) können über Haut oder Schleimhäute resorbiert werden. Die dermale Resorption von topischen Quecksilberpräparaten (Salben, Blistern) wird durch die gleichzeitige Applikation von DMSO (Dimethylsulfoxid) gesteigert. Das resorbierte Quecksilber wird hauptsächlich in Nieren und Leber an Metallothionin gebunden oder in organischer Form (Methylquecksilber) gespeichert. Die Ausscheidung des Metalls erfolgt nur langsam über Harn und Kot. Seine biologische Halbwertszeit beträgt 15 Tage bis mehrere Monate. 4. Toxisches PrinzipDie toxische Wirkung von Quecksilber beruht auf der Reaktivität der Substanz gegenüber freien Sulfhydrylgruppen in Proteinen. Die klinischen Symptome sind dementsprechend äusserst vielfältig, da schwefelhaltige Enzyme fast ubiquitär im Körper vorkommen.Vergiftungen durch organisches Quecksilber manifestieren sich in Form von zentralnervösen Störungen wie Ataxie, Hyperästhesie, Tremor, Krämpfen und Paralysen. Anorganische Quecksilbersalze sind zum Teil stark korrosiv und erzeugen Hautirritationen, Verätzungen der Mundhöhle, des Rachens und des Magen-Darm-Traktes, sowie Nekrosen der renalen Tubuluszellen (Nierenversagen). Mit abnehmender Dosis der Quecksilbersalze treten Reaktionen des Gastrointestinaltraktes und der Nieren in den Hintergrund und werden wiederum von einer zunehmenden ZNS-Symptomatik überlagert. Möglich sind auch allergische, oder sogar anaphylaktische Reaktionen, zum Beispiel nach Verabreichung von pharmazeutischen Präparaten, die Quecksilberverbindungen als Konservierungsmittel enthalten. 5. Toxizität bei LabortierenAkute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):
6. UmwelttoxikologieBekannt geworden ist die Verseuchung einer japanischen Meeresbucht (Minamata) durch quecksilberhaltige Industrieemissionen. In der Nachkriegszeit kam es dort zu Massenvergiftungen in der Bevölkerung wegen der Einleitung metallischen Quecksilbers in die Gewässer ("Minamata-Krankheit"). Dabei wurde das Quecksilber zuerst durch Mikroorganismen methyliert, in dieser organischen Bindung wurde es dann von Schalen- und Krustentieren, sowie Fischen aufgenommen und in deren Organismen angereichert. Da die einheimische Bevölkerung sich vorwiegend vom Fischfang ernährte, führte die Kumulation von organischem Methylquecksilber in der marinen Nahrungskette zu Hunderten von Todesfällen, und die Überlebenden litten unter schweren neurologischen Folgeschäden.II. Spezielle Toxikologie - Schwein1.ToxizitätQuecksilber ist kumulativ und die Toxizität hängt von Form, Dosis und Aufnahmedauer ab.
Methoxyethylquecksilbersilikat und Ethylquecksilberchlorid: Orale toxische Dosen: 0.19 bis 0.76 mg pro kg Körpergewicht und Tag nach 60 bis 90 Tagen. Methylquecksilberdicyanamid: Die orale toxische Dosis ist bei der Langzeitverabreichung im Bereich der Werte von Methoxyethylquecksilber. Bei oraler Aufnahme ab 2.5 mg pro kg Körpergewicht und Tag treten Krankheitserscheinungen auf, 20 mg pro kg Körpergewicht und Tag führen nach einer Latenzzeit von drei Wochen zum Tod.
2. LatenzJe nach Dosis wenige Stunden bis mehrere Wochen oder Monate.3. Symptome
4. Sektionsbefunde
5. Weiterführende Untersuchungen
6. DifferentialdiagnosenTreten vorwiegend Hautveränderungen auf, ist auch an Hautrotlauf zu denken.Bei petechialen Blutungen in der Harnblasenschleimhaut muss Schweinepest ausgeschlossen werden können.
7. TherapieFalls mit den therapeutischen Masnahmen erst nach dem Einsetzen der neurologischen Symptome begonnen wird, ist die Prognose sehr vorsichtig zu stellen.
8. FallbeispielAuf einem Mastbetrieb starben innerhalb von fünf Tagen 25 von 125 Schweine. Die Symptomatik umfasste bei leichtgradigen Fällen verminderte Futteraufnahme bis hochgradiger Durchfall mit vollständiger Inappetenz, Ataxie und stolpernder Gang. Todesfälle traten meist wenige Stunden nach Einsetzen der Symptome auf. Bei der darauffolgenden Notschlachtung der übrigen Tiere wurden bei der Untersuchung der inneren Organe bei einigen Tiere eine Nephritis und Veränderungen der Schleimhäute des Magendarmtraktes gefunden, die auf eine Verätzung zurückzuführen waren. Der wegen der Nierenveränderungen geäusserte Verdacht auf Quecksilbervergiftung, konnte chemisch erhärtet werden. Als Giftquelle konnte das Getreide eruiert werden, da fälschlicherweise als Saatgut präpariertes, gebeiztes Getreide anstatt unbehandeltes Futtergetreide ausgeliefert worden war (Loosmore et al., 1967).9. LiteraturverzeichnisAiello S (ed.) (1998) The Merck Veterinary Manual. Merck, Whitehouse Station NJ, 2073-2074Carson TL (1986) Toxic chemicals, plants, metals, and mycotoxins. In: Diseases of Swine-6th Edition (AD Leman, B Straw B, Glock RD, Mengeling WL, Penny RHC & Scholl E ed.), Iowa State University Press, Ames 688-701 Haselein I, Graubmann HD & Schulz W (1972) Quecksilbervergiftungen und Rückstandsbildungen in Lebensmitteln bei Verfütterung gebeizten Saatgutes an Schweine. Mh Vet-Med 28, 54-56 Loosemore RM, Harding JDJ & Lewis G (1967) Mercury poisoning in pigs. Vet Rec 93, 268-269 Piper RC, Miller VL & Dickinson EO (1971) Toxicity and distribiution of mercury in pigs with acute mercurialism. Am J Vet Res 32, 263-273 Schmid A (1977) Anorganische Umweltgifte. Tzt Prax 5, 287-302 Tryphonas L & Nielsen NO (1973) Pathology of chronic alkylmercurial poisoning in swine. Am J Vet Res 34, 379-392 Wendt M & Bickhardt K (1997) Erkrankungen und Störungen des Zentralnervensystems. In: Lehrbuch der Schweinekrankheiten (H Plonait & K Bickhardt Hrsg.), Parey Berlin, pp 232-233 Zepezauer V, Schacht KH, Bocklisch H (1985) Beitrag zur Pathomorphologie der Quecksilbervergiftung beim Schwein. Mh Vet-Med 40, 587-589
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