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Ionophore

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-pysikalische Eigenschaften

Ionophore sind carboxylische Polyether, die durch Fermentation von verschiedenen Arten der Gattung Streptomyces gewonnen werden.
 

2. Quellen

Ionophore sind als Leistungsförderer in Form von Futterzusatzstoffen zugelassen, sie können aber auch therapeutisch gegen Kokzidien und Kryptosporidien eingesetzt werden. Folgende Wirkstoffe befinden sich auf dem Markt: Laidlomycin, Lasalocid, Maduramicin, Monensin, Narasin, Salinomycin und Semduramicin.
 

3. Kinetik

Lasalocid wird nach oraler Aufnahme nur geringfügig resorbiert. Monensin wird zum Teil enteral resorbiert (orale Bioverfügbarkeit um 40%) und es entstehen zahlreiche Metaboliten, die hauptsächlich über die Galle eliminiert werden. Salinomycin wird schon im Darm-Trakt inaktiviert und 90% der Dosis werden über den Kot ausgeschieden. Narasin wird kaum enteral resorbiert.
 

4. Toxisches Prinzip

Ionophore bilden mit Kationen wie Natrium, Kalium oder Calcium fettlösliche Komplexe, die Zellmembranen im Austausch gegen H+ durchdringen können. Damit brechen die normalen Ionengradienten zusammen. Über eine Steigerung des intrazellulären Kationengehaltes tritt vermehrt Wasser in die Zellen hinein und die hiermit verbundene Druckerhöhung führt zur Zerstörung von zellulären Strukturen. Über eine Stimulation der ATP-abhängigen Na+/K+-Pumpen kommt es gleichzeitig zur Energieverarmung. Betroffen sind vor allem die mitochondrialen Membranen in Herzmuskel, Zwerchfell, Skelettmuskulatur und Nieren.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Lasalocid146122 71.5
Monensin43.8  200-284
Salinomycin50  44.3
 

II. Spezielle Toxikologie - Schwein

1. Toxizität

1.1Salinomycin
Therapeutische Dosierung im Futter: 30-60 ppm für Tiere, die jünger als vier Monate sind, 15-30 ppm für Tiere die vier bis sechs Monate alt sind.
Orale TD: 8 mg/kg Körpergewicht.
  
1.2Monensin
Orale TD: 5 mg/kg Körpergewicht.
  
1.3Maduramycin
Orale TD: >5 ppm.
  
1.4Gleichzeitige Verabreichung mit Tiamulin
Bei gleichzeitiger Verabreichung von Salinomycin oder Monensin und Tiamulin treten bei Dosierungen im therapeutischen Bereich Vergiftungen auf. Um solche Fälle auszuschliessen, sollte nach einer Behandlung mit Salinomycin eine Wartefrist von mindestens 72 Stunden eingelegt werden, bevor Tiamulin eingesetzt wird. Nach einer Behandlung mit Tiamulin sollte sogar mindestens 96 Stunden Wartefrist eingelegt werden, bevor Salinomycin eingesetzt wird.
  
1.5Empfindlichkeit
Altersunabhängig. Einsatz meist nur bei Mastjagern.
 

2. Latenz

Sehr stark dosisabhängig: weniger als eine Stunde bis mehrere Tage.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Initial Erregung und Aengstlichkeit, später (zunehmende) Apathie übergehend in Somnolenz und Koma, Festliegen (in Sternal- oder Seitenlage), Ataxie, Inkoordination, terminal Hypothermie, plötzlicher Tod
  
3.2Nervensystem
Hyperästhesie, Ruderbewegungen (bei Festliegen in Seitenlage), Muskeltremor, Muskelschwäche (langsame Bewegungen, schnelles Niederlegen, Ueberkreuzen der Hinterbeine, hundesitzige Körperhaltung)
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall
  
3.5Respirationstrakt
Tachypnoe, Dyspnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Myoglobinurie (Urin pinkfarben bis bräunlich)
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Meist keine Befunde. Bei gezielter Suche werden manchmal als Folge des Myoglobinabbaus blasse Abschnitte in Querschnitten von Myokard der Atrien oder Skelettmuskulatur der Gliedmassen gefunden.
Bei elektronenmikroskopischer Untersuchung werden im Myokard Bereiche gefunden, in denen als Folge einer Nekrose der Myozyten, Makrophagen eingewandert sind oder die Lücken mit Stroma ausgefüllt wurden. In der Skelettmuskulatur werden in der sogenannten "roten" Muskulatur, die reich an Fasern des Typ 1 ist, Bereiche mit hyaliner Nekrose gefunden, in die Makrophagen zur Lyse eingewandert sind und wo auch eine komplette Reparatur des Gewebes stattfindet.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Harnteststreifen
Nachweis einer Pigmenturie.
  
5.2Blutuntersuchung
Nachweis von erhöhten CK- und ASAT-Werten (Quotient CK/ASAT regelmässig grösser als 50) als Folge des massiven Muskelabbaus.
  
5.3Toxinnachweis
Nachweis von Ionophoren im Futter.
 

6. Differentialdiagnosen

Belastungsmyopathie, Colienterotoxämie,Hämoglobinurie als Folge einer Leptospira pomona-Infektion.
 
6.1Plötzlicher Tod ohne oder mit wenigen vorausgehenden Symptomen
Perakut oder akut verlaufende Infektionskrankheiten, wie z.B. Oedemkrankheit, hochgradige Anämie oder Blutverlust, Herz-/Kreislaufversagen, Unfälle mit Blitzschlag oder Elektrizität, Intoxikationen (Aflatoxine, Botulismus, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholecalciferol, Coumarinderivate, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fumonisin, Kochsalz, Kohlenmonoxid, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Strychnin).
  
6.2Neurologische Symptome mit gestörtem Allgemeinbefinden
Meningitis, Sepsis, Infektionskrankheiten wie Oedemkrankheit, Glässer'sche Krankheit, Schweinepest, Aujeszky'sche Krankheit, Tollwut und Listeriose, andere Intoxikationen (Organische Arsenverbindungen, Avermectine, Blei, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Ethylenglykol, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Nitrofurane, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Quinoxalinderivate, Schwefelwasserstoff, Selen, Strychnin).
  
6.3Erbrechen
Viral, bakteriell, diätetisch, Magengeschwüre, Haarballen, Fremdkörper, Vitaminmangel (Thiamin, Riboflavin), andere Intoxikationen (Amitraz, anorganische Arsenverbindungen, Avermectine, Blei, Cadmium, Cholecalciferol, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fusarientoxine, Fluor, Kochsalz/Trinkwassermangel, Kupfer, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Stachybotryotoxin, Stickstofdioxid).
  
6.4Durchfall
Diätetisch, viral, bakteriell, parasitär, andere Intoxikationen (Aflatoxine, anorganische Arsenverbindungen, Blei, Cadmium, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholecalciferol, Cyanamid, Eisenverbindungen, Fusarientoxine, Fluor, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Mutterkornalkaloide, Ochratoxine, Organophospahte und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Zearalenon, Zink).
  
6.5Pigmenturie
Harnwegsinfektionen, andere Intoxikationen (Coumarinderivate, Kupfer).
 

7. Therapie

7.1Absetzen des medizinierten Futters
  
7.2Dekontamination
Wiederholte Verabreichung von Aktivkohle und Glaubersalz
  
7.3Bronchodilatation bei extremer Dyspnoe
5-6 mg Theophyllin/kg Körpergewicht i.v.
 

8. Fallbeispiele

8.1In einem Mastbetrieb mit 400 Tieren starben innerhalb einer Woche 30 Tiere, die in der Endmast waren. Jeweils wenige Stunden nach dem Umstallen in den Endmaststall zeigten die Mastschweine Tremor, Schreien, hundsitzige Körperhaltung und Festliegen, erhöhte Körpertemperatur (bis 40.3° C). Eine Injektionsbehandlung mit Oxytetrazyklin verlief wie Untersuchungen auf ESP und Morbus Aujeszky negativ. Der Besitzer erinnerte sich, dass die ersten Tiere zwei Tage nach dem Einsatz einer neuen Futtercharge verendet waren. Gemäss Deklaration enthielt das Futter keine antimikrobiellen Wachstumsförderer, sondern nur die Vitamine (A, D3, E), die Mineralstoffe (Kupfer, Zink, Selen) sowie Propionsäure. Eine Blutuntersuchung ergab stark erhöhte Werte für CK (43730 U/l) und ASAT/GOT (1924 U/l) (CK-ASAT-Quotient von 23). Bei einem Bestandesbesuch ergab fiel Folgendes auf: Schwanken in der Hinterhand, Tremor, aufgekrümmter Rücken, herabgesetzte Oberflächensensibilität im Rücken- und Kronsaumbereich, Bewegungsunlust und Pigmenturie. Die Sektion der beiden gestorbenen Mastschweine ergab: hochgradige serös-hämorrhagische Herzbeutelergüsse, ausgeprägte subepikardiale und myokardiale Blutungen und hochgradige, teils mit Blutungen einhergehende Skelettmuskeldegenerationen insbesondere im Bereich der Rücken- und Oberschenkelmuskulatur. In der histologischen Untersuchung wurde eine hochgradige Myokarddegeneration festgestellt. Eine Futteruntersuchung mit dem Ionophore-Detection-System auf Polyätherantibiotika verlief positiv. Im Labor wurde ein Gehalt von 506 ppm Salinomycin festgestellt. Eine Rückfrage beim Hersteller ergab, dass auf dem Betrieb auch Monensin eingesetzt wurde. Nach Absetzen des Futters wurde ein Teil der Tiere mit je 1.2 g α-Tocopherolacetat und 4 mg Selen parenteral behandelt. Die behandelten Tiere erholten sich schneller (Ganter et al., 1989).
  
8.2Nachdem bei Schlachtungen immer wieder für Enzootische Pneumonie typische Lungenveränderungen festgestellt wurden, veranlasst der Tierbesitzer die Beimischung von 200 ppm Tiamulin in sein Mastschweinefutter. Zwei Tage nach Fütterungsbeginn starben die ersten Ferkel, andere zeigten Ataxie, Festliegen in Brust- und Seitenlage, zum Teil mit Ruderbewegungen der Extremitäten und vermehrte Schreckhaftigkeit. Oedemkrankheit wurde abgeklärt und ausgeschlossen. Ein zugegzogener Fütterungsexperte klärte die Zusammensetzung der Futterzusatzstoffe ab: neben den 200 ppm Tiamulin, wurden als Leistungsförderer zusätzlich 75 ppm Furaziolidon, 25 ppm Olaquindox und 50 mg Salinomycin eingesetzt. Das betroffene Futter wurde sofort abgesetzt. Bis auf vier weitere Todesfälle, erholten sich die anderen Tiere rasch (Wanner M, 1984).
  
8.3In einem Mastbetrieb zeigten die ungefähr 45 kg schweren Tiere fünf Tage nach Einsatz einer neuen Futtercharge Futterverweigerung, Krämpfe, Myalgie, steifer Gang, Hinterhandataxie und Festliegen bei ungestörtem Sensorium. 20 Prozent der Tiere verendeten und zwei lebende Tiere wurden zur Sektion ins Labor gebracht. Pathologisch-anatomisch wurden keine Auffälligkeiten gefunden, histopathologisch fiel eine hochgradige Degeneration und Nekrose der Skelettmuskelfasern von Typ 1, eine geringgradige Degeneration des Myokards und eine milde, akute Tubulusdegeneration und -nekrose auf. Eine Futteruntersuchung ergab einen Monensingehalt von 700 ppm, was auf eine Verwechslung bei der Beimischung von Rinderfutter hindeuten könnte (Groom & Beck, 1990).
 

9.Literaturverzeichnis

Drake JN (1981) Monensin-tiamulin interaction risk to pigs. Vet Rec Mar, 219-220
 
Groom S, Beck B & Ostrander R (1990) Monensin toxicity in swine. Can Vet J 31, 530
 
Heinritzi K (1992) Der klinische Fall, Tierärztl. Praxis 20, 19-20, 114-6
 
Kavannagh NT & Sparrow DSH (1990) Salinomycin toxicity in pigs, Vet Rec Nov 1990, 507
 
Löscher W (1994) Pharmaka mit Wirkung auf das Zentralnervensystem. In: Grundlagen der Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren (W Löscher, FR Ungemach & R Kroker Hrsg.), Parey Berlin
 
Miller DJS (1981) Monensin-tiamulin interaction risk to pigs. Vet Rec Apr 317-318
 
Miller DJS, O'Connor JJ, Roberts NL (1986) Tiamulin/Salinomycin interactions in pigs. Vet Rec 118, 73-75
 
Morgan JH, Collins P, Aitken IA & Thomas LH (1991) An experimental study of the toxic interactions between tiamulin and salinomycin in pigs. Acta Vet Scand Suppl 87, 365-367
 
Pott JM, Skov B (1981) Monensin-tiamulin interactions in pigs. Vet Rec Dec, 545
 
Sanford SE, Mc Naughton C (1991) Ionophore (maduramycin) toxicity in pigs. Can Vet J 32, 567
 
Van Vleet JF, Amstutz HE, Weirich WE, Rebar AH & Ferrans VJ (1983) Clinical, clinicopathologic, and pathologic alterations of monensin toxicosis in swine. Am J Vet Res 44, 1469-1475
 
Van Vleet JF, Runnels LJ, Cook JR & Scheicht AB (1987) Monensin toxicosis in swine: Potentiation by tiamulin administration and ameliorative effect of treatment with selenium and/or vitamin E. Am J Vet Res 48, 1520-1524
 
Wanner M (1984) Unverträglichkeit von Tiamulin und Salinomycin beim Schwein. Schweiz Arch Thk 126, 521-526
 
Wendt M, Fuhrmann H & Darnisch S (1994) Einfluss einer Behandlung mit Vitamin E oder Selen auf den Verlauf einer Salinomycin-Intoxikation beim Schwein. Dtsch Tzt Wschr 101, 141-145
 
Wendt M, Büsing S & Bollwahn W (1997) Zur Toxizität der Kombination von Salinomycin und Tiamulin beim Schwein. Dtsch Tzt Wscht 104, 405-410
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