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Botulismus

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Botulismus wird durch das Toxin von Clostridium botulinum, Typ A bis G, verursacht. Bei den Haustieren sind die unterschiedlichen Toxintypen wie folgt beteiligt: Pferd: Typ B,C,D; Wiederkäuer: Typ B,C,D; Huhn: Typ A; Wasservögel: Typ C. Die Sporen von C. botulinum kommen ubiquitär in der Umwelt vor. Diese Sporen sind sehr stabil und werden erst durch 30-minütiges Kochen bei 120°C zerstört. Das Toxin wird hingegen schon durch eine 20-minütige Inkubation bei 80°C oder durch Kochen während 1 Minute bei 100°C inaktiviert.
 

2. Quellen

Die Sporen von C. botulinum können nur in einem eiweisshaltigem Substrat unter anaroben Verhältnissen, bei hoher Feuchtigkeit und einem pH grösser als 4.5 auskeimen und proliferieren. Botulismus kann auf zwei Arten entstehen: Entweder durch direkte Aufnahme von Botulinustoxin oder durch die Produktion des Toxins in infizierten Wunden, Abszessen oder geschädigten Darmabschnitten. In der Regel erfolgt die Aufnahme des Toxins über Futter (Silage, Heu, Futterwürfel), das mit Kadavern (zum Beispiel Mäusen oder Ratten) kontaminiert ist. Vergiftungen durch kontaminiertes Wasser sind ebenfalls möglich.
 

3. Kinetik

Nach oraler Aufnahme wird das Botulinustoxin resorbiert und über die Blutbahn verteilt, ohne aber die Blut-Hirn-Schranke zu überqueren. Das Toxin wird von peripheren Nervenendigungen aufgenommen und reichert sich in den motorischen Endplatten an.
 

4. Toxisches Prinzip

Das Botulinustoxin blockiert die vesikuläre Freisetzung von Acetylcholin, womit es unter anderem zu einer schlaffen Lähmung der quergestreiften Muskulatur kommt. Die Wirkung auf die Vesikel basiert auf der proteolytischen Spaltung eines Membranproteins, das die Fusion zwischen Vesikeln und Plasmamembran vermittelt. Auf diese Weise wird die Ausschüttung von Acetylcholin verhindert. Diese Wirkung ist irreversibel, das heisst zur Wiederherstellung von funktionellen Synapsen müssen zuerst neue, intakte Vesikel gebildet werden.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die letale Dosis für alle Säugetierarten beträgt wenige Nanogramm pro kg Körpergewicht.
 

II. Spezielle Toxikologie - Schwein

1. Toxizität

Schweine sind relativ resistent gegenüber Botulinustoxinen. Eine geringgradige Empfindlichkeit scheint gegenüber Typ A zu bestehen. Gegenüber Typ B, C, D, E scheinen sie hingegen weitgehend resistent zu sein.
 

2. Latenz

Acht Stunden bis drei Tage.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Verminderter Appetit bis Anorexie, Apathie, Tod, Stimmverlust, Inkoordination, Stolpern, Festliegen
  
3.2Nervensystem
Muskelschwäche von anfangs zwei, später aller vier Extremitäten, die in Paralyse übergehen kann
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Unkontrollierter Kotabsatz
  
3.5Respirationstrakt
Dyspnoe, Tachypnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Reduzierte Sehfähigkeit bis Blindheit, Mydriasis
  
3.9Harntrakt
Spontaner, unkontrollierter Harnabsatz
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Abort
 

4. Sektionsbefunde

Keine spezifischen pathologischen Befunde. Stauungserscheinungen in der Muskulatur und in inneren Organen können bei hochgradig erkrankten Tieren als Folge der lähmenden Wirkung des Toxins auftreten. Der Mageninhalt sollte genau untersucht werden, da oft Reste der Toxinquelle gefunden werden können.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

5.1Toxinnachweis
Nachweis von Botulinustoxin(en) im Mageninhalt, in der vermuteten Giftquelle oder im Serum des erkrankten Tieres mittels ELISA.
 

6. Differentialdiagnosen

6.1Paralyse
Quadriplegien infektiöser, alimentärer (Vitamin- und/oder Mineralstoffmangel) oder orthopädischer Genese; Paraplegie/hundesitzige Haltung: Meist Schäden am Bewegungsapparat wie Beckenfrakturen, Schäden an den grossen Röhrenknochen, Wirbelkanalabszesse.
  
6.2Salivation
Maulschleimhautläsionen, schleimhautreizende Stoffe; anzeigepflichtige Infektionskrankheiten wie Vesikulärkrankheit/SVD, Maul- und Klauenseuche/MKS, Aujeszky'sche Krankheit/AUJ, Tollwut; andere Intoxikationen (Amitraz, Blei, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Dipyridinium-Herbizide, Fumonisin, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Organophosphate und Carbamate, Quecksilber, Quinoxalinderivate, Selen, Schwefelwasserstoff).
  
6.3Unkontrollierter Kotabsatz anderer Genese
  
6.4Verminderte Sehfähigkeit bis Blindheit
Corneaverletzungen und -trübungen; andere Intoxikationen (Organische Arsenverbindungen, Blei, Kochsalz/Trinkwassermangel, Quecksilber, Selen); Vitamin A-Mangel.
  
6.5Mydriasis
Andere Intoxikationen (Amitraz, organische Arsenverbindungen, Avermectine, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Metaldehyd, Strychnin).
  
6.6Unkontrollierter Harnabsatz anderer Genese
  
6.7Abort und Totgeburten
Virale, bakterielle oder parasitäre Aborterreger; Uterusinfektionen; mehrtägige Hyperthermie; Stress; saisonale Aborte; andere Intoxikationen (Aflatoxine, Blei, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Coumarinderivate, Fusarientoxine, Fumonisin, Kohlenmonoxid, Mutterkornalkaloide, Organophosphate und Carbamate, Quinoxalinderivate, Selen, Stachybotryotoxin, Zearalenon).
 

7. Therapie

7.1Dekontamination
-Sofern die Aufnahme von Botulinustoxin über den Darm vermutet wird: Aktivkohle und Glaubersalz.
 
7.3Antidottherapie
-Antitoxin aus Pferdeserum i.v. oder i.m. (cave: allergische Reaktion). Das Antitoxin wirkt nicht mehr auf das Botulinumtoxin, das bereits in die Neuronen aufgenommen wurde.
 

8. Fallbeispiel

Eine Herde mit 13 Muttersauen und einem Eber, die im Freien gehalten wurden, hatte dauernd Zugang zu einer Lagune, die als Wasserversorgung diente. Aufgrund einer längeren Trockehnheitsperiode stieg die Wassertemperatur in der Lagune und die sich darin befindenden Fische starben. Die Schweine frassen die toten Fische. Nach 21 Stunden verendete das erste Schwein. Andere lagen fest, zeigten Hyperthermie, Tachykardie, generalisierte schlaffe Muskellähmung, vermehrte Salivation, unkontrollierten Harn- und Kotabsatz, Dys- und Tachypnoe, sowie Tremor und Mydriasis. Innerhalb von 52 Stunden starnben insgesamt fünf Schweine. Die Sektion zeigte nichts aussergewöhnliches, ausser dem Darminhalt, der nach sich zersetzendem Fisch stank. Die bakteriologische Untersuchung von Magen, Dünn- und Dickdarminhalt ergab im biologischen test Clostridium botulinum Typ C. Die restlichen Tiere der Herde erhielten darauf 3.6 Liter Magermilch mit 112 g Magnesiumsulfat. Die erste Behandlung erfolgte 31 Stunden nach Exposition, die Zweite nach 46 und die Dritte nach 52 Stunden. Es traten keine weiteren Todesfälle mehr auf (Beiers & Simmons, 1967).
 

9. Literaturverzeichnis

Aiello SE (1998) The Merck Veterinary Manual - eight edition, Merck, Whithouse Station NJ
 
Beiers PR & Simmons GC (1967) Botulism in pigs. Aust Vet J 43, 270-271
 
Scheibner G (1955) Die Empfänglichkeit des Schweines für Botulinustoxin der Typen A-E. DTW 62, 355-358
 
Smith LDS, Davis JW & Libke KG (1971) Experimentally induced botulism in weanling pigs. Am J Vet Res 32, 1327-1330
 
Straw BE, Dewey CE & Wilson MR (1999) Differential diagnosis of swine diseases. In: Diseases of swine - 8th Edition (BE Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed), Iowa State University Press, Ames, pp 41-88
 
Taylor DJ (1999) Clostridial infections. In: Diseases of swine - 8th Edition. (BE Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed), Iowa State University Press, Ames, pp 408-410
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