mdi-book-open-variant Impressum mdi-help Hilfe / Anleitung mdi-printer Webseite ausdrucken mdi-bookmark Bookmark der Webseite speichern mdi-magnify Suche & Index Toxikologie mdi-sitemap Sitemap CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-home Startseite CliniPharm/CliniTox-Webserver mdi-email Beratungsdienst: Email / Post / Fax / Telefon

Strychnin

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Strychnin ist ein basisches Alkaloid, das aus dem Samen von Strychnos nux vomica (Brechnuss) und anderen Strychnosgewächsen gewonnen wird. Diese Pflanzen kommen in Indien und auf den Philippinen vor. Die reine Strychninbase besteht aus einem geruchlosen, aber stark bitter schmeckenden, weissen, kristallinen Pulver. Strychninnitrat, Strychninphosphat und Strychninsulfat erscheinen ebenfalls als weisse, geruchlose und bitter schmeckende Pulver. Die Substanz ist in Alkoholen, Chloroform und Benzol gut löslich, in Wasser ist Strychnin schwer löslich. Der bittere Geschmack bleibt sogar in starker Verdünnung mit Wasser erhalten. Strychnin ist relativ stabil und konnte in exhumierten Leichen noch 4 Jahre nach dem Tode nachgewiesen werden.
 

2. Quellen

Der Einsatz von Strychnin zur Schädlingsbekämpfung ist in den meisten Ländern eingeschränkt oder ganz verboten. Trotzdem wird Strychnin gelegentlich gegen Vögel, Nager, Füchse oder andere Wildtiere verwendet. Sekundärvergiftungen durch Aufnahme von strychninvergifteten Vögeln oder Ratten sind bei Hund und Katze möglich. Früher wurde Strychnin auch als Analeptikum gebraucht.
 

3. Kinetik

Strychnin wird im Magen-Darm-Trakt schnell und vollständig resorbiert. Der Wirkstoff wird in der Leber und in den Nieren nur schwach angereichert. Die Ausscheidung erfolgt mit einer Halbwertszeit von etwa 10 Stunden hauptsächlich nach Biotransformation in der Leber. Bis 20% der aufgenommenen Gesamtmenge werden unverändert über den Harn eliminiert und sind dort schon wenige Minuten nach Ingestion nachweisbar.
 

4. Toxisches Prinzip

Strychnin wirkt als kompetitiver Antagonist des inhibitorischen Neurotransmitters Glycin und unterdrückt somit die Aktivität inhibitorischer Neuronen im Rückenmark. Insbesondere verhindert Strychnin die gegenseitige Hemmung der Aktivität antagonistischer Muskelgruppen. Über diesen Mechanismus entstehen tonische Kontraktionen der gesamten Skelettmuskulatur, die durch kleinste taktile oder akustische Reize ausgelöst werden können. Der Tod tritt durch Atemlähmung und Hyperthermie ein.
Die durch die tonische Kontraktion entstandene Muskelzellschädigung und die daraus resultierende Myoglobinurie können ein akutes Nierenversagen induzieren.
Der bittere Geschmack und die Schleimhautreizwirkung von Strychnin führen zu Erbrechen.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteHuhnKaninchen
Strychnin22.4  
Strychninnitrat1.257.553
Strychninsulfat 0.5-35 
 

II. Spezielle Toxikologie - Pferd

1. Toxizität

-Die akute orale LD50 von Strychninsulfat beträgt 0.5 mg/kg Körpergewicht.
-Die letale Dosis der Strychninbase liegt im Bereich von 0.5-1 mg/kg Körpergewicht.
 

2. Latenz

Die Symptome treten innert Minuten oder höchstens innert wenigen Stunden nach Giftaufnahme auf.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Unruhe, Inkoordination, Fieber, Festliegen
  
3.2Nervensystem
Intermittierende tonische Streckkrämpfe bei vollem Bewusstsein, Sägebockstellung
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Dyspnoe, Atemlähmung
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Schweissausbruch, kirschrote oder bläuliche Schleimhäute (Zyanose)
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome.
 

4. Sektionsbefunde

Die meisten Veränderungen wie zum Beispiel Hämorrhagien an Herz, Pleura und Lunge sind unspezifisch. Die dunkle Blutfarbe ist Folge der Asphyxie. Rasches Eintreten der Totenstarre, möglicherweise in weniger als 2 Stunden nach dem Tode.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Strychninnachweis im verdächtigen Giftköder
Methoden: Dünnschichchromatographie und Hochdruckflüssigchromatograpie
  
5.2Strychninnachweis in Mageninhalt
  
5.3Der Strychninnachweis im Harn ist nur möglich, wenn die Harnprobe innert 24 Stunden nach Giftaufnahme entnommen wird.
 

6. Differentialdiagnosen

-Andere neurotoxische Erkrankungen: Organophosphat-, Carbamat-, Chlorkohlenwasserstoff- und Metaldehydvergiftungen.
-Tetanus- oder Tollwutinfektion
 

7. Therapie

7.1Boxenruhe
Wegen der Hyperreflexie Pferd in ruhiger und abgedunkelter Boxe einstellen
  
7.2Krämpfe
Diazepam oder Barbiturate verabreichen
  
7.3Dekontamination
Aktivkohle und Glaubersalz oder Paraffinöl per Nasenschlundsonde
  
7.4Kreislauf
Flüssigkeit- und Elektrolytersatz
  
7.5Azidose
Ringerlaktat oder Bikarbonat
  
7.6Regulierung der Körpertemperatur
Abkühlen mit kaltem Wasser
 

8. Fallbeispiel

Drei Pferde nahmen eine unbekannte Menge von Strychnin auf (als Köder in Hafer gemischt). Nach einiger Zeit wurde das erste Pferd mit Krämpfen und Schweissausbrüchen am Boden liegend gefunden. Das zweite Pferd begann etwa eine Stunde später zu schwitzen und zeigte einen ataktischen Gang. Kurze Zeit später brach es zusammen und starb unter starken Krämpfen. Das dritte Pferd hatte nur ein leichtes Muskelzittern. Dem ersten Pferd wurde Pentobarbital i.v. verabreicht, um die Krämpfe zu behandeln. Später wurde noch Acepromazin i.m. und Paraffinöl per Nasenschlundsonde gegeben. Bald danach stand es auf und erholte sich langsam (Meek & Keatts, 1971).
 

9. Literatur

Benowitz NL (1988) Strychnine. In: Poisoning and Drug overdose (KR Olson, ed), Appleton & Lange, Stamford, Cunnecticut, pp 298-300
 
Ellenhorn MJ (1997) Ellenhorn's Medical Toxicology, Williams & Wilkins, Baltimore, Maryland, pp 1660-1662
 
Gangolli S (1999) The dictionary of substances and their effects, Second Edition. Royal Society of Chemistry, Cambridge
 
Heiser JM, Daya MR, Magnusson AR, Norton RL, Spyker DA, Allen DW & Krasselt W (1992) Massive strychnine intoxication: serial blood levels in a fatal case. Clin Toxicol 30, 269-283
 
Humphreys DJ (1988) Veterinary Toxicology, Baillière Tindall, London, pp 120-122
 
Kühnert M (1991) Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel und Mittel zur biologischen Prozessteuerung. In: Veterinärmedizinische Toxikologie (M Kühnert, ed) Gustav Fischer Verlag, Jena, pp 98-189
 
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1987) Précis de Toxicologie Clinique Vétérinaire, Édition du Point Vétérinaire, Maisons-Alfort
 
Meek DG & Keatts WH (1971) Strychnine poisoning in horses. J Am Vet Med Assoc 158, 491
 
Roth L, Daunderer M & Kormann K (1994) Giftpflanzen-Pflanzengifte, Ecomed, Landsberg, pp 935-936
 
Smith BA (1990) Strychnine poisoning. J Emerg Med 8, 321-325
 
Windholz M (1983) The Merck Index, Merck & Co, Rahway, New Jersey
© 2024 - Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie

Es kann keinerlei Haftung für Ansprüche übernommen werden, die aus dieser Webseite erwachsen könnten.