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Selektives Trockenstellen

Wichtige Hinweise Die Einstellung zum Antibiotikaeinsatz, insbesondere zur vorbeugenden Anwendung, hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Das generelle Trockenstellen, das als wichtige Massnahme zur Kontrolle von Mastitiden empfohlen wurde, wird mehr und mehr vom sogenannten selektiven Trockenstellen abgelöst.
 

Gesetzliche Grundlagen (TAMV)

Angesichts der zunehmenden Entwicklung von Antibiotikaresistenzen dürfen antimikrobielle Wirkstoffe, die zum prophylaktischen Einsatz vorgesehen sind, nicht mehr auf Vorrat verschrieben oder abgegeben werden (Art. 11 TAMV).
 
Die Bestandestierärztin/der Bestandestierarzt darf dem Tierhaltenden die Trockensteller nach vertieften Abklärungen (z.B. Diagnostik, Kenntnis von vorbestehenden Erkrankungen des Euters oder eines bekannten Risikos für eine Mastitis) für bestimmte Tiere abgeben, aber nicht prophylaktisch für den ganzen Bestand oder für eine unbestimmte Anzahl von nicht bezeichneten Kühen des Bestandes. Dies stellt höhere Anforderungen an Planung und Management der Tiere.
 
Hilfreich dabei ist ein betriebsindividuelles Trockenstellkonzept basierend auf tierärztlichen Abklärungen.
 
Therapieleitlinien

Trockenstellkonzept - was heisst das?

Die Planung eines selektiven Trockenstellkonzepts umfasst den ganzen Produktionszyklus einer Herde. Berücksichtigt wird nicht nur die Vorbereitungs- und die Trockenstellzeit, fast noch wichtiger sind der Gesundheitszustand und das Management der Kühe während der übrigen Zeit (Abkalbung, Startphase, Produktionsphase etc. Nur ein gesundes Tier darf ohne antimikrobiellen Trockensteller in die Trockenstellphase. Verschiedene Präventionsmassnahmen sind zu beachten um den Eintritt in die Trockenstellzeit zu optimieren und die Euter über die Galtphase gesund zu erhalten. Weiter ist ein gutes Management in der "heiklen" Transitphase (3 Wochen vor Abkalbung und erste 4 Wochen der Startphase) essentiell für die Eutergesundheit in der Folgelaktation. Der Entscheid, ob ein antimikrobieller Trockensteller einzusetzen ist, hängt vom Gesundheitszustand der ganzen Herde wie auch von den Vorkommnissen bei den einzelnen Kühen ab.
 
LaktationszyklenWichtigste Präventionsmassnahmen
StartphaseVermeidung Hypokalzämie und Ketose: konsequente Transitfütterung, gute Hygiene in Umgebung, stressfreie Haltung
ProduktionsphaseLeistungsgerechte Versorgung, stressfreie Haltung
AltmelkphaseVerfettung der Tiere vermeiden
Vorbereiten Trockenstellen (7 - 10 Tage vor dem Trockenstellen)-Närstoffe in Fütterung reduzieren mit dem Ziel Tagesmilchleistung < 15 kg
-Kein Wasserentzug
-Letzte 3 Zellzahl-Messungen, allfällige Mastitisvorgeschichte, Laborberichte inkl. Antibiogramm aufarbeiten
-Schalmtest und allenfalls Milchprobenuntersuchung (für Bio Suisse-Betriebe ist eine bakterielle Milchuntersuchung inklusive Antibiogramm in jedem Fall Pflicht)
Trockenstellen-Verbesserung Tierhygiene und v.a. Galtkuhhygiene durch trockene Einstreu und geringe Luftfeuchtigkeit!
-Abrupt Trockenstellen!
-Zitzendesinfektion vor Anwendung von Zitzenversieglern & Antibiotikainjektoren
 

Schematische Übersicht - Entscheidung über den Antibiotikaeinsatz

Da beim selektiven Trockenstellen die Eutergesundheit aller Milchkühe im Betrieb relevant ist, dient das theoretische Jahresmittel der Tankzellzahlen eines Betriebes als erstes konzeptionelles Einteilungskriterium.
 

AB: Antibiotika, TR: Trockenstellen, ZZ: individuelle Zellzahl, tTZZ: theoretische Tankzellzahl
 
Die Zellzahlgrenzen sind aufgrund von Literaturangaben und nach den Vorgaben der Verordnung über die Hygiene bei der Milchproduktion festgelegt worden. Sie müssen in Zukunft wissenschaftlich evaluiert werden und aufgrund der Ergebnisse weiter angepasst werden.
 

Betriebseinteilung und Tierbeurteilung → weiteres Vorgehen

Theoretische Tankzellzahl < 150'000 Zellen/ml (Jahresmittel)
Bei Betrieben ohne bestehendes Bestandesproblem (tTZZ < 150'000 Zellen/ml) ist ein genereller Einsatz von antimikrobiellen Trockenstellern nicht notwendig. Die Entscheidung ob ein Einsatz erforderlich ist, basiert auf folgenden Überlegungen:
 
-Tiere, die im geometrischen Mittel der letzten 3 Wägungen < 150'000 Zellen/ml waren: Trockenstellen ohne Antibiotika, Anwendung eines Zitzenversieglers empfohlen!
  
-Tiere, die im geometrischen Mittel der letzten 3 Zellzahlmessungen > 150'000 Zellen/ml aufwiesen: Milchprobe bakteriologisch untersuchen lassen. Antibiogramm periodisch (ca. alle 6 Monate) anfertigen lassen bei Nachweis von: anderen Staphylokokken (aufgrund des Resistenzmusters im Antibiogramm), Herdenproblem mit S. aureus (meist Genotyp B), E. coli. Antibiogramm immer empfohlen bei: Enterokokken, S. aureus Einzelfälle (meist andere Genotypen als B), Klebsiellen, Serratien
  
-Tiere mit Vorgeschichte von klinischer Mastitis: Antibiotikaeinsatz aufgrund der bakteriologischen Milchuntersuchung der klinischen Mastitis (Erregernachweis und evt. Antibiogramm), falls eine klinische Mastitis ohne Erregernachweis behandelt wurde, ist eine bakteriologische Milchuntersuchung vor dem Trockenstellen angezeigt.
 
Fazit:
Besteht kein Herdenproblem (tTZZ < 150'000 Zellen/ml) wird empfohlen folgende Kühe mit Antibiotika trockenzustellen:
-Einzelkühe mit > 150'000 Zellen/ml (geometrisches Mittel aus letzten 3 Wägunen) und Keimnachweis
-Einzelkühe mit Vorgeschichte klinischer Mastitis
 
Flankierende Massnahmen:
Periodische Beprobung von Kühen mit klinischer Mastitis und Zellzahlerhöhung erhöht Therapieeffizienz. (Bei solchen Tieren ist es nicht unbedingt notwendig vor dem TS mit AB eine Milchprobe bakteriologisch untersuchen lassen).
 
Betriebe mit theoretischer Tankzellzahl > 150'000 Zellen/ml (Jahresmittel)
Ein genereller Antibiotikaeinsatz beim Trockenstellen ist im Falle von Bestandesproblemen mit S. aureus insbesondere mit Genotyp B und und S. agalactiae bis zum Abschluss der Sanierung vorzusehen. (Informationen zu Laborbefunden müssen vorliegen).
 
-Bei Umweltkeimen (Streptokokken, E. coli, andere Staphylokokken)
  
-Tiere, die im geometrischen Mittel der letzten 3 Wägungen < 150'000 Zellen/ml aufwiesen: Trockenstellen ohne Antibiotika, Anwendung eines Zitzenversieglers empfohlen!
  
-Tiere, die im geometrischen Mittel der letzten 3 Wägungen > 150'000 Zellen/ml aufwiesen: Milchprobe bakteriologisch untersuchen lassen
  
-Tiere mit Vorgeschichte von klinischer Mastitis: Antibiotikaeinsatz aufgrund der bakteriologischen Milchuntersuchung der klinischen Mastitis (Erregernachweis und evt. Antibiogramm), falls klinische Mastitis ohne Erregernachweis behandelt wurde, ist eine bakteriologische Milchuntersuchung vor dem Trockenstellen angezeigt.
 
Fazit:
Bei Bestandesproblemen mit den Leitkeimen S. aureus und S. agalactiae (tTZZ > 150'000 Zellen/ml) wird empfohlen, alle Kühe bis zum Ende der Sanierung mit Antibiotika trockenzustellen. Bei einem Betriebsproblem mit einem Umweltkeim (tTZZ > 150'000 Zellen/ml) empfiehlt es sich folgende Kühe mit Antibiotika trockenzustellen:
-Einzelkühe mit Vorgeschichte klinischer Mastitis
-Einzelkühe mit > 150'000 Zellen/ml (geometrisches Mittel aus letzten 3 Wägungen)
-Einzelkühe mit Keimnachweis
 
Flankierende Massnahmen:
Eine Sanierung bei einem Bestandesproblem mit S.aureus oder S. agalactiae sollte mit dem "3 Gruppen Schema" erfolgen, therapieresistente Kühe sind auszumerzen. Überbelegung ist zu vermeiden, Tierhygiene und Stallhygiene sind zu optimieren, Galtkuhhaltung überprüfen und chronisch infizierte sowie therapieresistente Tiere ausmerzen.
 
Betriebe ohne Milchkontrolle
-Milchprobenentnahme ab Schalmtestresultat ≥ "+"
-Verwendung der monatlichen Schalmtest-Resultate
 
Umgang mit Problemtieren
Tiere mit therapieresistenten, chronischen Mastitiden (v.a. S. aureus, S. uberis), das heisst sie haben seit mehr als einer Laktation trotz Behandlung konstant hohe Zellzahlen ohne Abheilung der Infektion über die letzte Galtzeit aufweisen: Keine Antibiotika zum Trockenstellen, Ausmerzen nach der Abkalbung!
 

Allgemeine Überlegungen

Die Zellzahlgrenzen für eine Probenentnahme können je nach Eutergesundheit im Betrieb auch nach unten angepasst werden
 
Antibiogramme wann?
-Allgemein wird das Erstellen von Antibiogrammen empfohlen bei: Andere Staphylokokken, E. coli, Klebsiellen, Serratien, Enterokokken, Proteus (Liste nicht abschliessend!)
-Bei einer Kuh mit Vorgeschichte klinischer Mastitis, die während der Laktation schon beprobt wurde, muss vor dem Trockenstellen nicht zwingend noch einmal eine bakteriologische Untersuchung mit Antibiogramm durchgeführt werden, da die Keimsituation üblicherweise die gleiche ist. Ausnahme: Betriebe, die Milch nach Richtlinien von BioSuisse produzieren, sind verpflichtet vor jedem Einsatz von antibiotischen Trockenstellern einen Keimnachweis mit Antibiogramm zu liefern.
 
Eckpunkte für die Entscheidung Antibiotika-Einsatz oder nicht:
-Mastitis-Vorgeschichte der Kuh: klinische Mastitis, subklinische Mastitis, Zellzahlen der letzten 3 Messungen
-Herdenproblem mit kontagiösen Keimen/Herdenproblem mit Umweltkeimen
-Bakteriologische Befunde
 

Therapiebegleitende und vorbeugende Massnahmen

Kuh-assoziierte, ansteckende Keime insbesondere bei S. aureus (Genotyp B):
1. Eindeutige Identifikation von Trägertieren
2. Infizierte Tiere oder Tiere, bei denen sich eine Behandlung nicht mehr lohnt ausmerzen
3. Therapiekontrolle nach Ablauf der Wartefristen
4. Melkgruppe bilden: Gesunde Kühe, Kühe mit unklarem Status, infizierte Kühe
5. Konsequentes Testen von Zukäufen; dreimal bakteriologische Untersuchung im Abstand von 10 bis 14 Tagen oder einmal eine PCR
6. Melkarbeit optimieren: Handschuhe tragen, Vormelken in Vormelkbecher, Zitzenreinigung mit einem Desinfektionstuch pro Tier, schonendes Melken, sofortiges Zitzendesinfizieren mit einem wirksamen Präparat nach dem Abhängen des Melkzeuges
7. Während der Dauer der Sanierungsphase alle Kühe mit TS trockenstellen
8. Melkmaschinenfunktion überprüfen lassen
 
Umweltkeime (Streptokokken, koagulase negative Staphylokokken, E. coli etc.):
1. Stall und Tierhygiene verbessern: Läger- und Boxendimensionen überprüfen, Läger- und Boxenpflege intensivieren (3× täglich)
2. Stallklima optimieren: Luftfeuchtigkeit kontrollieren (< 85%), Luftaustausch gewährleisten
3. Immunsystem der Kühe stärken: Leistungsgerechte Fütterung, d.h. subklinische Ketose und subakute Pansenazidose vermeiden, Mineralstoff- und Spurenelementversorgung überprüfen
 

Glossar

Klinische Mastitis =
-Kühe mit Veränderungen an einem oder mehreren Vierteln: Verhärtung, Schmerz, Rötung
-Kühe mit Veränderungen der Milch: Flocken, wässriges Sekret
-Evt. verbunden mit Fieber und Fressunlust
 
Subklinische Mastitis =
-Keine Veränderungen am Euter aber Zellzahl erhöht > 150'000 Zellen/ml
 
Chronisch klinische Mastitis =
-Tastbare Gewebeveränderungen im Euter
-Kühe mit 2 oder mehr Milchkontrollen > 500'000 Zellen/ml: Hinweis auf einen stark pathogenen Euterkeim
 
Therapieresistent =
-Keine Verbesserung der klinischen Symptome trotz antibiotischer Behandlung
-Keine Verbesserung der ZZ bzw. im Schalmtest trotz antibiotischer Behandlung innerhalb der nächsten 3 Wochen nach Therapieende
 
Abgeheilt =
-Symptome am Euter verschwunden = Klinische Heilung
-Kein Keimnachweis mehr nach Therapie oder Spontanheilung = bakteriologische Heilung
 
tTZZ (theoretische Tankzellzahl) =
-Das ist die rechnerisch ermittelte Zellzahl, wenn die Milch von allen laktierenden Kühen einer Herde in den Tank gemolken würde. Die theoretische Tankmilchzellzahl ist normalerweise höher als die aktuell gemessene Zellzahl in der Herdensammelmilch, da bei der theoretischen Tankzellzahl alle laktierenden Tiere mit berücksichtigt werden (auch behandelte Tiere, die sich in der Wartezeit befinden, Tiere nach der Geburt oder Tiere, deren Milch wegen erhöhter Zellzahlen nicht in den Tank gemolken oder z.B. auch an Kälber vertränkt wurde).
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