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Antibiotika in der Chirurgie: Übersicht

Wichtige Hinweise

Allgemeines

Die Anwendung von Antibiotika im Rahmen chirurgischer Eingriffe bei Kleintieren ist häufig unverzichtbar. In einer beträchtlichen Zahl von Fällen kann sie aber deutlich reduziert oder ganz vermieden werden.
 
Übervorsichtiges Vorgehen oder ein mangelndes Verständnis der chirurgischen Grundlagen können hingegen eine inadäquate Anwendung dieser Medikamente zur Folge haben.
 
Werden bei der Vorbereitung des chirurgischen Materials und des Patienten, sowie während des Eingriffs hohe Hygienestandards und aseptische Bedingungen angewendet, die Grundsätze der Chirurgie beachtet, geeignete Operationstechniken gewählt und die Fälle individuell beurteilt, lässt sich der Einsatz von Antibiotika wesentlich reduzieren.
 
Krankheitsbild / Symptomatik / Risikofaktoren

Allgemeine Informationen

Postoperative Wundinfektionen (Surgical Site Infections, SSI) treten je nach chirurgischem Eingriff bei 0,8 bis 29% der Kleintiere auf. Das Auftreten und die Entwicklung multiresistenter Bakterienstämme haben die allgemeine Situation negativ beeinflusst und die Prävalenz von SSI erhöht. Dabei ist zu beachten, dass der unkritische Einsatz von peroperativer Antibiose das Auftreten von resistenten Erregern triggert.
 
Vier Faktoren beeinflussen das Auftreten postoperativer Infektionen: das Ausmass der Wundkontamination, die Operationsdauer, Prädispositionen des Wirts (Patient) und das Vorhandensein von Mikroorganismen mit hoher Virulenz.
 

Ausmass der Wundkontaminationen

Die Klassifikation der Wundkontaminationen ist allgemein bekannt und in der Literatur zu veterinärmedizinischen Eingriffen üblicherweise zu finden. Mit dieser Klassifikation kann das Risiko von SSI mittels Kategorien abgeschätzt werden. Im Durchschnitt kommt es bei rund 5% der Eingriffe zu postoperativen Wundinfektionen.
 
Art der WundeBeschreibungBeispieleInfektionsrisiken
Sauber● Elektiv, nicht notfallmässig, nicht traumatisch
● Keine akute Entzündung
● Keine Beeinträchtigung der Asepsis
● Ohne Eröffnung von Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt
● Primärer Verschluss
● Explorative Laparotomie
● Kastration/Sterilisation
● Orthopädische Eingriffe
2,5 - 6%
Sauber-kontaminiert● Elektiv mit Eröffnung von Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt, ohne versehentlichen Austritt von Inhalt und ohne nachgewiesene Infektion von Urin oder Galle
● Kleinere Beeinträchtigungen der Asepsis
● Notfalloperation aber sauberer Eingriff
● Enterotomie
● Enterektomie
● Zystotomie
● Cholezystektomie
● Pyometra
2,5 - 9,5%
Kontaminiert● Chirurgische Eingriffe an Atemwegen, Magen-Darm- oder Urogenitaltrakt mit versehentlichem Austritt des Inhalts und mit infiziertem Urin oder infizierter Galle
● Grössere Beeinträchtigungen der Asepsis
● Akute, nicht-eitrige Entzündung
● Traumatische Wunden < 4 Stunden
● Chronisch offene Wunden für Hauttransplantate
● Enterotomie
● Enterektomie
● Zystotomie
● Cholezystektomie
● Pyometra mit abdominaler Kontamination
● Offene Frakturen
5,5 - 28%
Schmutzig/infiziert● Vorhandene Perforation von Atemwegen, Magen-Darm- oder Urogenitaltrakt
● Eitrige Infektionen
● Traumatische Wunden > 4 Stunden
● Wunden mit Nekrosen, Fremdkörpern oder Kontamination mit Fäkalien
● Perforation im Gastrointestinaltrakt
● Infektion des OP-Bereichs
● Septische Peritonitis
● Abszess
18 - 25%
 
Quelle: Danish Small animal veterinary association (SvHKS), Antibiotic use guidelines for companion animal practice, 2009
 

Operationsdauer

Die Operationsdauer hat einen wesentlichen Einfluss auf das Auftreten von SSI. Es wurde mehrfach gezeigt, dass orthopädische Eingriffe von mehr als 90 Minuten das Risiko für SSI stark erhöhen. Dasselbe gilt für chirurgische Eingriffe bei Weichgewebe.
 
Zusätzlich sollte man beachten, dass auch eine lange Anästhesiedauer das Infektionsrisiko erhöht. Dies ist wichtig bei Prozeduren, welche eine sehr lange Narkosedauer haben, auch wenn die eigentliche Operation relativ kurz ist.
 

Prädispositionen des Wirts

Es wurden verschiedene Faktoren bezüglich der Prädispositionen von Patienten beschrieben, die das Auftreten von SSI begünstigen. Dazu gehören das Alter, klinische Faktoren (wie Adipositas) und paraklinische Faktoren (Glucosespiegel, Serumproteine und erhöhte Spiegel von Infektionsmarkern).
 
Die amerikanische Fachgesellschaft für Anästhesiologie (American Society of Anesthesiologists - ASA) hat ein Schema zur Patientenklassifikation entwickelt, das ursprünglich zur Prüfung des Zustands der Patienten vor der Anästhesie und ihrer Risiken für peri- und postoperative kardiopulmonäre Komplikationen vorgesehen war. Später wurde gezeigt, dass dieses Schema auch ein guter Indikator für SSI beim Menschen und folglich auch für das Kleintier extrapoliert werden kann.
 
ASA-KlasseBeschreibungBeispiele
1Patient ohne vorbestehende ErkrankungKastrationen/Sterilisationen, einfache Hernien, Patellaluxationen, Kreuzbandrisse
2Leichte fokale und systemische Erkrankungen (Patient ohne Fieber, dem es gut zu gehen scheint)Missbildungen, stabiler Diabetes, Hauttumore, Trauma ohne Schock, moderate Infektionen ohne Fieber
3Schwere systemische Erkrankungen (Patient mit Fieber, offensichtlich krank)Fieber, Anämie, instabiler Diabetes und Ketoazidose, Herzgeräusch, Trauma mit Schock, Pneumonie
4Lebensbedrohliche systemische ErkrankungenSchweres Trauma mit Schock, Herz-, Leber- oder Niereninsuffizienz
5Moribunder Patient, der ohne Operation wahrscheinlich nicht mehr als 24 Stunden überleben wirdPolytrauma, Multiorganversagen, Krebs im Endstadium, Magendrehung
 

Prävention postoperativer Wundinfektionen

Allgemeines
SSI können nicht vollständig verhindert werden. Wenn jedoch bestimmte Regeln befolgt und Massnahmen konsequent angewendet werden, kann die Mehrzahl dieser Infektionen vermieden werden.
 
Umgebung
Einwandfreie Hygienebedingungen sind in der veterinärmedizinischen Infrastruktur unabdingbar. Eine gute Hygiene beginnt bei der Anordnung der Räumlichkeiten und deren vorgesehener Nutzung und reicht über die Desinfektion des Materials und des Personals bis zur Lagerung und Handhabung der Medikamente.
 
Beispiele:
 
Operationsräume: korrekt belüftet; Trennung zwischen Operationssaal und unreinen Zonen (evtl. über Schleuse); keine Zahnsteinentfernungen oder andere kontaminierende Tätigkeiten in der Nähe; keine Klimatisierung (ohne laminare Strömung) im Operationssaal während der Eingriffe.
  
Medikamente: vollkommen sterile Injektionen (z.B. Propofol); sterile Handhabung von Kathetern und Infusions-/Perfusionsmaterial
  
Personal: allgemeine Hygiene; kurze, saubere Nägel ohne Nagellack, keine künstlichen Nägel; kein Schmuck an Hand oder Arm; möglichst wenig Personal im Operationssaal; Umsetzung der guten Praxis der chirurgischen Händedesinfektion (Seife, dann Alkohollösung, Bürsten vermeiden); für Operationen reservierte Kleidung (Operationsbekleidung); im Operationssaal Maske und Haube tragen obligatorisch.
 
Chirurgie
Eine eingespielte Vorgehensweise des Operationsteams betreffend Qualität und Geschwindigkeit ist für die Minimierung der Risiken einer Operation entscheidend.
 
Beispiele:
 
Vorbereitung des Patienten: Vor dem Eingriff jede Hautinfektion behandeln (besonders in der Nähe der Stelle des Eingriffs); rasieren unmittelbar vor dem Eingriff; dabei ist es wichtig die Haut intakt zu belassen und Verletzungen zu vermeiden. Reinigung und Desinfektion des Patienten.
  
Operationsdauer: mit einer guten Koordination und einer guten Ausbildung des Operationsteams lässt sich die Operationsdauer und damit auch das Risiko von Beeinträchtigungen der aseptischen Bedingungen reduzieren.
  
Operationstechnik: Die Einhaltung der Halsted'schen Prinzipien (schonende Behandlung der Gewebe, gute Hämostase, strenge Asepsis, verhindern von Toträumen, sorgfältige Apposition von Geweben, Débridement von nekrotischem Gewebe) ist sehr wichtig um Verzögerungen bei der Wundheilung zu vermeiden und die Risiken von SSI zu minimieren.
  
Drainagen so weit wie möglich vermeiden (oder geschlossene und bedeckte Drainagen bevorzugen).
  
Operationsmaterial: Anzahl der Implantate minimieren, Nahtmaterial auf das unbedingt Notwendige beschränken, wenn möglich resorbierbares Nahtmaterial nicht-resorbierbarem Material vorziehen.
 
Patienten
Es ist wichtig, Risikopatienten für SSI zu identifizieren. Dafür ist die ASA-Klassifikation ein ideales Instrument.
 
Es ist bekannt, dass mit Fluorchinolonen behandelte Patienten, die mindestens vier Tagen vor dem Eingriff hospitalisiert wurden, ein erhöhtes Risiko für den Erwerb multiresistenter E.-coli-Stämme aufwiesen, die SSI verursachen können. Jede Hospitalisierung und Antibiotikatherapie vor dem Eingriff muss als zusätzliches Risiko für SSI betrachtet werden.
 
Perioperative Anwendung von Antibiotika:
Eine perioperative Anwendung von Antibiotika muss von Fall zu Fall und für jeden chirurgischen Eingriff aufgrund der verfügbaren Informationen zum Zustand des Patienten und zu den Operationsbedingungen abgewogen werden
 
BehandlungModalitätenBedingungen
Keine Antibiotika● Keine Antibiotika vor oder nach der ChirurgieSaubere oder sauber-kontaminierte Eingriffe:
● ASA 1 bis 2
● Kurz (< 90 Min.)
Perioperativ verabreichte Antibiotika● AB der ersten Generation
● Zusätzlich Metronidazol oder Cephalosporin der 2. Generation bei Anaerobiern
● 30 - 60 Min. i.v. vor Hautinzision und erneut alle 90 Min. während Eingriff
● Absetzen der Antibiotikagabe nach Verschluss der OP-Wunde; die weitere Gabe von Antibiotika nach Hautverschluss wird kontrovers diskutiert
Saubere oder sauber-kontaminierte Eingriffe:
● ASA 4 bis 5
● ASA 3 mit kontaminierten oder schmutzigen Wunden
● lange (> 90 Min.)
● eitrige Infektionen und /oder Fieber
● Implantate, die im Falle einer Infektion nicht entfernt werden können
Erweiterte Prophylaxe (Perioperativ plus 24 Stunden post OP) bzw. Antibiotikatherapien● AB Breitspektrum und gegen die erwarteten Bakterien, anschliessend gemäss Kultur und Antibiogramm
● Modalitäten und Dauer der Behandlung gemäss den allgemeinen Regeln der antimikrobiellen Therapie
● Im Falle einer chirurgischen Infektion ist die Antibiotikatherapie nur nach ausreichender Sanierung des Infektionsherdes (Debridement) erfolgsversprechend
Stark kontaminierte, schmutzige/infizierte Eingriffe:
● Unreine oder infizierte Eingriffe
● Vorbestehende andere lokale oder systemische Infektionen
Kontaminationen (z.B. sterile Breach in Darm OP) sind Indikationen für eine erweiterte Prophylaxe. Bei lokalen oder systemischen Infektionen ist eine Antibiotika-Therapie indiziert.
 
Therapieleitlinien

Antibiotika

HautWahrscheinliche Pathogene: Staphylokokken und Pasteurella spp
Priorisierung/AntibiotikaDosierungBehandlungsdauerBemerkung
Cefazolin22 mg/kg i.v.Präoperativ und anschliessend alle 90 Minuten während der Operation 
 
Gastrointestinal- oder UrogenitaltraktWahrschinliche Pathogene: E. coli, Enterokokken und andere Anaerobier
Priorisierung/AntibiotikaDosierungBehandlungsdauerBemerkung
Ampicillin20 mg/kg i.v.Präoperativ und anschliessend alle 90 Minuten während der OperationBei kritischen Patienten (ASA 4 - 5) kann zusätzlich mit einer Fluorchinolon-Therapie (z.B. Enrofloxacin 5 mg/kg i.v.) begonnen werden, um gram-negative Bakterien besser abzudecken.
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