Wirkmechanismus
Erbrechen ist ein komplexer Vorgang, der vom Brechzentrum im Gehirn koordiniert wird. Das Brechzentrum ist ein funktionelles Zentrum und besteht aus dem Nucleus tractus solitarii und anderen Nuclei in der lateralen Formatio reticularis der Medulla oblongata. Es erhält afferente, stimulierende Nervenimpulse aus der Peripherie, wie z.B. von der Grosshirnrinde (z.B. Geruchsinn), dem Kleinhirn, dem Vestibularapparat und von der Area postrema bzw. Chemorezeptor-Triggerzone, welche ausserhalb der Blut-Hirn-Schranke liegt und somit in direkten Kontakt zu im Blut gelösten Giftstoffen steht. Ausserdem bestehen vagale und sympathische Afferenzen aus dem Gastrointestinaltrakt und anderen abdominalen Organen. Im Nucleus tractus solitarii befinden sich zahlreiche Neurotransmitter, u.a. die Substanz P, welche über efferente Nervenfasern die glatte und quergestreifte Muskulatur des Magen-Darm-Traktes erregen, was zum Auslösen des Erbrechens führt (
Kilbinger 2005a;
De la Puente-Redondo 2007a).
Die Substanz P ist ein Neuropeptid aus der Familie der Tachykinine im ZNS und kommt in signifikanten Konzentrationen im Brechzentrum vor. Sie ist ein wichtiger Neurotransmitter im Darmnervensystem, wo sie direkt und über eine Freisetzung von Acetylcholin die glatte Muskulatur erregt; sie gilt als Schlüsselneurotransmitter beim Auslösen des Erbrechens (
Starke 2005c;
Kilbinger 2005a;
De la Puente-Redondo 2007b).
Die Substanz P wirkt über spezifische Rezeptoren im Brechzentrum, welche als Neurokinin-1-Rezeptoren (NK-1-Rezeptoren) bezeichnet werden. Durch die Bindung der Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten an diese Rezeptoren kommt es zu einer Blockierung der Neurotransmission der efferenten, emetischen Signale und somit zu einer antiemetischen Wirkung gegenüber den unterschiedlichsten emetogenen Stimuli (
Kilbinger 2005a).
Maropitant ist ein potenter und selektiver Neurokinin-1-Rezeptorantagonist. Es passiert die Blut-Hirn-Schranke und hemmt die Bindung der Substanz P an den NK-1-Rezeptoren. Die selektive Bindung des Maropitants an die NK-1-Rezeptoren führt zu einem dosisabhängigen, funktionellen Antagonismus der Aktivität der Substanz P und somit zu einer antiemetischen Wirkung, bei sowohl zentralen (z.B. Erbrechen bei der Reisekrankheit oder
Apomorphin), als auch peripheren (z.B. Ipecacuanha, Gastroenteritis, Pankreatitis) oder kombinierten (z.B. Cisplatin) Ursachen des Erbrechens (
EMEA 2006f;
De la Puente-Redondo 2007b;
Benchaoui 2007a;
De la Puente-Redondo 2007a;
Benchaoui 2007b). Bei zentral bedingten Erbrechen ist die antiemetische Wirkung von Maropitant vergleichbar mit derjenigen von
Metoclopramid und
Chlorpromazin. Bei der Prävention peripher bedingten Erbrechens ist Maropitant dem
Metoclopramid und
Chlorpromazin stark überlegen, da diese beiden Substanzen nicht gegen peripher ausgelöstes Erbrechen wirken (
Sedlacek 2008a). Bei durch Cisplatin ausgelöster Übelkeit und Erbrechen war
Ondansetron wirkungsvoller als Maropitant.
Metoclopramid verhinderte dahingegen weder Anzeichen von Übelkeit noch das Erbrechen (
Kenward 2017a).