Wirkungsort und -mechanismus
Phosphodiesterase V (PDE V)
Sildenafil hemmt selektiv die cGMP-spezifische PDE V, was zu einem Konzentrationsanstieg von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) führt. Die cGMP-spezifische PDE V ist ein Enzym, welches hauptsächlich in der glatten Muskulatur der Lungengefässe und im Corpus cavernosum penis vorkommt (
Taenzler 2017a;
Plumb 2015a). Bei einer pulmonal-arteriellen Hypertonie ist die Konzentration von PDE V erhöht (
Taenzler 2017a). Die Hemmung der PDE V bewirkt eine Vasodilatation der Lungenarterien und fördert die Erektion, wobei Letzteres nur beim Menschen von Interesse ist. Im Gegensatz zu Sildenafil besitzen andere, konventielle systemische Vasodilatatoren keine Präferenz für die Arterien der Lunge (
Mevissen 2016a;
Plumb 2015a).
Phosphodiesterase VI (PDE VI)
Sildenafil hat auch auf die PDE VI, welche das cGMP in der Retina abbaut, und so den Phototransduktionsprozess reguliert, einen hemmenden Einfluss (
McEvoy 2007a;
Henderer 2011b;
Förstermann 2005a). Allerdings ist dieser verglichen mit der PDE V etwa 10-mal schwächer und konnte an den Stäbchen und Zäpfchen der Retina von Hunden, Menschen und Ratten beobachtet werden (
Abbott 2004a). Dieser Effekt kann als unerwünschte Arzneimittelwirkung in Form von Sehstörungen, hauptsächlich das Farbsehen betreffend, auftreten (
McEvoy 2007a;
Henderer 2011b;
Förstermann 2005a).
Phosphodiesterase I-IV (PDE I-IV)
In-vitro-Untersuchungen mit von Hunden stammendem Ventrikelmembrangewebe zeigen, dass Sildenafil in supratherapeutischen Wirkstoffkonzentrationen zu einer Erhöhung des zyklischen Adenosinmonophosphat (cAMP) im Herz führen kann. Dieser Effekt beruht vermutlich auf der direkten Hemmung der cAMP-abbauenden PDE I-IV. Dies hat auf das Herz eine positiv chronotrope sowie positiv inotrope Wirkung und der periphere Widerstand wird gesenkt (
Sugiyama 2002a).
Cytochrom-P-450-Enzyme (CYP)
In
In-vitro-Studien zeigt Sildenafil eine leicht hemmende Wirkung auf folgende CYP-Isoenzyme: 1A2, 2C9, 2C19, 2D6, 2E1 und 3A4 (
McEvoy 2007a).
Kardiovaskuläres System
Hund
Sildenafil senkt den Pulmonalarteriendruck bei Hunden mit pulmonärer Hypertonie (
Brown 2010a). Andere Autoren sagen, dass Sildenafil die Herz- sowie Atemfrequenz, die Herzgrösse und den systolischen Blutdruck nicht signifikant beeinflusst, die Patienten aber dennoch eine verbesserte klinische Symptomatik mit einer erhöhten Lebensqualität aufweisen (
Kellum 2007a).
Mensch
Bei Menschen mit pulmonaler arterieller Hypertonie vermindert Sildenafil den Pulmonalarteriendruck sowie den Widerstand in den Lungengefässen (
Bach 2006a).
Antiarrhythmische Wirkung
Sildenafil besitzt eine antiarrhythmische Wirkung bei ventrikulären Arrythmien, welche durch eine Ischämie resp. einen Verschluss der Koronararterien ausgeslöst werden. Allerdings ist dieser Effekt nicht so ausgeprägt wie derjenige eines Herzschrittmachers oder wie er durch Sport antrainiert werden kann (
Nagy 2004a).
Kardioprotektive Wirkung
In Untersuchungen mit Kaninchen konnte Sildenafil nach i.v. sowie oraler Verabreichung ein kardioprotektiver Effekt gegen Ischämie-bedingte Reperfusionsschäden nachgewiesen werden. Die Wirkung tritt innerhalb von 30 Minuten nach der Applikation ein und hält bis zu 24 Stunden an. Mediiert wird dies durch mitochondriale ATP-sensitive Kaliumkanäle (
Ockaili 2002a).
Verstärkte vasodilatative Wirkung von atrialem natriuretischem Peptid (ANP)
Sildenafil verstärkt durch die Erhöhung der cGMP die vasodilatatorische Wirkung von ANP bei gesunden Hunden. Durch eine experimentielle, gleichzeitige Verabreichung von ANP und Sildenafilcitrat konnte keine schwere oder lebensbedrohliche Hypotension ausgelöst werden (
Ishikura 2007a).
Gastrointestinaltrakt
Motilitätshemmung
Sildenafil hemmt die Motilität des Ösophagus bei Menschen und Tieren (
Xu 2006a).
Katze
Bei Katzen führt Sildenafil insbesondere in der Übergangszone zwischen glatter und quergestreifter Muskulatur zu einer Verminderung der Amplitude und Verzögerung der Ausbreitung der Ösophagusperistaltik. Zudem kommt es zu einer Tonusreduktion des unteren Ösophagussphinkters (
Zhang 2001a).
Hund
In Studien mit Hunden konnte gezeigt werden, dass der Wirkstoff die Amplitude der Dünndarmkontraktionen bei gefütterten Tieren hemmt; die Frequenz sowie der Rhythmus blieben unverändert. Ebenso einen hemmenden Einfluss hat Sildenafil auf die Amplitude der basalen myogenen Aktivität des Dünndarms bei gefasteten Hunden; die Frequenz und der Rhythmus sind nicht betroffen. Bei gefütterten Tieren konnte dieser Effekt nicht beobachtet werden (
Xu 2006a).
Genitaltrakt
Erektionsauslösende Wirkung
Das Corpus cavernosum des Penis weist eine dichte, nitrerge Innervation auf, die durch sexuelle Stimulation aktiviert wird. Dadurch wird Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt, welches wiederum die lösliche Guyanylcyclase stimuliert und zu einer erhöhten cGMP-Konzentration führt. Sildenafil sowie alle anderen PDE V-Hemmer verstärken die natürlichen erektionsauslösenden Mechanismen, haben aber keinen direkten relaxierenden Effekt auf das Gewebe des Corpus cavernosum. Das heisst, die Substanz ist bei fehlender NO-Freisetzung aus den nitrergen Nerven wirkungslos. Dies kann bei fortgeschrittener diabetischer Neuropathie oder anderen degenerativen Erkrankungen des autonomen Nervensystems der Fall sein (
Omori 2004a).
Uterus
In experimentellen Untersuchungen mit Kühen führt eine intrauterine Verabreichung von Sildenafil zu einer verstärkten Durchblutung des Gebärmuttergewebes (
Dzieciol 2014a).