Spezielles zu den einzelnen Tierarten
Pferd
Cisaprid verursacht beim Pferd eine dosisabhängige, erhöhte Aktivität des Magens, Dünndarms, Jejunums und Ileums, sowie des grossen und kleinen Colons (
Boothe 2001a;
Edens 1997a).
Hund
Beim Hund beschleunigt Cisaprid die Magenentleerung, indem es die motorische Aktivität des Pylorus und des Duodenums erhöht, die antropyloroduodenale Koordination verbessert, und die Verbreitung der duodenalen Kontraktionen steigert. Da beim Hund der gesamte Ösophagus aus quergestreifter Muskulatur besteht, stimuliert Cisaprid die Ösophagusperistaltik nicht (
Washabau 1995a).
Katze und Meerschweinchen
Bei den Tierarten, bei denen die distale Ösophagusmuskulatur aus glatter Muskulatur besteht (z.B. Katze, Meerschweinchen, Mensch), stimuliert Cisaprid auch die distale ösophageale Peristaltik (
Washabau 1995a).
Ratte
Cisaprid ist ein potentes Prokinetikum des Magens und ist bei der Ratte 8-mal wirkungsvoller als
Metoclopramid. Dafür scheint der Darm bei dieser Tierart für die motorisch stimulierende Wirkung der Benzamide nicht ansprechbar zu sein (
Megens 1991a).
Wirkungsort
Cisaprid führt zu einer Freisetzung von Acetylcholin (ACh) aus enteralen Neuronen im Plexus myentericus (
Edens 1997a;
Megens 1991a). Dies kommt durch eine Wirkung an den 5-HT
4-Rezeptoren der Nervenendigungen von cholinergen Interneuronen und motorischen Neuronen zustande (
Valk 1998a).
Wirkungsmechanismus
Es scheint eine indirekte Stimulation der postganglionären cholinergen Nerven im Plexus myentericus stattzufinden (
Boothe 2001a). Dies führt zu einer Freisetzung von ACh (
Edens 1997a;
Dowling 1995a). Eine Stimulation der Acetylcholinrezeptoren (nikotinerge oder muskarinerge) findet dabei aber nicht statt, und die Aktivität der Acetylcholinesterase wird nicht gehemmt (
Plumb 1999a;
Megens 1991a).
Serotoninrezeptoren
Serotonin (5-Hydroxytryptamin) weist am Plexus myentericus eine inhibitorische Wirkung auf, die durch Cisaprid antagonisiert zu werden scheint (
Steel 1998a).
Bezüglich den Serotoninrezeptoren ist Cisaprid ein Agonist an den 5-HT
4- und ein Antagonist an den 5-HT
3-Rezeptoren (und auch an den 5-HT
1-Rezeptoren (
Valk 1998a)), die beide im Darmnervensystem lokalisiert sind. Die Stimulation der 5-HT
4-Rezeptoren führt zu einer gesteigerten Freisetzung von Acetylcholin aus postganglionären Nervenendigungen im intramuralen Plexus und dadurch zu einer Zunahme des Tonus der glatten Muskulatur und der propulsiven Peristaltik. Die motilitätssteigernde Wirkung bei diesem Benzamid ist deshalb durch
Atropin hemmbar (
Forth 1998a;
Brunton 1995a;
Valk 1998a).
Die Bedeutung der 5-HT
3-Rezeptoren für die gastrointestinale Motilität ist unklar. Es gibt Hinweise auf eine Hemmung der Colonmotilität durch 5-HT
3-Antagonisten; dies würde erklären, warum als unerwünschte Wirkung nach Ondansetron und Tropisetron gelegentlich eine Obstipation auftritt (
Forth 1998a).
Dopaminrezeptoren
Im Gegensatz zu
Metoclopramid zeigt Cisaprid keine dopaminantagonistische Wirkung (
Brunton 1995a;
Boothe 2001a;
Orihata 1994a;
Megens 1991a) und führt daher nicht zu extrapyramidalen Nebenwirkungen (
Boothe 2001a;
Dowling 1995a). Auch die antiemetische Wirkung bleibt daher aus (
Dowling 1995a).
Cisaprid ist somit wirksam, wenn die verzögerte Magenentleerung auf zu schwache gastropyloroduodenale Kontraktionen oder zu geringe antropyloroduodenale Koordination zurückzuführen ist (
Orihata 1994a).
Hund
Beim Hund stimulieren die Benzamide den oberen GI-Trakt nicht über eine antagonistische Wirkung an den 5-HT
3-Rezeptoren, wie dies bei Ratten und Meerschweinchen der Fall ist (
Gullikson 1991a).
Ratte
Bei der Ratte führt eine selektive antagonistische Wirkung an den 5-HT
3-Rezeptoren zu einer erhöhten Magenentleerung (
Gullikson 1991a).
Katze
Bei der Katze stimuliert Cisaprid direkt die Motilität der glatten Muskulatur. Es handelt sich hier um einen nicht-cholinergen Wirkungsmechanismus (
Cook 1997a).
Meerschweinchen
Beim Meerschweinchen führt eine selektive antagonistische Wirkung an den 5-HT
3-Rezeptoren zu einer erhöhten Magenentleerung (
Gullikson 1991a). Die stimulierende Wirkung auf die glatte Muskulatur des Colons ist durch
Atropin nicht, und nur teilweise durch Tetrodotoxin hemmbar, was darauf hinweist, dass diese Wirkung durch einen nicht-cholinergen Mechanismus zustande kommt. Der genaue nicht-cholinerge Wirkungsmechanismus ist dabei noch nicht bekannt, könnte aber eine Wirkung an den 5-HT-Rezeptoren der glatten Muskelzellen des Colons beinhalten (
Washabau 1995a).
Pferd / Rind
Auch bei Pferden und Kühen koordiniert Cisaprid die GI-Motilität über die Wirkung an den 5-Hydroxytryptamin-Rezeptoren (
Boothe 2001a).
Zusammenfassung der Wirkungsmechanismen von Cisaprid
Cisaprid zeigt einen 5-HT
4-Agonismus und einen 5-HT
3- und 5-HT
1-Antagonismus auf enterale cholinerge Neuronen, eine nicht-5-HT-Wirkung auf antrale cholinerge Neuronen, eine direkte nicht-cholinerge Wirkung auf die glatte Muskulatur des Colons und einen 5-HT
4-Agonismus auf Rezeptoren im Gehirn, dem atrialen Myokardium und anderen visceralen Geweben (
Washabau 1995a). Gastrointestinale Sekretionen werden durch Cisaprid nicht beeinflusst (
Guslandi 1989a;
Schuurkes 1990a;
Plumb 1999a). Cisaprid erleichtert die cholinerge Neurotransmission in der Magenwand. Dies führt zu einer selektiven Verbesserung der motorischen Funktion und zu einer Beschleunigung der Magenentleerung (
Schuurkes 1990a). Die dopaminantagonistische Aktivität von Cisaprid ist geringer als diejenige von
Metoclopramid (
Plumb 1999a).
Weitere Effekte
Extragastrointestinale Wirkung durch den 5-HT4-Agonismus:
Aktivierung der atrialen, myokardialen 5-HT
4-Rezeptoren führt zu einer erhöhten Herzfrequenz, nicht aber zu Inotropie. Die klinische Relevanz dieser Wirkung ist in der Veterinärmedizin noch nicht geklärt.
5-HT
4-Rezeptoren wurden bei verschiedenen Säugetieren (Rhesusaffe, Schaf, Rind, Mensch) auch im ZNS, dem Nebennierencortex, der Harnblase, dem Nervus vagus und den pulmonalen Venen gefunden. Ihre physiologische Bedeutung und die agonistische Wirkung von chronisch verabreichtem Cisaprid ist aber noch nicht geklärt. Da Cisaprid die Blut-Hirn-Schranke nur schlecht passiert, ist die Wirkung auf die zentralen 5-HT
4-Rezeptoren nicht von klinischer Bedeutung (
Washabau 1995a).