Eigenschaften
Carprofen ist ein nichtsteroidales Antiphlogistikum mit starker analgetischer, antipyretischer und antiphlogistischer Wirkung (Strub 1982a; Schatzmann 1992a; Schatzmann 1990a; Lees 1991d; McKellar 1994a; Johnson 1993a; Nolan 1993a; Randall 1976a; Hope 1983a; Taylor 1996a).Hinsichtlich der entzündungshemmenden Eigenschaften ist Carprofen äquipotent zu Indometacin, Piroxicam und Diclofenac und wesentlich wirksamer als Phenylbutazon, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure.
In einer Studie an Pferden wurde die postoperative analgetische Potenz von Carprofen als jener von Flunixin und Phenylbutazon entsprechend beschrieben. Hierbei befand sich die Wirkdauer von Carprofen (11,7 h) zwischen den beiden Zeiten von Flunixin (12,7 h) und Phenylbutazon (8,4 h) (Johnson 1993a).
Die Hemmung der Thrombozytenaggregation und die Induktion gastrointestinaler Ulzera ist bei Carprofen 10 - 25 Mal weniger wahrscheinlich als bei Indometacin (Gaut 1975a; Hodge 2000a).
Wirkungsmechanismus und -ort
Allgemein
Alle nichtsteroidalen Entzündungshemmer bewirken eine Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase, welches die Umwandlung der Arachidonsäure zu Prostaglandinen und anderen Eicosanoiden (Prostacyclin, Thromboxan) vermittelt. Man unterscheidet zwei Isoenzyme der Cyclooxygenase: die Cyclooxygenase-1 (COX-1) und die Cyclooxygenase-2 (COX-2).Das Enzym Cyclooxygenase-1 ist ein konstitutives Enzym und in relativ konstanter Konzentration in vielen Geweben, wie z.B. Thrombozyten, Endothelzellen, glatte Muskelzellen, Niere und Magen, zu finden. Dieses sogenannte "housekeeping enzyme" ist für die physiologischen Schutzfunktionen der verschiedenen Organe verantwortlich.
Die Cyclooxygenase-2 wird durch eine Entzündung, bzw. durch pro-inflammatorische Cytokinine, bakterielle Lipopolysaccharide oder Tumornekrosefaktoren induziert und bildet innerhalb kurzer Zeit grosse Mengen entzündungsfördernde Prostaglandine, welche wiederum zu den klassischen Entzündungssymptomen, wie Erythem, Schwellung und Schmerz führen.
Der entzündungshemmende Effekt der nichtsteroidalen Entzündungshemmer beruht also auf einer Hemmung der COX-2, während die unerwünschten Nebenwirkungen auf die Hemmung der COX-1 zurückzuführen sind (Kay-Mugford 2000a; Moncada 1975a; Poulsen Nautrup 1999a; Vane 1998a).
Diese Erkenntnis war die Basis der Entwicklung spezifischer COX-2-Inhibitoren als neue Klasse antiinflammatorischer und analgetischer Substanzen mit verbesserter Verträglichkeit. In den letzten Jahren zeigte sich jedoch, dass sich das einfache Konzept einer ausschliesslich proinflammatorisch induzierbaren COX-2-Isoform nicht mehr halten lässt. So konnte gezeigt werden, dass die Cyclooxygenase-2 in verschiedenen Organen (Ovarien, Uterus, Gehirn, Rückenmark, Niere und Knochen) ebenfalls konstitutiv exprimiert wird und dort physiologische Funktionen ausübt. So ist die renale COX-2 in die Regulierung des Angiotensinsystems, sowie in die glomeruläre Hämodynamik involviert. Ausserdem scheint die hormonelle Induktion von COX-2 eine wichtige Rolle bei der Ovulation, der Nidation des befruchteten Eis, sowie bei der für den Aufbau der Plazenta notwendigen Angiogenese zu spielen. Ebenfalls involviert sind die COX-2-abhängigen Prostaglandine in die Induktion der Uteruskontraktionen und den Geburtsvorgang (Hinz 2000b).
Des Weiteren spielt die endotheliale COX-2 eine vasoprotektive und antiatherogene Rolle. Insbesondere Prostazyklin, das Hauptprodukt des endothelialen Eicosanoidstoffwechsels, ist ein potenter Inhibitor von Plättchenaggregation, Leukozytenaktivierung und -adhäsion, Gefässmuskelkontraktion sowie Cholesterolansammlung in Gefässzellen. Es wurde beobachtet, dass die COX-2-Expression in Endothelzellen und Myozyten von infarktgeschädigten Myokard hochreguliert wird. Somit wird vermutet, dass eine alleinige Hemmung der COX-2-abhängigen Prostazyklinproduktion bei uneingeschränkter Aggregierbarkeit der Thrombozyten (infolge fehlender Hemmung der COX-1-abhängigen Thromboxansynthese) vaskuläre Konsequenzen (thromboembolische Ereignisse) zur Folge haben kann (Hinz 2000b; Mukherjee 2003a).
Speziell
Der genaue Wirkungsmechanismus von Carprofen ist noch nicht vollständig bekannt (Lees 1991d). Es wird lediglich eine schwache Hemmung des Enzymes Cyclooxygenase (COX) vermutet, wobei die Aktivität der COX-2 je nur etwa 1,75-fach stärker inhibiert wird als die der COX-1. In verschiedenen Studien an Pferden, Hunden und anderen Versuchstieren, konnten eine geringe oder keine Hemmung der Thromboxan B2-Bildung der Blutplättchen und der Prostaglandin E2-Synthese im Entzündungsexsudat nachgewiesen werden, obwohl eine deutliche Entzündungshemmung erzielt werden konnte.Ein Teil der entzündungshemmenden Aktivität von Carprofen beruht auf einer Hemmung der Phospholipase A2. Dieses Enzym katalysiert die Freisetzung der Arachidonsäure von zellulären Phospholipiden und gibt damit die Ausgangssubstanz der Prostaglandinsynthese frei. Durch die Blockade der Freisetzung von Arachidonsäure kommt es zu einem Mangel dieses Prostaglandin-Precursors. Dadurch wird die Prostaglandinsynthese reduziert, was eine direkte Entzündungshemmung zur Folge hat (Hope 1983a; Strub 1982a; McKellar 1994a; Johnson 1993a; Teelmann 1983a; Lascelles 1994a; Lees 1994a; Kay-Mugford 2000a).
Die kommerziell erhältliche Formulierung von Carprofen liegt als Racemat vor (Lees 1991d; Delatour 1994a; Taylor 1996a). Das R(-)Enantiomer ist weniger aktiv, fast die gesamte Wirkung des Racemat wird durch das S(+)Enantiomer verursacht (Lees 2004b; Ricketts 1998a).
Beim Pferd ist Carprofen in der empfohlenen Dosierung von 0,7 mg/kg nur ein geringer Hemmer von COX-1 und COX-2. Bei einer höheren Dosis (4 mg/kg) erfolgt eine moderate Hemmung von COX-1 und eine deutliche Hemmung von COX-2. Das weist auf eine gewisse COX-2 Selektivität hin (Lees 2004b).
In anderen Studien wurde nachgewiesen, dass das S(+)Enantiomer eine hohe COX-2 Selektivität beim Hund, nicht jedoch beim Pferd aufweist. Das R(-)Enantiomer ist sowohl beim Hund, als auch beim Pferd weniger potent gegenüber beiden COX-Isoformen (Lees 2004a; Delatour 1994a; Ricketts 1998a).
Bei der Katze zeigt S(+)Carprofen ebenfalls eine relative hohe COX-2 Selektivität (IC80COX-1 : IC80COX-2 = 64,9), bei einer 80%igen Hemmung der COX-2 werden nur 5% der COX-1 inhibiert. Wird eine Dosis von 4 mg/kg Carprofen(±) verabreicht, beträgt die Hemmung der COX-2 beim Erreichen der maximalen Plasmakonzentration (36,5 µg/ml) 100%, jene der COX-1 44,4% (Lees 2004b).
Weitere Effekte
Zusätzlich zu der entzündungshemmenden Aktivität von Carprofen wurde in einer experimentellen Studie an Chondrozyten-Zellkulturen ein direkter Einfluss des Wirkstoffes auf die Aktivität der Chondrozyten von Hunden festgestellt. Carprofen stimuliert signifikant die Glykosaminoglycan-Syntheserate und übt einen positiven Einfluss auf die Synthese der Knorpelmatrix aus. Bei Konzentrationen von 20 µg/ml Carprofen in Knorpel-Zellkulturen wurde jedoch ein hemmender Effekt auf die Glukosaminoglykan-Synthese durch Chondrozyten festgestellt (Benton 1997a).Bei in-vitro-Studien mit equinen Gelenksknorpel konnte ebenfalls eine Stimulation der Proteoglykansynthese beobachtet werden. Sehr hohe Carprofenkonzentrationen hemmten jedoch die Synthese von Proteoglykanen (Frean 1999a).
Caprofen moduliert sowohl humorale als auch zelluläre Immunreaktionen. Dies führt zur Synthesehemmung des IgM-Rheumafaktors durch mononukleäre Zellen und damit zur Reduzierung rheumatoider Entzündungen (Ceuppens 1982a).