Wirkungsort
Cimetidin wirkt an den H
2-Rezeptoren der Belegzellen im Magen (
Ungemach 1999c;
Allen 1993a). Von den H
2-Blockern kann allgemein gesagt werden, dass sie ziemlich spezifisch sind und nur minimale Wirkungen an den H
1-Rezeptoren aufweisen. Die H
2-Blocker finden primär Anwendung zur Hemmung der histamininduzierten Magensäuresekretion; zusätzlich wirken sie aber auch über eine Hemmung der gastrin- und cholinerg-induzierten Säuresekretion. Weitere H
2-Rezeptoren sind auch in anderen Organen, wie z.B. in der Lunge und im Herz, vorhanden (
Holland 1997b).
Wirkungsmechanismus
Durch die kompetitive und dosisabhängige Hemmung am H
2-Rezeptor der Belegzellen wird die Wirkung des Histamins verhindert und es kommt zu einer verminderten Magensäurefreisetzung, und zwar sowohl unter Ruhebedingungen, als auch nach Stimulation durch Nahrung, Pentagastrin, Actetylcholin, Histamin oder Insulin (
Plumb 1999a;
Allen 1993a;
Baker 1993a). Histamin hat neben Acetylcholin und Gastrin eine wichtige Funktion bei der Magensäuresekretion (
Lorenz 1992a). Die H
2-Blocker sind hoch selektiv und praktisch ohne Wirkung auf die H
1-Rezeptoren. Obwohl die H
2-Rezeptoren weitgehend über den ganzen Körper verteilt sind, scheinen die extragastrischen Rezeptoren von untergeordneter physiologischer Bedeutung zu sein (
Allen 1993a).
Immunsystem
Cimetidin wirkt immunmodulierend, indem es die durch T-Suppressorzellen herbeigeführte Immunsuppression umkehrt (
Plumb 1999a). Im Verlaufe einer chronischen Infektion werden von den T-Suppressorzellen vermehrt immunsupprimierende Substanzen gebildet. Durch die Hemmung der H
2-Rezeptoren an den T-Suppressorzellen verhindert Cimetidin diese Wirkung und führt dadurch zu einer indirekten Immunstimulation (
Bigler 1994a;
Allen 1993a). Diese Wirkung wird therapeutisch bei der chronischen Pyodermie und anderen rezidivierenden Dermatosen ausgenutzt, bei welchen Cimetidin zusammen mit den Antibiotika verabreicht wird (
Allen 1993a).
Melanome
Cimetidin zeigt bei einigen Tumoren, inklusive dem malignen Melanom, antitumoröse Wirkung. Die Aktivierung der T-Suppressorzellen wird durch Cimetidin verhindert, indem es an die H
2-Rezeptoren der T-Suppressorzellen bindet. Es gibt Studien, welche die nützliche Wirkung von Cimetidin zur Therapie von progressiven, multifokalen gutartigen, und auch von malignen, kutanen sowie abdominalen Melanomen beim Pferd zeigen. Die Anzahl und Grösse der Melanome wurde bei 4 von 6 Pferden um 40 - 90% vermindert. Bei 5 Pferden erfolgte eine Stabilisierung der progressiven Erkrankung. Bei 5 von 6 Pferden wurde diese antitumoröse Wirkung nach 3 - 4 Monaten beobachtet. Die immunologische Kaskade, welche für die Tumorantwort benötigt wird, braucht Zeit, und die Wirkung von Cimetidin erfolgt daher nur langsam. Dies steht im Gegensatz zu den schneller wirksamen zytotoxischen Arzneimitteln. Auch die zeitliche Verabreichung und die Dauer der Behandlung sind noch nicht ganz klar. Da auch schon nach niedrigen Dosierungen eine klinische Wirksamkeit erreicht wurde, sind hohe Dosen nicht notwendig. Auch in einer anderen Studie wurde eine positive Reaktion auf die Cimetidintherapie bezüglich Melanomgrösse und Anzahl der Tumore beschrieben. Die Reduktion betrug jedoch nicht mehr als 50% (
Jeglum 1997a;
Goetz 1990a). Es werden aber auch Fälle beschrieben, wo der Einsatz von Cimetidin keine Wirkung auf die Melanome zeigte (
LeRoy 2005a;
MacGillivray 2002a;
Murray 1997d;
Creagan 1985a).
In der Humanmedizin konnte ein antineoplastischer Effekt von Cimetidin bei der Behandlung von Kolorektalen Tumoren, Melanomen und Nierenzellkarzinomen nachgewiesen werden. Es wird ausserdem angenommen, dass Cimetidin auch eine Rolle bei der Chemoprävention des Hepatozellulären Karzinoms spielen könnte. Der genaue Mechanismus dieser Wirkung ist noch nicht vollständig geklärt. Cimetidin hemmt über eine Absenkung des intrazellulären cAMP-Gehaltes die durch den epidermalen Wachstumsfaktor (EGF) induzierte Zellproliferation und -migration in einigen Zelllinien des hepatozellulären Karzinoms (
Fujikawa 2007a).
Hormone
Cimetidin bindet an die Androgenrezeptoren und kann sexuelle Dysfunktionen wie z.B. Impotenz oder Gynäkomastie verursachen (
Allen 1993a). Diese antiandrogene Wirkung ist jedoch nur schwach ausgeprägt (
Plumb 1999a). Beim Mann wurde Cimetidin als Ursache für Unfruchtbarkeit beschrieben: verminderte Spermienanzahl, Libidoverlust und verminderte Plasamtestosteronkonzentration (
Allen 1993a).
Leber
Cimetidin reduziert die Leberdurchblutung um ca. 20%. Zudem hemmt es die mikrosomalen Enzyme und vermindert die Metabolisierung zahlreicher anderer Arzneimittel (
Boothe 2001a).
Herz
Histamin erhöht den kardialen Automatismus. Cimetidin blockiert Histamin und kann zu Bradykardie, Hypotension und Herzstillstand führen (
Allen 1993a).