MAO-Hemmer
Selegilin ist ein Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer) (
Demuth 2003a). Die Monoaminoxidase ist ein Enzym, das die oxidative Deaminierung der biogenen Amine bewirkt. Es gibt zwei Formen, die MAO-A, welche intraneuronal lokalisiert ist und vorwiegend Noradrenalin und Serotonin metabolisiert und die MAO-B, welche extraneuronal liegt (zum Beispiel in Astrogliazellen) und Phenylethylamin und Dopamin abbaut (
Sanders-Bush 2001a;
Seksel 2002a).
In niedrigen Dosierungen ist Selegilin ein spezifischer Hemmstoff der
MAO-B (
Seksel 2002a;
Braddock 2003a). Durch eine erhöhte Synthese und Freisetzung von Dopamin und einer Hemmung der Wiederaufnahme des Amins in dopaminerge Neurone (
Seksel 2002a;
Bruyette 1997a) kommt es zu einer Anreicherung von Dopamin im synaptischen Spalt (
Greco 2003a). In höheren Dosen wird auch die
MAO-A gehemmt (
Standaert 2001a).
Hemmstoffe der MAO-B werden in der Humanmedizin zur Behandlung des Morbus Parkinson eingesetzt (
Seksel 2002a;
Boothe 2001g), der charakterisiert ist durch einen Dopaminmangel (
Löscher 2003a). In hohen Dosen hat Selegilin bei diesen Patienten eine antidepressive Wirkung (
Baldessarini 2001a), die auf eine Hemmung der MAO-A und nicht der MAO-B zurückgeführt wird (
Baldessarini 2001a). Beim Hund wird zur Therapie von Verhaltensstörungen 0,5 - 1 mg/kg angewendet (
Kraft 1999a) und gemäss Milgram et al. wird ab einer Dosierung von 1 mg/kg die MAO-A gehemmt (
Milgram 1993a). Gemäss einigen Autoren kommt es auch in hohen Dosen zu keiner Hemmung der MAO-A, und die erhöhte Konzentration von Phenylethylamin (
Leveque 1998a;
Campbell 2001a), einem endogenen Neuromodulator der durch MAO-B abgebaut wird und in hohen Konzentrationen amphetaminartige Wirkungen hat, die Ursache ist für die Verhaltenseffekte von Selegilin (
Löscher 2003a). Zusätzlich kann Phenylethylamin auch indirekt die dopaminerge Übertragung fördern (
Schöning 2002a).
Die Metaboliten von Selegilin, Amphetamin und Metamphetamin können ebenfalls an der Wirkung beteiligt sein (
Seksel 2002a), indem sie die Freisetzung von Noradrenalin und Dopamin fördern (
Ebert 2002a). Ausserdem führt Amphetamin zu einer erhöhten körperlichen Aktivität (
Head 1992a).
Neuroprotektion
Unabhängig von der MAO-hemmenden Wirkung erhöht Selegilin die Aktivität der Superoxiddismutase und -katalase im ZNS, welche freie Radikale binden können (
Seksel 2002a;
Heath 2002a;
Ivy 1994a;
Kitani 1998a;
Schöning 2002a). Ausserdem wird die MAO-katalysierte Oxidation von Dopamin gehemmt, wodurch die Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies verhindert werden kann (
Göthert 2001a). Selegilin reduziert so Schäden an Neuronen, die durch diese reaktiven Produkte bedingt sind (
Boothe 2001f). Ausserdem wirkt Selegilin neuroprotektiv (
Kitani 1998a), indem es den programmierten Zelltod hemmt, die Synthese von Nervenwachstumsfaktoren fördert (
Heath 2002a) und die Nervenheilung begünstigt (
Ruehl 1997a). Selegilin kann somit die kognitiven Funktionen verbessern (
Milgram 1993a;
Ivy 1994a), die Progression einer neurodegenerativen Erkrankung verlangsamen (
Heath 2002a) und die Anzahl freier Radikale erniedrigen, die zum Alterungsprozess beitragen (
Leveque 1998a).
Hemmung der ACTH (Adreno-Corticotropes-Hormon)
Aeltere Hunde haben vermehrt einen Dopaminmangel oder einen gesteigerten Dopaminmetabolismus im Gehirn (
Campbell 2001a). Da Dopamin normalerweise die ACTH-Sekretion hemmt (
Bruyette 1997a) kommt es somit zu einer erhöhten Sekretion von ACTH (
Bruyette 1995a). Damit wird die Entstehung eines hypophysären Cushings begünstigt (
Plumb 2002a). Selegilin kann durch die Hemmung der MAO-B die Produktion von Dopamin erhöhen und somit die ACTH-Ueberproduktion hemmen (
Peterson 1994a;
Church 2002a;
Boothe 2001g;
Peterson 2001a). Der MAO-Hemmer kann damit zur Behandlung einer unkomplizierten hypophysären Cushingerkrankung verwendet werden (
Feldman 2000a;
Boothe 2001f;
Bruyette 1997a;
Bruyette 1995a;
Peterson 2001a). Der Erfolg der Therapie ist aber sehr umstritten (
Plumb 2002a), gemäss Reusch et al. sprechen nur 20% der Hunde darauf an (
Reusch 1999a).
Regulation der Wachstumshormone
Dopaminagonisten wie Selegilin regulieren die überschiessende Produktion von Wachstumshormonen. Als Therapie bei einer Akromegalie führt Selegilin aber nicht zum Erfolg (
Abraham 2002b).