Wirkungsmechansimus
Die salinischen Abführmittel stimulieren die Motilität über eine Reflexwirkung die über einen Dehnungsreiz im Darm erfolgt. Die Magnesium- und Sulfationen werden schlecht absorbiert und zeigen daher eine osmotische Wirkung, die eine Verschiebung des Wassers aus dem Plasma ins Intestinallumen bewirkt. Durch die Volumenzunahme der Ingesta wird die Mukosa gedehnt und die mechanischen Rezeptoren, die eine reflexartige erhöhte Peristaltik bewirken, werden stimuliert (
Davis 1993a;
Plumb 1999a;
Ungemach 1999c). Magnesiumsalze scheinen zusätzlich über eine Freisetzung von Cholecystokinin, ein Hormon, das seinerseits die intestinale Sekretion und Motilität stimuliert, stimulierend auf die Darmperistaltik zu wirken (
Ungemach 1999c;
Plumb 1999a;
Boothe 2001a). Neue Daten lassen vermuten, dass die Magnesiumionen die Transitzeit direkt vermindern; der Mechanismus ist allerdings noch nicht genau bekannt (
Plumb 1999a).
Gastrointestinaltrakt
Magnesiumsulfat gehört zu den salinischen Laxantien in der Übergruppe der osmotischen Laxantien (
Ungemach 1999c;
Plumb 1999a). Abführmittel beschleunigen die Passage des Darminhalts und führen dosis- oder substanzabhängig zur Ausscheidung von weichen, geformten bis hin zu flüssigen Faeces (
Ungemach 1999c). Die Peristaltik wird sowohl im Duodenum als auch im Colon stimuliert (
Plumb 1999a).
Gallenblase
Magnesiumsulfat wirkt direkt stimulierend auf die motorische Aktivität der Gallenblase und ist somit ein Cholekinetikum. Es relaxiert den Oddi-Sphinkter (Musculus sphincter ampullae hepatopancreaticae) und erhöht die Cholezystokininplasmakonzentration. Dies führt zu einer Kontraktion der Gallenblase (
Sterczer 1996a).
Kardiovaskuläres System
Die antagonistische Wirkung von Magnesium gegenüber der Kontraktiliät der Gefäss- und Herzmuskulatur führt zu verschiedenen kardiovaskulären Veränderungen (
Henninger 1997a).
Herz
Magnesiumsulfat ist ein physiologischer Calciumcanalblocker (
Marr 1997a). Am Herzen kommt es, ähnlich der Wirkung von Kalium, zu einer verzögerten Erregungsleitung (
Ungemach 1999a). Die Magnesiumionen bewirken an der Herzmuskulatur eine Verlangsamung der Impulsbildungsfrequenz am Sinusknoten und verlängern die Überleitungszeit. Die i.v.-Verabreichung von Magnesium verlängert das PR-Intervall, das Atrio-Hisbündel-Intervall, die anterograde effektive Refraktärzeit am AV-Knoten und die Sinoatriale Überleitungszeit (
McEvoy 1992a).
Gefässe
In der Peripherie führt Magnesium zu einer Vasodilatation. Mässige Dosen führen zu Schwitzen und Wallungen, höhere Dosen verursachen einen milden vorübergehenden Blutdruckabfall (
McEvoy 1992a;
Bolan 1985a). Obwohl die genaue Wirkung von Magnesiumsulfat auf die cerebralen Gefässe noch nicht bekannt ist, zeigen Studien bei Tieren, dass es zu einem erhöhten cererbralen und retinalen Blutfluss sowie zu einer Gefässdilatation kommt (
Ludbrook 1999a).
Hund
Beim Hund führt die i.v.-Verabreichung von 0,1 - 0,2 Milliäquivalent (meq)/kg Magnesiumsulfat zu keinen hämodynamischen Veränderungen. Nach kumulativen Dosierungen von 2,0 meq/kg kommt es aber zu folgenden Veränderungen: Serumkonzentrationen bis 12,2 mÄquivalent/l werden mit erhöhtem kardialen Output, erhöhter Herzfrequenz, myokardialer Kontraktilität und lusitroper Wirkung in Zusammenhang gebracht. Bei höheren Konzentrationen wird die inotrope Wirkung und die Herzfrequenz vermindert und die lusitrope Wirkung steigt an. Der Mechanismus der beschleunigten Herzfunktionen bei tieferen Dosen könnte durch eine verminderte parasympathische efferente Aktivität an den Sinusknoten erfolgen. Die darauf folgende Verminderung der Herzfrequenz bei höheren Dosen von Magnesium könnte durch die Sensibilisierung des Sinusknotens gegenüber dem normal zirkulierenden Acetylcholin, oder durch die direkte Hemmung der L-Typ Calciumkanäle durch Magnesium erfolgen. Der arterielle Blutdruck und die vaskuläre Resistenz werden vermindert, und das QT-Intervall sowie der QRS-Komplex dosisabhängig verlängert. Die Verlängerung des QT-Intervalls kommt durch die Blockierung der Calciumkanäle zustande und die Verlängerung des QRS-Komplex widerspiegelt die verminderte ventrikuläre Depolarisationsrate. Bis zu einer Dosierung von 3,9 meq/kg kommt es allerdings nicht zu gefährlichen Arrhythmien (
Nakayama 1999a).
Zentralnervensystem (ZNS)
Magnesium wirkt dämpfend auf das ZNS (
Ungemach 1999a). Wenn die parenterale Dosis gross genug ist, kann es zu Hypermagnesämie kommen, das ZNS wird gehemmt und die periphere neuromuskuläre Übertragung blockiert. Dadurch kommt es zu antikonvulsiven Wirkungen (
McEvoy 1992a).
Antikonvulsivum
Der genaue Wirkungsmechanismus der antikonvulsiven Wirkung von parenteral verabreichtem Magnesiumsulfat ist nicht bekannt. Ein Magnesiumüberschuss scheint allerdings die durch den motorischen Nervenimpuls freigesetzte Acetycholinmenge an den neuromuskulären Junctions zu vermindern (
McEvoy 1992a;
Bolan 1985a). Es könnte auch sein, dass die antikonvulsive Wirkung durch einen zentral blockierenden Mechanismus, oder durch eine Kombination der beiden ganannten Mechanismen, zustande kommt (
Bolan 1985a).
Muskulatur
Magnesium spielt eine wichtige Rolle bei der Erregungsübertragung der glatten Muskulatur und der Skelettmuskulatur (
Lindeman 1989a).
Glatte Muskulatur
Eine Erhöhung des extrazellulären Magnesiums führt zur Hemmung der uterinen Kontraktionen sowie zur Relaxation der Gefässmuskulatur. Eine verminderte extrazelluläre Magnesiumkonzentration dagegen führt zu einer verstärkten Muskelaktivität an den genannten Organen (
Lindeman 1989a).
In-vitro-Versuche zeigten, dass die Kontraktiliät der glatten Muskulatur durch die Antagonisierung des Calciumeinstroms und einer Mediatorfreisetzung verändert wird (
Yoshioka 2001a).
Skelettmuskulatur
Magnesium antagonisiert die Calciumfreisetzung an den neuromuskulären Junctions und hemmt die Freisetzung von Acetylcholin (
Henninger 1997a;
Ungemach 1999a). Hohe Magnesiumkonzentrationen vermindern die Sensibilität der motorischen Endplatte und unterdrücken die Erregbarkeit der Muskelmembranen. Dies kann zu einer neuromuskulären Paralyse führen (
Henninger 1997a).
Calciumhaushalt
Zwischen Magnesium und Calcium besteht eine enge Wechselwirkung: Calcium wirkt antagonistisch auf die kardialen und neuromuskulären Effekte von Magnesium. Ferner konkurrieren Calcium und Magnesium bei der enteralen Resorption. Durch die Stimulation der Parathormonsekretion wirkt Magnesium regulierend auf den Serumcalciumspiegel (
Ungemach 1999a). Die Erhöhung des PTH (Parathormons) ist ein Schutzmechanismus, der einen weiteren Calciumverlust verhindern kann (
Bolan 1985a). Magnesium senkt den Calciumspiegel; über den Wirkungsmechanismus gibt es jedoch unterschiedliche Meinungen:
1. | Es wird vermutet, dass Magnesium die Calciumbindungsstellen an den Endplatten der motorischen Neuronen negativ beeinflusst (Bolan 1985a). |
2. | Neuere Untersuchungen lassen eher vermuten, dass es durch eine magnesiuminduzierte Verminderung der Calciumreabsorption in den Henleschen Schleifen der Nieren zu einer Hypocalcämie kommt (Bolan 1985a). |
3. | Die antagonisierende Wirkung von Calcium bezüglich der hypermagnesiuminduzierten neuromuskulären Schwäche ist auf die Verdrängung des Magnesiums von den Zellmembranen zurückzuführen (Henninger 1997a). |
Die calciumantagonistischen Eigenschaften von Magnesium führen zu Vasodilatation, antiarrhythmischer Wirkung, Reduktion der Herzfrequenz und sympatholytischer Wirkung (
Yoshioka 2001a). Calcium antagonisiert die Symptome einer Hypermagnesämie. Eine tiefe Calciumkonzentration kann daher zu einer Verschlimmerung der Symptome einer Hypermagnesämie führen (
Henninger 1997a).
Uterus (Trächtigkeit & Geburt)
In der Humanmedizin wird Magnesiumsulfat zur Prävention und Therapie von Krämpfen infolge Präeklampsie (Gestose) und Eklampsie, sowie als starker Inhibitor der uterinen Kontraktilität angewendet (
American Medical Association 1986a;
Graves 1995a). Es verhindert die präsynaptische Freisetzung von Acetylcholin an den myoneuralen Junctions und vermindert die Amplitude des motorischen Endplattenpotentials. Uterine Kontraktionen werden durch eine direkte Wirkung an den Myometriumzellen verhindert und der uterine Blutfluss wird erhöht. Auch wenn Magnesiumsulfat in der Peripherie zu einer geringen Vasodilatation führt, ist die anithypertensive Wirkung nur schwach und unvorhersagbar. Deshalb muss zusätzlich ein antihypertensives Arzneimittel (üblicherweise Hydralazin) verabreicht werden. Magnesiumsulfat sollte ausschliesslich an Patienten verabreicht werden, die eine ausgeprägte Blutdruckerhöhung zusammen mit einer unmittelbaren, oder erst kürzlichen Eklampsie aufweisen. Weniger schwerwiegende hypertensive Veränderungen sprechen gut auf die Therapie mit alpha- und beta-adrenergen Blockern an. Bei Patienten mit Diabetes, Hyperthyreoidismus oder Hypertension ist Magnesiumsulfat jedoch den beta-adrenergen Agonisten vorzuziehen. Grundsätzlich gilt Magnesiumsulfat als sicheres Arzneimittel. Es kann aber zu vorübergehendem Verlust der tiefen Muskelreflexe der Mutter und zu Verminderung der Skelettmuskelaktivität beim Neonaten kommen (
American Medical Association 1986a).
Bronchien & Lunge
Magnesiumsulfat wirkt als spannungssensibler Calciumkanalblocker bronchodilatatorisch. Eine durch Hypokapnie ausgelöste Bronchokonstriktion kann mittels Magnesiumsulfat abgeschwächt werden (
Lindeman 1989a). Beim Hund wirkt es der Serotonin-induzierten Bronchokonstriktion nicht entgegen, dafür aber der pulmonalen Hypertension (
Yoshioka 2001a).