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Eigenschaften

Ketamin bewirkt eine Dissoziation zwischen dem thalamischen und limbischen System (Martyn 1987a). Das unter Monoanästhesie typische Phänomen der dissoziativen Anästhesie weicht vom gewohnten Bild der Narkose ab und kann als ein unvollständiger Bewusstseinsverlust mit fehlender Assoziations- und Kooperationsfähigkeit bezeichnet werden (Adams 1997a).
 

Pharmakologisches Profil (Mensch)

- Anästhesie mit ausgeprägter somatischer Analgesie schon bei subdissoziativer Dosierung (Adams 1997a; Plumb 1999a)
- Geringe hypnotische Potenz
- Grosse therapeutische Breite
- Sympathomimetische Wirkung mit einem Anstieg von Blutdruck, Herzfrequenz und myokardialem Sauerstoffverbrauch
- Spontanatmung und der Schutzreflexe werden minim beeinflusst
- Geringe Organtoxizität
- Häufige und mit Angst einhergehende Traumreaktionen bei Monotherapie
- Hypersalivation (Adams 1997a).
- Offene Augen verbunden mit Nystagmus (Martyn 1987a).
- Die Möglichkeit zur intramuskulären Applikation und zur Anwendung als "Monoanästhetikum"; jedoch nur in Ausnahmesituationen: z.B. Narkoseeinleitung bei Patienten im Schock, bei stark reduziertem Allgemeinbefinden, bei manifestem Asthma bronchiale oder intramuskuläre Einleitung bei unkooperativen Patienten (Adams 1997a).
- Unabhängig von der Anästhesietiefe können Spontanbewegungen auftreten. Jedoch sollten Abwehrbewegungen während dolenten Eingriffen mit einer ungenügenden Analgesie und Anästhesie begründet werden (Martyn 1987a).

 
Die Wirkungsorte und Wirkmechanismen dieser vielschichtigen Effekte sind nicht vollständig geklärt. Zunächst wurde festgestellt, dass Ketamin über deutliche lokalanästhetische und gewisse antiarrhytmische Eigenschaften verfügt. Weitere Untersuchungen führten zum Ergebnis, dass Ketamin die periphere Wiederaufnahme von Katecholaminen hemmt und damit die periphere monoaminerge Übertragung verstärkt. Neben der peripheren wird jedoch insbesondere die zentrale monoaminerge Übertragung stimuliert. Ketamin wirkt weiterhin auch auf das cholinerge System; dies betrifft sowohl die zentrale als auch die neuromuskuläre Übertragung. In diesem Zusammenhang wurde über antagonistische Eigenschaften von Physostigmin berichtet; darüber hinaus ist eine gewisse Antagonisierung mit 4-Aminopyridin möglich (Martyn 1987a).

 

Wirkungsort

Unterschiede zwischen R- und S-Ketamin

Das (S)-Enantiomer des Racemates Ketamin bindet etwa dreimal stärker an die Phencyclidin-Bindungsstelle (NMDA-Rezeptoren) als das (R)-Enantiomer; zudem weist das (S)-Enantiomer eine etwa dreifach höhere Affinität zu den μ- und κ-Opioid-Rezeptoren auf und ist deshalb auch etwas stärker analgetisch wirksam. Das schwächer wirksame (R)-Enantiomer aktiviert dafür σ-Rezeptoren, wohingegen die Affinität des (S)-Enantiomers bezüglich dieser Rezeptoren deutlich geringer ist. Die Aktivierung der σ-Rezeptoren wird mit unangenehmen Träumen, Halluzinationen, Verwirrungszuständen und fehlendem Erinnerungsvermögen während der Aufwachphase in Zusammenhang gebracht (Hustveit 1995a; Hirota 1999a).
 

NMDA-Rezeptoren

Als entscheidender und klinisch relevanter Wirkmechanismus sind die relativ spät entdeckten Effekte an der Phenzyklidin-Bindungsstelle des N-Methyl-D-Asparat (NMDA)-Rezeptorkomplexes im ZNS zu werten. Der NMDA-Rezeptor ist ein komplexer Subtyp des Glutamatrezepors und verfügt über mehrere Bindungsstellen (Adams 1997a; Hirota 1996a; Kress 1994a).
 

Monoaminerge Übertragung

Sowohl nikotinerge wie auch muskarinerge Acetylcholin-Rezeptoren werden von Ketamin beeinflußt und sind von klinischer Relevanz (Kohrs 1998a).
 

Opioidrezeporen

Besonders eingehend wurden die Effekte des Ketamins auf die Opiatrezeptoren untersucht, weil damit eine naheliegende Erklärung für die Ketaminwirkung gesucht wurde. Trotz abweichender Befunde überwiegen die Hinweise auf eine zumindest teilweise Vermittlung der analgetischen und dysphorischen Ketaminwirkungen über Opiatrezeptoren. Diese Vermutung wird durch eine antagonistische Wirkung vom Opioidantagonisten Naloxon auf Ketamin gestützt (Adams 1997a).
 
Bei der extraduralen Anwendung von Ketamin muss man bedenken, dass die Affinität zu Opioid-Rezeptoren 10'000-fach geringer ist als jene von Morphinum. Es scheint unwahrscheinlich, dass die extradurale Ketaminanwendung via Opioid-Rezeptoren-Besetzung im Rückenmark analgetisch wirksam ist. Eine effektive extradurale Dosis von Ketamin löst wahrscheinlich systemische Nebenwirkungen aus. Diese sind vermutlich für die anästhetische Wirksamkeit von Ketamin verantwortlich (Hirota 1996a).
 
Eine definitive Zuordnung zu einem der bekannten Subtypen der Opiatrezeptoren ist bislang nicht möglich; derzeit wird die vorwiegende Wirkung auf κ-Rezeptoren diskutiert, was mit einer Erklärung für die psychomimetischen Wirkungen von Ketamin einherginge. Einflüsse auf die μ- und δ-Rezeptoren sind jedoch ebenfalls wahrscheinlich (Adams 1997a; Hirota 1996a).
 
Die intrathekale Anwendung von Ketamin wird nicht empfohlen, da keine analgetische Wirkung ohne systemische Nebenwirkungen eintritt (Hirota 1996a).
 

GABAA-Rezeptorkanal

Die Wirkung von Ketamin auf den GABA-LOC (LOC: ligand-operated ion channels) waren lange Zeit umstritten. In-vitro-Untersuchungen an GABAA-Rezeptorkanälen der Maus ergaben eine eindeutige Steigerung des GABA-induzierten LOC-vermittelten Chloridstroms unter Ketamin um durchschnittlich 56%. Damit wurde gezeigt, dass der GABAA-Rezeptorenkanal zumindest prinzipiell einen Wirkort von Ketamin darstellt (Kress 1994a).
 

Wirkmechanismus

Ketamin wirkt anästhetisch und löst durch Überstimulation des ZNS oder Induktion eines kataleptischen Stadiums eine Amnesie aus. Ketamin verhindert im ZNS die GABA-Freisetzung und vermutlich auch diejenige von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Das thalamoneocorticale System wird gedämpft, während das limbische System aktiviert wird. Ketamin wirkt anästhetisch in den Stufen I und II, aber nicht in der Stufe III (Plumb 1999a).
 
Zusammenfassung der verschiedenen Wirkmechanismen:

- nicht-kompetitive antagonistische Wirkung am NMDA-Rezeptor
- agonistische Effekte an den Opiatrezeptoren
- Einflüsse auf die zentrale und periphere monoaminerge Übertragung mit zentraler sympathomimetischer Wirkung
- Hemmung der peripheren Wiederaufnahme von Katecholminen mit Verstärkung endogener wie exogener Katecholamineffekte
- Einflüsse auf die zentrale und periphere cholinerge Übertragung durch Interaktion mit muskarinergen und nikotinaminergen Acetylcholin-Rezeptoren
- Hemmung spannungsgesteuerter neuronaler Natrium-Kanäle mit lokalanästhetischer Wirkung (Adams 1997a).

 

NMDA-Rezeptoren

Die Aminosäure Glutamat, als wohl wichtigster exzitatorischer Neurotransmitter des ZNS, bewirkt einen neuronalen Kalziumeinstrom, der als "second messenger" wiederum vielfältige intrazelluläre Prozesse induziert. Ketamin führt am NMDA-Rezeptor zu einer nicht-kompetitven Hemmung der Glutamatwirkung (Adams 1997a; Hirota 1996a; Kohrs 1998a). Zusätzlich interagiert Ketamin mit der Phenzyklidin-Bindungsstelle, was zu einer signifikanten Reduktion der NMDA-Rezeptor-Aktivität führt (Hirota 1996a).
 

NMDA-unempfindliche Glutamatrezeptoren

Ketamin hemmt die NMDA-unempfindlichen Glutamatrezeptoren. Dieser Effekt wird wahrscheinlich durch das Glutamat/NO/cGMP-System vermittelt. Die Ketamin-induzierte NO-Synthetaseinhibition ist vermutlich für die analgetische Wirkung verantwortlich. NO ist als Neurotransmitter, sowohl zentral als auch peripher wirksam (Kohrs 1998a).
 

Monoaminerge Übertragung

Ketamin verhindert die NMDA-Rezeptor abhängige Acetylcholin-Freisetzung. Die relaxierende postsynaptische inhibitorische Wirkung von Ketamin auf die nikotinaminergen Acetylcholin-Rezeptoren in der Skelettmuskulatur ist klinisch nicht immer manifest, da Ketamin den Muskeltonus durch zentrale Mechanismen steigert. Muskarinerge Rezeptoren werden ebenso gehemmt. Die Affinität zu muskarinergen Rezeptoren ist 10- bis 20-fach kleiner als jene zu den NMDA-Rezeptoren.
 

Opioidrezeporen

Verschiedene Studien zeigen, dass Ketamin sowohl als Antagonist beim μ-Rezepor, als auch als Agonist am κ-Rezepor wirkt (Hirota 1996a).
 

GABAA-Rezeptorkanal

Der GABAA-Rezeptorkanal stellt zumindest prinzipiell einen Wirkungsort von Ketamin dar (Kress 1994a). Jedoch sind die benötigten Konzentrationen höher, wie die normalerweise klinisch angewandten. Diese Erkenntnis ist jedoch von geringer klinischer Bedeutung (Kohrs 1998a; Kress 1994a).
 

Kardiovaskuläres System

Ketamin bewirkt eine ausgeprägte kardiovaskuläre Stimulation. Dies beinhaltet ein erhöhtes Herzauswurfvolumen, eine gesteigerte Herzfrequenz, einen erhöhten mittleren Aorta- und Pulmonararteriendruck sowie zentralen Venendruck. Die Wirkung auf den gesamten peripheren Widerstand wird unterschiedlich beschrieben (Plumb 1999a).
 
Je nach untersuchter Spezies finden sich Hinweise für eine negativ- als auch positiv-inotrope und chronotrope Wirkung des Razemats. Zum Teil erwiesen sich die gegenläufigen Effekte als dosisabhängig. Ketamin hemmt die Wiederaufnahme von Katecholaminen an der sympathischen Endplatte, womit eine verstärkte Wirkung endogener und exogener Katecholamine erklärt werden kann. Darüber hinaus steigen die Plasmakonzentrationen von Adrenalin und Noradrenalin an. Im Vergleich von Halothan-Lachgas-Sauerstoff-Intubationsnarkosen und Ketamin-Diazepam-Narkosen mit Spontanatmung wurden jedoch trotz vergleichbarer Katecholaminspiegel signifikante Unterschiede im Kreislaufverhalten beobachtet, so dass die Veränderungen der Plasmakatecholamine alleine nicht zur Erklärung der Kreislaufreaktionen ausreichen. Diese beruhen vielmehr auf der Stimulation zentraler Sympathikusareale und müssen damit nicht von messbaren Anstiegen der Plasmakatecholamine begleitet sein. Insgesamt führt das Ketamin-Razemat zu einem deutlichen Anstieg der Herzfrequenz, des arteriellen Drucks und des Herzminutenvolumens mit Zunahme des myokardialen Sauerstoffverbrauchs sowie zu einer Erhöhung des pulmonalen Gefässwiderstands. Dieser sympathomimetische, kreislaufstimulierende Effekt ist keine Nebenwirkung im üblichen, negativ belegten Sinne (Carroll 1996a; Adams 1997a).
 

Respirationstrakt

Ketamin hat bei korrekter Dosierung keine signifikante hemmende Wirkung auf die Atmung, doch bei höheren Dosen kann es zur Verminderung der Atemfrequenz kommen. Bei Menschen mit Asthma reduziert Ketamin den Widerstand der Atemwege (Plumb 1999a).
 
Ketamin reduziert bei Hunden sowohl die Atemfrequenz und das Minutenvolumen. Nach einem initialem Abfall werden die Ausgangswerte innerhalb von 20 Minuten nach Applikation wieder erreicht (Thurmon 1996a).
 
Da Ketamin die Plazentarschranke passiert, muss mit einer Atemdepression beim Neugeborenen gerechnet werden (Adams 1997a).
 
Ketamin fördert den Speichelfluss und die Sekretion in den Atemwegen, dies kann wiederum zu Behinderungen der Atmung und zur Aspiration von Speichel führen (Paddelford 1992a).
 
Da die Reflexe von Larynx und Pharynx nicht unterdrückt werden, neigen die Patienten zu Laryngo- und Bronchospasmen sowie Husten (Paddelford 1992a).
 

Analgesie

Ketamin wirkt nur gering visceral analgetisch, jedoch ist die somatische Analgesie ausgeprägt (Adams 1997a; Plumb 1999a). Auch die beiden Hauptmetaboliten Norketamin und Dehydro-Norketamin verfügen über eine geringe analgetische Wirkung (Adams 1997a). So kann es bei abdominalen Eingriffen bei ungenügender Anästhesie zu Schmerzreaktionen der Tiere kommen, während sie einen peripheren Stimulus tolerieren (Flecknell 1994a).
 

Muskeltonus

Bei Ketamin wird sowohl ein gesteigerter als auch ein reduzierter Muskeltonus beschrieben. Reflexe, wie der Fussreflex, pinneale, photische, corneale, laryngeale oder pharyngeale Reflex, werden von Ketamin nicht aufgehoben (Plumb 1999a). Auch sind spontane Bewegungen ohne äusseren Stimulus möglich (Thurmon 1996a).
Auf das periphere Nervensystem hat Ketamin sowohl einen depressiven (wegen der Blockade des Membranstroms) als auch einen exiziatorischen Effekt (wegen der Modifikation der Natrium-Kanal Fraktionen). Dies erklärt, dass bei der Anwendung von Ketamin sowohl eine Anästhesie als auch exzitatorische Phänomene beobachtet werden können (Benoit 1986a).
 

ZNS

Es bestehen Hinweise auf neuroprotektive Eigenschaften von Ketamin. Neuroprotektion wird im weitesten Sinne als die Verlängerung der vom neuronalen Gewebe tolerierten Ischämiedauer unter Einschluss von Prävention und Regeneration definiert (Jantzen J- 1994a; Adams 1997a).
 
Die NMDA-Rezeptoren werden bei cerebralen Ischämien aktiviert. Somit haben NMDA-Antagonisten, wie Ketamin, eine neuroprotektive Wirkung (Hirota 1996a). Im Fall des Ketamins sind u.a. die Glutamin-antagonisierende Wirkung am NMDA-Rezeptor, die Inhibition von L-Typ-Kalziumkanälen sowie die Effekte an nicht-NMDA-Rezeptorkanälen und am NO-cGMP-System grundsätzlich geeignet, die pathophysiologischen Abläufe bei Ischämie und Reperfusion günstig zu beeinflussen. Auf zellulärer Ebene scheinen die neuroprotektiven Wirkungen von (S)-Ketamin denen des Razemats überlegen zu sein; zusätzlich fanden sich Hinweise für eine neuroregenerative Potenz des Eutomers an geschädigten Axonen (Adams 1997a).
 
Neben dem NMDA-Rezeptorantagonismus gibt es auch Hinweise, dass Ketamin als Radikalfänger wirksam ist. Zusätzlich besitzt es eine cerebral sympatholytische Wirkung und steigert den Dopaminabbau im Nucleus caudatus während einer cerebralen Ischämie (Jantzen J- 1994a). Jedoch konnten andere Studien keine neuroprotektive Wirkung von Ketamin nachweisen (Hirota 1996a).

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