Wirkungsort
Barbiturate besitzen generell eine depressive Wirkung auf das ZNS, vor allem auf den sensorischen Anteil des Cortex, den Thalamus und die motorischen Zentren des Gehirns. Sie können sämtliche Stimmungslagen, paradoxe Erregungszustände aber auch ein tiefes Koma (oder gar den Tod) verursachen. Pentobarbital bewirkt bei geringer Dosierung eine Sedation (
Plumb 1999a;
Branson 2001a;
Paddelford 1992a). Eine analgetische Wirkung tritt erst bei sehr hohen Dosierungen auf, bei welchen mit Nebenwirkungen gerechnet werden muss (
Branson 2001a).
Wirkungsmechanismus
ZNS
Der genaue Wirkungsmechanismus der Barbiturate ist unbekannt. Jedoch hat sich gezeigt, dass Barbiturate die Freisetzung von Acetylcholin, Noradrenalin und Glutamat behindern (
Branson 2001a).
Das (+)-Isomer von Pentobarbital löst zunächst eine transiente Periode von Hyperexitationen aus, gefolgt von einer ZNS-Depression. Das (-)-Isomer hingegen induziert eine relativ sanfte und progressiv tiefere Hypnose (
Huang 1980a). Kommerziell erhältliche Lösungen bestehen aus einem Gemisch beider Pentobarbital-Isomere. Die Anwendung von subanästhetischen Dosen ist oft assoziiert mit einer Stimulation des zentralen Nervensystems und präanästhetischen Exitationen.
Betrachtet man den Einfluss von Pentobarbital auf das Verhalten, so ist das (-)-Isomer ungefähr 2 mal potenter als das (+)-Isomer. Die pharmakologischen Wirkungen der Isomere sind jedoch die selben (
Wenger 1986a).
GABA-Rezeptoren
Barbiturate sind GABA-mimetisch. Sie interagieren mit den GABA-Rezeptoren, dabei kommt es zu einen Anstieg der neuronalen Chloridleitfähigkeit (
Enna 1981a). Dies führt zu einer Membranhyperpolarisation und zu einer Reduktion der neuronalen Erregbarkeit. Wird die Barbituratkonzentration gesteigert, führt dies ohne GABA-Präsenz zu einer direkten Aktivierung der Chlorid-Kanäle. Die sedativ-hypnotische Wirkung von Barbituraten wird vermutlich durch den GABA-abhängigen Anstieg der Chloridleitfähigkeit ausgelöst, während der GABA-unabhängige Mechanismus für die anästhetische Wirkung verantwortlich ist (
Hellyer 1989a;
Branson 2001a;
Fragen 2000a).
Kalziumkonzentration
Bei einer anästhetisch wirksamen Dosis von Barbituraten wird die Kalziumkonzentration im neuronalen Gewebe reduziert (
Ho 1981a).
Natriumkanäle
Die verschiedenen Natriumkanäle im ZNS werden von Pentobarbital qualitativ identisch beeinflusst. Dabei ist die quanitative Wirkung zum Teil unterschiedlich (
Rehberg 1999a).
Respirationstrakt
Bei den meisten Spezies können Barbiturate eine dosisabhängige respiratorische Depression auslösen; bei anderen Spezies wiederum können sie leicht stimulativ auf den Respirationstrakt wirken (
Borison 1978a). Bei sedativ-hypnotischer Dosierung ist die respiratorische Depression vergleichbar mit der eines normalen physiologischen Schlafes. Wird die Dosierung erhöht, so kommt es zu einer Depression des respiratorischen medullären Zentrums, was wiederum zu einer Verminderung von Atemfrequenz, -tiefe und -volumen führen kann. Eine Apnoe kann bereits bei einem Viertel der Dosis, welche einen Herzstillstand auslöst, auftreten. Pentobarbital muss bei Katzen sehr vorsichtig verwendet werden, da sie speziell sensitiv auf die atemdepressiven Nebenwirkungen von Barbituraten reagieren (
Plumb 1999a;
Branson 2001a).
Kardiovaskuläres System
Pentobarbital kann beim Hund zu einer Tachykardie führen. Jedoch werden auch eine Verminderung der Herzfrequenz, der Myokardkontraktilität, des Schlagvolumens, des arteriellen Blutdruckes oder des totalen peripheren Gefässwiderstandes beobachtet (
Manders 1976a).
Pentobarbital sensibilisiert das Herz nicht auf durch Katecholamin induzierte Arrhythmien (
Bednarski 1985a).
Gastrointestinaltrakt
Die Barbiturate vermindern den Tonus und die Motilität der intestinalen Muskulatur, die klinische Relevanz ist jedoch gering. Vermutlich ist dies eine sekundäre Nebenwirkung zu ihrer zentral depressiven Wirkung (
Plumb 1999a;
Branson 2001a).
Muskulatur
Die Anwendung von Barbituraten reduziert die Sensitivität der motorischen Endplatten gegenüber Acetylcholin, was zu einer geringen Relaxation der Skelttmuskulatur führt. Wegen der geringen Muskelrelaxation sollten für chirurgische Eingriffe Kombinationen mit muskelrelaxierenden Wirkstoffen (weder analgetische noch anästethische Wirkung) verwendet werden (
Seyama 1975a;
Branson 2001a)
Harntrakt
Pentobarbital besitzt keinen direkten Einfluss auf die Nieren. Eine Hypotension durch eine Pentobarbitalüberdosierung kann zu einer schweren sekundären Nierenschädigung führen (
Plumb 1999a). Mögliche Folgen des Blutdruckabfalles sind Oligurie oder Anurie. Ein Abfall des renalen Blutdruckes um bis zu 42% ist noch 1 Stunde nach einer Pentobarbitalanästhesie möglich.
Die Sensitivität gegenüber Barbituraten ist bei urämischen Tieren gesteigert, weil deren Plasmaproteine eine reduzierte Transportkapazität für Barbiturate besitzen (
Branson 2001a).
Leber
Die Leberfunktion wird bei kurzzeitiger Anwendung von Barbituraten nicht direkt beeinträchtigt (
Plumb 1999a).
Uterus und Fötus
Von grosser Bedeutung ist die Wirkung von Barbituraten auf den Fötus; Pentobarbital passiert die plazentare Schranke (
Mirkin 1975a). Unter einer Monoanästhesie mit Pentobarbital ist bei Kaiserschitten die Sterblichkeitsrate der Neugeborenen sehr hoch (
Thurmon 1996a;
Branson 2001a;
Branson 1995a). Pentobarbital kann beim Fötus zu einem vollständigen respiratorischen Stillstand führen, ohne beim Muttertier (Geburtshilfe) anästhetisch wirksam zu sein. Auch wenn der Fötus lebend entbunden wird, so ist die Überlebenschance gering (
Branson 2001a).
Weder Leber noch Nieren des Neugeborenen besitzen die enzymatischen Eigenschaften zur Metabolisierung von Barbituraten (
Branson 2001a). Die pränatale Anwendung von Barbituraten bei Ratten und Hamstern löst eine Veränderung der Sexualentwicklung aus. Ein möglicher Zusammenhang zwischen der Anwendung von Pentobarbital und einem erhöhten Auftreten von kongenitalen Missbildungen beim Menschen wird in Betracht gezogen (
Thurmon 1996a).
Sedative Dosierungen von Barbituraten beeinflussen die Uterusaktivität nicht. Bei anästhetischen Dosierungen wird die Uteruskontraktilität während der Geburt jedoch vermindert (
Branson 2001a).
Metabolismus
Obwohl Barbiturate den Sauerstoffverbrauch aller Gewebe reduzieren, kann bei einer sedativen Dosierung keine Veränderung der metabolischen Umsatzrate gemessen werden. Durch Verabreichung einer anästhetischen Dosis kommt es jedoch zu einer Vasodilatation, wodurch die Körpertemperatur und die basale metabolische Rate reduziert wird. Deshalb sollte bei Patienten, die mit Barbituraten anästhesiert werden, die Körpertemperatur überwacht werden. Besonders bei einer Überdosierung besteht die Gefahr einer Hypothermie (
Plumb 1999a;
Branson 2001a)
Analgesie
Die analgetische Wirkung von Pentobarbital ist bei Schaf und Ziege gering (
Carroll 1996a). Es ist sogar teilweise antianalgetisch wirksam (
Rady 1998a).