Wirkungsmechanismus
Mannitol bleibt nach Filtration im proximalen Tubulus zurück (
Frey 1990a;
Jurna 1987a) und wird kaum tubulär rückresorbiert (
Frimmer 1986a;
Kouider 1979a), es findet auch keine Verstoffwechselung statt (
Beall 1963a;
Behnia 1996a).
Der osmotische Druck des glomerulären Filtrates steigt nun in solchem Masse an, dass Wasser osmotisch gebunden wird (
Jurna 1987a). Die Natriumreabsorption findet nur solange statt, bis zwischen dem Tubuluslumen und der peritubulären Flüssigkeit ein Natriumkonzentrationsgradient entstanden ist, der die weitere Nettoresorption von Natrium verhindert. Eine durch Mannitol isotone, aber an Natrium etwas verarmte Flüssigkeit durchströmt dann die Henle'schen Schleifen (
Jurna 1987a). Zusammen mit einer durch Mannitol gesteigerten Markdurchblutung kommt es zur Auswaschung des dort vorhandenen Gradienten, wodurch die Niere ihre Konzentrationsfähigkeit verliert (
Jurna 1987a;
Frey 1990a). Ein grosses Volumen eines isotonen, relativ natriumarmen Harnes wird ausgeschieden (
Jurna 1987a;
Frimmer 1986a).
Zusammenfassend: Mannitol führt durch osmotische Kräfte im Primärharn zu einer Reduktion der renalen Wasserrückresorption (
Frimmer 1986a).
Durch den osmotischen Effekt bewirkt Mannitol auch eine Flüssigkeitsverschiebung von den Zellen in die extrazelluläre Flüssigkeit und von den Erythrozyten zum Plasma. Dies bewirkt ein Anstieg des Volumens der Extrazellulärflüssigkeit und des Plasmavolumens (
McEvoy 1992a).
Urinzusammensetzung
Die Elektrolytkonzentration des Urins ist gegenüber dem Normalurin eher vermindert (
Frey 1990a;
Fournier 1969a). Der Urinfluss wird aber so stark gesteigert, dass es trotzdem zu einer Mehrausscheidung von Elektrolyten kommt (
Frey 1990a;
Fournier 1969a), insbesondere ist die Exkretion von Kalium, Chlorid, Calcium, Phosphat und Magnesium erhöht (
McEvoy 1992a).
Wirkung bei akutem Nierenversagen
Bei akutem Nierenversagen erweist sich Mannitol wertvoller als andere diuretischen Wirkstoffe. Diuretika, welche normalerweise den tubulären Ionentransport behindern, sind in Situationen in welchen die renale Zirkulation akut beeinträchtigt ist, meist unwirksam (
Gross 1995b). Die osmotischen Diuretika behalten jedoch ihre Aktivität (
Gross 1995b;
Chew 1986a).
Besonders bei ischämischen Nieren steigen die glomeruläre Filtrationsrate und der renale Blutfluss nach Mannitoleinsatz signifikant an (
Behnia 1996a). Diese beiden Wirkungen werden wahrscheinlich durch eine Senkung des intrarenalen vaskulären Widerstandes zustandegebracht (
Behnia 1996a;
Divers 1987a). Folglich findet eine Auswaschung der gelösten Stoffe statt (
Stahl 1965a), und es wird verhindert, dass sich Nephrotoxine in der tubulären Flüssigkeit akkumulieren (
McEvoy 1992a;
Plumb 1995a).
Mannitol verbessert somit die renale Funktion, die Urinausscheidung und die Flussdynamik (
Stahl 1965a) und hat einen schützenden Effekt auf das Nierenparenchym (
Kirby 1989a;
Polec 1971a;
Corwin 1988a).
Extrarenale Wirkungen
Auge
Mannitolinfusionen führen zu einer deutlichen Herabsetzung des erhöhten Augeninnendruckes (
Burberi 1970a;
Gelatt 1981a;
Slatter 1990a).
Hyperosmotische Wirkstoffe erzeugen einen osmotischen Gradienten zwischen der extrazellulären Flüssigkeit (hyperosmolar) und der intrazellulären Flüssigkeit oder anderen extrazellulären biologischen Kompartimenten wie z.B. der intraokulären Flüssigkeit (
Ellis 1985a). Somit wird dem Glaskörper Wasser entzogen (
Roberts 1985a;
Sherding 1985a;
Birchard 1994a), und es kommt zu einer Schrumpfung des Glaskörpers (
Robbins 1969a).
Gehirn
Mannitol verursacht auch eine Reduktion des (z.B. aufgrund eines cerebralen Oedems) erhöhten intrakraniellen Druckes (
Parker 1973a;
Walker 1971a;
Brown 1992a). Indem Mannitol die Plasmaosmolalität erhöht, erzeugt es auch im Gehirn einen osmotischen Gradienten zwischen den intra- und extrazellulären Kompartimenten und dies resultiert in einer Wasserverschiebung aus dem Gehirn (
Donato 1994a;
McEvoy 1992a).
Herz
Mannitol kann zu signifikanten hämolytischen Veränderungen führen, der Wirkstoff zeigt auch einen direkten inotropen Effekt am Herzen (
Atkins 1973a). Im ischämischen, versagenden Herzen kann Mannitol die myokardiale Kontraktilität und die myokardiale Perfusion erhöhen (
Kyriakidis 1980a).