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Wirkungsmechanismus

Thiaminpyrophosphat (TPP) dient dem Organismus als Coenzym sowie als Cocarboxylase. Zusammen mit Fettsäuren bildet es das Coenzym Lipothiamid (LTPP), welches an der oxidativen Decarboxylierung von α-Ketosäure und α-Ketoglutarat beteiligt ist (Blair 1985a). Es wird benötigt, um die Konversion von Pyruvat zu Acetyl-Coenzym-A (CoA) zu ermöglichen (Fettman 2001b). Ein Thiaminmangel resultiert somit in einem Acetyl-Coenzym-A-Mangel, welcher seinerseits sowohl den Kohlenhydrat- wie auch den Fettstoffwechsel beeinflusst (Blair 1985a). Eine weitere Aufgabe des Thiamins ist das Einbringen von Kohlenstoffeinheiten in den Citratzyklus: TPP dient als Coenzym für die Transketolasereaktion im oxidativen Pentosephosphatweg, in dem zwei Kohlenstoffeinheiten von Ribulose-5-phosphat zu Ribose-5-phosphat transferiert werden. Die daraus entstehenden Produkte sind Sedoheptulose-7-phosphat und Glyceraldehyde-3-phosphat. Diese Reaktionen sind essentiell für die Ribonucleotidsynthese und die Nicotinamidadenindinucleotidphosphat-Produktion, welche der Herstellung von Fettsäuren dienen (Fettman 2001b). Thiamin fungiert somit als Katalysator im Pentose- und Hexose-Monophosphatweg. Die thiaminabhängigen Enzymfunktionen bei diesen Redoxmechanismen sind:
 

Diphoshporylliertes Thiamin

Das diphoshporyllierte Thiamin ist an der Energiegewinnung aus Kohlenhydratquellen beteiligt. Das Thiamindiphosphat spielt eine Rolle im Pyruvat-Dehydrogenase-Multienzym-Komplex. Der im Enzym integrierte Thiaminanteil erhält bei der Redoxreaktion, welche durch das Multienzym katalysiert wird, Elektronen. Diese werden bei der Konversion von Pyruvat zu Acetyl-Coenzym-A mit NAD+ als oxidierendes Agens frei (Tittmann 2009a; Asakawa 1968a; Franken 1954a). Es ist somit ein wichtiges Molekül, welches indirekt an metabolischen Schritten der Elektronentransportkette beteiligt ist (Asakawa 1968a; Franken 1954a).
 

Pyruvat-Ferredoxin-Oxireductase

Das Pyruvat-Ferredoxin-Oxireductase-System ist für die Konversion von Pyruvat zu Acetyl-CoA, unter Verwendung von cheliertem Eisen, zuständig. TPP dient bei der Oxidation von Pyruvat als Akzeptor für zwei Elektronen (Furdui 2002a).
 

Acetyl-Phosphat-produzierende Pyruvatoxidase

Bei einer weiteren, der Energiegewinnung dienenden Reaktion, dient TPP als Cofaktor für die Acetyl-Phosphat-produzierende Pyruvatoxidase. Dabei interagiert das TPP mit Mg2+ und FAD als Cofaktoren für die Acetylphosphat-Produktion. Dieser ergieproduzierende Metabolismusschritt ist zum Beispiel in Lactobazillen vorhanden (Sedewitz 1984a).
 

Wirkungsorte

Nervensystem

Thiamin wird im Nervensystem für verschiedene Zwecke benötigt. Es dient unter anderem als Cocarboxylase bei der Energiegewinnung, welche durch die oxidative Decarboxylierung der Substrate in hoch metabolisch aktiven Geweben entsteht. Durch seine Rolle als Coenzym für die Transketolase ist es für die normale Synthese von Fettsäuren und Cholesterol unabdingbar und übernimmt somit indirekt eine wichtige Funktion bei der Synthese der neuronalen Membranen und der Erhaltung deren Integrität. Zusätzlich wird Thiamin auch für die Synthese des Neurotransmitters Acetylcholin und den passiven Transport von Natrium durch die erregbaren Membranen benötigt (Fettman 2001b).
 
Gehirn
Thiamin ist für das Gehirn unentbehrlich. Es wird für die Gehirnentwicklung, die Gehirnfunktion und die interneurale Kommunikation benötigt (Manzetti 2014a; Gibson 2007a). Die Beteiligung an der interneuralen Kommunikation ist mit der Synthese und Ausschüttung von Acetylcholin verbunden, bei der das Thiamin ebenfalls involviert ist (Perri 1970a; Jankowska-Kulawy 2010a). Ein Thiaminmangel resultiert in einem erniedrigten Gehalt an synaptoplasmatischem Acetyl-CoA (durch die Beeinflussung des Citratzyklus), was somit zu einer verminderten Acetylcholinausschüttung führt (Jankowska-Kulawy 2010a). Thiamin als Kation (T+) beeinflusst bei physiologischem pH das Nerven-Aktionspotential, indem es die Leitfähigkeit und die Signaltransmission reguliert. Dadurch wird die Funktion und die Aktivität des Kleinhirnes und des Rückenmarkes stimuliert (Tallaksen 2000a; Bâ 2008a). Als Thiaminpyrophosphat (TPP) kann das Thiamin die Membranleitfähigkeit regulieren, indem es bei der Aktivierung der Chloridkanäle in der Membran eine Rolle spielt. Bei einer hohen TPP-Konzentration in den Membranvesikeln kann gleichzeitig auch eine hohe Cl--Konzentration gemessen werden (Bettendorff 1994a).
 
Thiamin spielt ebenfalls eine Rolle bei der Funktion von Serotonin und GABA und beeinflusst somit die Aktivität von Cerebellum, Hypothalamus und Hippocampus (Butterworth 1982a; Rindi 1980a). Es wurde bereits versucht, die neuronale-GABA-Dysfunktion durch eine gestörte Funktion der Purkinje-Zellen bei Thiaminmangel zu erklären. Für die verringerte Funktion des Serotonins wurde die Hypothese aufgestellt, dass ein Thiaminmangel zu einem Verlust von serotoninergen Zellen führt (Butterworth 1982a). Studien belegen zudem, dass das Thiamin zur Aufrechterhaltung der Struktur und Funktion der Zellen im Gehirn dient. Bei einer Hypovitaminose konnten Läsionen im Cortex, Stamm, Kleinhirn und Hypocampus festgestellt werden, was zu kognitiven und motorischen Störungen führt (Hazell 2009a; Jordan 1998b; Zhao 2008a).
 

Immunsystem

Thiamin ist an der Funktion des Immunsystems beteiligt, indem es die Regulation und die Aktivierung der Immunzellen und Proteine beeinflusst. Es reguliert mit der heminabhängigen Oxigenase (Hemin ist ein eisenhaltiges Porphyrin (NCBI 2011a)) die Ausschüttung von spezifischen intrazellulären Adhäsionsmolekülen (ICAM). Diese binden Integrine während der immunologischen Reaktion, was wiederum die T-Zellantwort beeinflusst (Wegner 1990a).
 

Bedarf

Der Thiaminbedarf steigt bei Gestation, Laktation, Wachstum, Stress sowie Eierproduktion. Ein Anstieg der Schliddrüsenhormonwerte, ein erhöhter Metabolismus, Erkrankungen oder Neoplasien steigern ebenfalls den Thiaminbedarf. Gastrointestinale Erkrankungen können sowohl die Synthese durch die Darmflora hemmen, wie auch die Thiaminabsorption vermindern. Auch gastrointestinale Parasiten benötigen selber Thiamin und erhöhen somit den diätetischen Thiaminbedarf des Wirtes. Andere Nahrungsbestandteile beeinflussen den Thiamingehalt in der Nahrung: verdorbene und schimmlige Nahrung kann Thiaminasen enthalten. Eine kohlenhydratreiche Nahrung erhöht den Thiaminbedarf, während Fette und Proteine einen thiaminsparende Wirkung auf den Organismus haben (Fettman 2001b).
 
Wiederkäuer
Bei Wiederkäuern wird das Thiamin durch Pansenbakterien synthetisiert, diese benötigen somit, solange sie eine normale Pansenfunktion besitzen, kein zusätzliches Thiamin aus der Nahrung. Bei Jungtieren wie Kälbern und Lämmern spielt die diätetische Aufnahme dennoch eine wichtige Rolle, da diese gleich anfällig auf Mangelerscheinungen sind wie Monogastrier. Die Thiaminproduktion wird durch die Zusammensetzung der Nahrung beeinflusst: durch eine Verabreichung von hochenergetischer Nahrung (wie Gerste) kann eine erhöhte Thiaminproduktion erreicht werden (Fettman 2001b; Karapinar 2010a; Haven 1983a).
 
Pferd
Adulte Pferde können 25% des im Caecum produzierten Thiamins absorbieren; es wird vermutet, dass sie daher kein zusätzliches Thiamin über die Nahrung benötigen (Fettman 2001b).
 
Koprophage Tiere
Koprophage Tiere werden ebenfalls durch die Intestinalflora via Kotaufnahme mit Thiamin versorgt (Fettman 2001b).
 

Hypovitaminosis B1

Ein Thiaminmangel kommt bei Tieren hauptsächlich im Zusammenhang mit Thiaminantagonisten (z.B Sulfite) oder Thiaminasen vor. Diese Fälle sind meistens mit der Fütterung von rohem Fisch an Karnivoren und Adlerfarnvergiftungen bei nichtwiderkäuenden Herbivoren assoziiert. Futterumstellungen bei Wiederkäuern, Überdosierungen von Cocccidiostatika bei Hühnern und Rindern sowie Kochen des Futters für Carnivoren können ebenfalls zur Hypovitaminose B1 führen (Mair 1991a; Langlais 1995a; Read 1977a). Ein Mangel führt sowohl bei Menschen wie auch bei Tieren zu Störungen im Nervensystems, im Energiemetabolismus, in der Verdauung, in der Zellproliferation und im Zellzyklus (Mair 1991a; Langlais 1995a). Bei Menschen ist diese Erkrankung als BeriBeri bekannt (Kroker 2010d). In Abwesenheit von Thiamin kann Pyruvat nicht in den Citratzyklus gelangen und wird stattdessen zu Milchsäure konvertiert. Dies führt zu einer Azidose (Moskowitz 2014a). Die Symptome dieser Pathophysiologie sind bei Mensch und Tier Lern- und Erinnerungsdeffizienzen (Mair 1991a; Langlais 1995a), Bradykardie (Ackerman 1974a), eine verringerte Motorkortexaktivität und Koordinationsstörungen (Nakagawasai 2000a; Hills 2012a). Bei Ratten führte eine Thiaminhypovitaminose zusätzlich noch zu einer gestörten Serotoninaufnahme und einem aggressiven Verhalten (Onodera 1981a). Ein Mangel im Gehirn führt zur Schädigung der Mikrogliazellen durch eine gestörte Regulation der Peroxidaseenzyme, was zu einem erhöhten oxidativen Stress im neuronalen Gewebe führt (Gibson 2002a). Die Polioencephalomalazie wurde lange Zeit mit Alterationen des Thiaminhaushaltes assoziiert, jedoch ist diese Theorie wissenschaftlich umstritten (Amat 2013a; Gould 1998a).
 

Symptome beim Tier

Wiederkäuer:Schwäche, Ataxie, Paresen, Anorexie, Durchfall, Blindheit, Kopfpressen, Konvulsionen, Paralysen, und Opisthotonus (Haven 1983a; Edwin 1982a).
  
Schwein:Inappetenz, verringertes Wachstum, Myocardentzündungen und Myokardnekrose, Herzrrhythmusstörungen, Herzfehler, Kreislaufdekompensationen und plötzliche Todesfälle, (Blair 1985a).
  
Pferd:Lethargie, Anorexie, Gewichtsverlust, Ataxie, Arrhythmien, Tremor und Konvulsionen (Cymbaluk 1978a; Fettman 2001b).
  
Hund:Anorexie, Emesis, Paraparesen, Torticollis, Drangwandern, Konvulsionen und Tod (Read 1986a; Read 1981a).
  
Geflügel:Anorexie, Paresis, Ophistotonus, Konvulsionen und Anzeichen einer Polyneuritis (Gries 1972a).
 

Thiamin-Status

Kriterien, um den Thiamin-Status zu überprüfen, sind: das Verschwinden der Symptome nach einer Supplementierung bei Tieren mit einer Hypovitaminose, Messungen der thiaminabhängigen Produkte aus dem Intermediärmetabolismus (Lactat- oder Pyruvatwerte) und die Analyse der Enzymaktivität von Enzymen, bei denen Thiamin als Coenzym dient, wie zum Beispiel die Erythrozyten-Transketolase-Aktivität. Ausserdem können das Thiamin und dessen Derivate im Blut und Urin bestimmt werden (Fettman 2001b).
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