Wirkungsort
Thiazide wirken vor allem im Anfangsteil des distalen Tubulus (
Frey 1990a;
Hall 1983a;
Jurna 1987a). Autoren von früheren Studien schlugen vor, dass sie eventuell auch im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle'schen Schleife aktiv sind, dies wurde aber in jüngeren Studien widerlegt (
Warnock 1989a;
Schlatter 1983a).
Als Folge der Hemmwirkung auf die Carboanhydrase gibt es auch eine Wirkung im proximalen Tubulus (
Pugh 1991a). Diese wird aber beim weiteren Durchlauf durch das Tubulussystem im Wesentlichen ausgeglichen, entscheidend ist die Wirkung im distalen Tubulus (
Warnock 1989a;
Frey 1990a).
Wirkungsmechanismus
Nach der Entdeckung der diuretischen Wirkung von Acetazolamid wurden grosse Anstrengungen unternommen, um effizientere Hemmstoffe der Carboanhydrase zu finden. Dabei wurden die Benzothiadiazine entdeckt, die ursprünglich noch eine gewisse Hemmwirkung auf das Enzym hatten, bei denen es sich aber bald zeigte, dass sie unabhängig von der Wirkung auf die Carboanhydrase eine diuretische Eigenwirkung besitzen (
Frey 1990a).
Besonders im Anfangsteil des distalen Tubulus wird der elektroneutrale Na
+/Cl
--Cotransport durch die Thiaziddiuretika von der luminalen Seite der Nierenzelle aus gehemmt (
Hall 1983a;
Ungemach 1997a;
Frey 1990a), was zu einer verminderten Rückresorption von NaCl führt (
Warnock 1989a;
Pugh 1991a;
Frimmer 1986a;
DiBartola 1992a;
Hall 1983a). Somit ensteht eine chlor- und natriuretischen Wirkung, die von mittlerer Stärke ist (
Jurna 1987a). Durch diese Mehrausscheidung von Natrium und Chlorid und durch die osmotische Wasserbindung kommt es zu einer Zunahme des Wasserflusses (
Ungemach 1997a).
Urinzusammensetzung
Hydrochlorothiazid besitzt, wie erwähnt, eine chlor- und natriuretische Wirkung (
Ungemach 1997a). Wenn Thiazide in grossen Dosen und über längere Zeit verabreicht werden, kommt es auch zu einer vermehrten Ausscheidung von Bicarbonat (
Pugh 1991a;
Beyer 1982a). Ebenso wird Kalium vermehrt ausgeschieden (
Pugh 1991a;
Suki 1985a;
Jackson 1996a;
Frey 1990a;
Foulkes 1965a;
Hall 1983a), wobei dies vor allem zwei Gründe hat; aufgrund erhöhter Lieferung von Natrium und Flüssigkeit zum distalen Tubulus, wo die Kaliumsekretion natriumabhängig ist, kommt es zu einer erhöhten Kaliumausscheidung, und durch die Hyponatriämie wird auch die Freisetzung von Aldosteron stimuliert, welches die distale Natriumabsorption und Kaliumsekretion erleichtert (
Suki 1985a;
Pugh 1991a).
Unter der Wirkung der Thiazide werden relativ mehr Elektrolyte als Wasser ausgeschieden, deshalb ist der Urin stark hyperton, und man hat diese Wirkstoffklasse auch mit gewissem Recht als Saluretika bezeichnet (
Frey 1990a).
Der Urin reagiert schwach alkalisch (
Beyer 1982a;
Pugh 1991a).
Die Benzothiadiazine verursachen eine weniger grosse Störung in der Zusammensetzung der extrazellulären Flüssigkeit als gewisse andere Diuretika (z.B. Schleifendiuretika) dies tun (
Jackson 1996a). Damit ist auch die relativ moderate Diurese der Thiazide zu erklären (
Jackson 1996a;
Fox 1989b); sie sind nicht so stark diuretisch wie z.B. die Schleifendiuretika (
Hall 1983a). Auch eine Veränderung des Säure-Basen-Gleichgewichtes tritt nur selten auf. Die diuretische Wirkung bleibt auch bei bestehender Azidose oder Alkalose erhalten (
Jurna 1987a;
Frey 1990a).
Extrarenale Wirkungen
Antidiuretische Wirkung bei Diabetes insipidus
Bei der Behandlung von Diabtes insipidus zeigen die Thiaziddiuretika eine antidiuretische Wirkung (
Frey 1990a;
Suter 2000g;
Burnie 1982a). Diese paradoxe Wirkung beruht auf einer Reduktion des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens und nachfolgend des Glomerulumfiltrates durch Natriumverarmung, wodurch eine Verminderung der Polyurie und Polydipsie erreicht wird (
Warnock 1989a;
Freudiger 1993a).
Auch eine vasopressinähnliche Eigenwirkung oder verminderter Durst als Folge einer reduzierten Osmolalität des Extrazellularraumes wird als Wirkmechanismus diskutiert (
Frey 1990a).
Blutdrucksenkende Wirkung
Thiazide senken den Blutdruck bei hypertensiven Tieren (
Hassan 1980a;
Kusumoto 1974a;
Zsoter 1970a).
In einer Studie an Hunden wurde beobachtet, dass eine Sturzinjektion von Hydrochlorothiazid (0,5 mg/kg i.v.) den arteriellen Blutdruck um 43% senkte. Die Infusion von Hydrochlorothiazid (0,5 mg/kg/min während 30 Minuten) bewirkte eine sukzessive Senkung des Blutdruckes um 57%. Auch nach dem Sistieren der Infusion stieg der Blutdruck während 30 Minuten nicht wieder an (
Hassan 1980a).
Der genaue Mechanismus der Blutdrucksenkung ist noch nicht mit Sicherheit geklärt (
Hassan 1980a;
Grose 1986a;
Frey 1990a). Die Verringerung des extrazellulären Flüssigkeits- und Plasmavolumens kann wahrscheinlich die frühen hypotensiven Effekte erklären (
McEvoy 1992a). Langfristig wirken die Thiazide jedoch scheinbar eher durch eine Verminderung des peripheren Widerstandes als durch ihre diuretische Wirkung (
Calder 1994a). An Gefässen von Meerschweinchen wurde eine thiazidinduzierte Relaxation der Gefässe festgestellt (
Calder 1994a). Eine andere Studie deutet darauf hin, dass vor allem bei Langzeitbehandlungen eine Depression der Noradrenalin-Vasokonstriktion stattfindet (
Zsoter 1970a).
Bei normotensiven Tieren wird der Blutdruck durch die Thiaziddiuretika nicht gesenkt (
Beyer 1982a).
Hypocalciurische Wirkung
Die Thiazide führen auch zu einer vermehrten Retention von Calcium (
Ungemach 1997a;
McEvoy 1992a). Ueber den Nutzen der Thiazide zur Prävention von Calciumsalz-Urolithen bestehen aber kontroverse Meinungen.
In einer Studie an Ratten wurde gezeigt, dass Chlorothiazid die distale renale tubuläre Resorption von Calcium stimuliert (
Costanzo 1978a). Die Bildung von Calciumsalz-Urolithen wird durch Chlorothiazid deshalb verhindert, wie ein anderer Versuch an Ratten zeigte (
Wolkowski-Tyl 1982a). In einer weiteren Studie hingegen bewirkte Chlorothiazid keine Verminderung des Calciums im Urin, bei sehr hohen Dosen erhöhte es sogar die Calciumexkretion im Harn (
Lulich 1992a).