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Eigenschaften

Physostigmin ist ein reversibler Cholinesteraseinhibitor und gehört zur Gruppe der indirekt wirkenden Parasympathomimetika (Starke 2005b). Durch die Hemmung der Acetylcholinesterase (AChE) akkumuliert Acetylcholin (ACh) an cholinergen Nervenendigungen (Taylor 2001c). Dies führt zu einer verstärkten Wirkung des Parasympathikus auf Herz, glatte Muskulatur und Drüsen; zu verstärkter neuromuskulärer und ganglionärer Übertragung und zu verstärkter cholinerger Informationsübertragung im Zentralnervensystem (Starke 2005b).
 

Wirkungsort

Cholinesterasehemmer führen zu einer Akkumulation von ACh in der Nähe von cholinergen Nervenendigungen. Dies führt zu einer Stimulation von:
 
-muskarinergen Rezeptoren an den autonomen Zielorganen
-nikotinergen Rezeptoren der autonomen Ganglien und Skelettmuskulatur
-cholinergen Rezeptoren im ZNS (Taylor 2001c)
 
Im Gegensatz zu Neostigmin kann Physostigmin die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und wirkt somit auch auf das ZNS (Adams 2001c). Aufgrund unterschiedlicher Empfindlichkeit sind zuerst muskarinerge und erst bei höherer Dosierung nikotinerge Rezeptoren (vegetative Ganglien, neuromuskuläre Endplatte) betroffen (Löscher 2002a).
 

Wirkungsmechanismus

Reversibler Cholinesterasehemmer

Physostigmin bindet an die anionische und esteratische Stelle der AChE und verhindert somit die Bindung von ACh mit AChE. Physostigmin wirkt als kompetitives Substrat. Es wird ähnlich wie ACh hydrolysiert, jedoch viel langsamer (Adams 2001c).
 

Direkte nikotinerge Wirkung

Physostigmin interagiert direkt mit dem nikotinergen Acetylcholinrezeptor. Bei geringen Konzentrationen wirkt Physostigmin als Agonist und aktiviert den Rezeptor (Aracava 1987a; Maelicke 1993a). Diese Aktivierung findet auch statt, wenn die Bindungstelle von ACh mit einem kompetitiven Antagonisten blockiert oder durch ACh selber desensiblisiert ist (Maelicke 1993a). Bei höheren Konzentrationen hemmt Physostigmin jedoch den Rezeptor durch eine Blockierung des Rezeptorkanals in seinem offenen Zustand (Aracava 1987a; Maelicke 1993a).
 

Analgetische Wirkung

Es gibt starke Hinweise darauf, dass muskarinerge Acetylcholinrezeptor-Mechanismen eine Rolle im Schmerzmanagement spielen. Klinisch wurde in der Humanmedizin gezeigt, dass Physostigmin postoperativ für kurze Zeit Schmerzen lindert. Schwere neurogene Schmerzen konnten erfolgreich mit Physostigmin behandelt werden (Hartvig 1989a).
 

Gastrointestinaltrakt

Physostigmin bewirkt eine Kontraktion der glatten Muskultatur und erhöht somit die Motilität und Peristaltik des Gastrointestinaltrakts (Adams 2001c). Da Physostigmin auch eine Wirkung auf das ZNS ausübt, wird Neostigmin als Peristaltikum bevorzugt (Petzinger 2002a).
 

Auge

Bei lokaler und systemischer Verabreichung findet eine Kontraktion des M. sphincter pupillae (Miosis) und des Zilliarmuskels (Blockierung des Akkommodationsreflexes) statt. Der intraokuläre Druck wird vermindert (Adams 2001c; Taylor 2001c). Die lokale Verabreichung verursacht zusätzlich eine konjunktivale Hyperämie (Taylor 2001c).
 

Skelettmuskulatur

Die nikotinergen Rezeptoren an der Skelettmuskulatur werden stimuliert (Taylor 2001c). Nach Verabreichung einer hohen Dosis kann es zu Muskelzuckungen kommen (Adams 2001c). Bei zu hoher Acetylcholinkonzentration folgt der Stimulation jedoch eine durch Depolarisationsblock abgeschwächte neuromuskuläre Uebertragung, was bis zur Paralyse führen kann (Starke 2005b; Taylor 2001c). Im Gegensatz zu Neostigmin besitzt Physostigmin keine direkte Wirkung auf die nikotinergen Rezeptoren von Skelettmuskelfasern (Adams 2001c; Taylor 2001c). Physostigmin ist wie Neostigmin ein Antagonist von d-Tubocurarin und anderen nichtdepolarisierenden (kompetitiven) neuromuskulären Blockern von somatischen myoneuralen Verbindungsstellen. Bei einer zu hohen Dosis von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien kann Physostigmin als Antagonist eingesetzt werden, jedoch nicht bei depolarisierenden neuromuskulären Blockern (z.B. Succinylcholin). Dies würde zu einer synergistischen Wirkung führen (Adams 2001c).
 

Kardiovaskuläres System

In therapeutischen Dosierungen besitzt Physostigmin keine ausgeprägten kardiovaskulären Effekte. Höhere Dosierungen führen jedoch gleichzeitig zu einer ganglionären Stimulation sowie muskarinergen Wirkung auf das Herz und die Blutgefässe. Die daraus resultierende Hypotension und Bradykardie können zu Arrhythmien führen (Adams 2001c). Die Bradykardie wird nicht allein der cholinesterasehemmenden Wirkung von Physostigmin zugeschrieben. Sie kann durch M2-Antagonisten stärker aufgehoben werden als durch Nikotinrezeptorantagonisten. Der Wirkmechanismus ist demjenigen von Neostigmin sehr ähnlich. Bei beiden Wirkstoffen wird eine Aktivierung der M2-Rezeptoren vermutet (Stein 1997a).
 

Kleintiere

Bei Katzen bewirkt 0,1 mg/kg Physostigmin i.v. einen Abfall des mittleren Blutdrucks und eine Bradykardie; die Wirkung ist dosisabhängig (Hara 1992a). Beim Hund wirkt Physostigmin in geringer Dosis negativ inotrop. Bei höherer Dosierung ist die Wirkung negativ chrono-, dromo- und inotrop (Kobayashi 1985a).
 

Respirationstrakt

Die Cholinesterasehemmer lösen eine Kontraktion der glatten Muskulatur der Bronchien aus (Adams 2001c).
 

Harnblase

Die Verabreichung von Cholinesterasehemmern führt zu einer Kontraktion der glatten Muskulatur der Harnblase (Adams 2001c).
 

Sekretorische Drüsen

Bei einer geringen Dosis von Cholinesterasehemmern erhöht sich die Sekretion von cholinerg innervierten Drüsen. Eine hohe Dosierung führt dagegen zu einer erhöhten sekretorischen Ruhephase (Taylor 2001c).
 

ZNS

Als tertiäres Amin kann Physostigmin die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und zeigt Wirkung auf das ZNS. Bei einer niedrigen Dosierung zeigen sich nur geringe ZNS-Effekte. Bei einer hohen Dosierung findet zuerst eine Stimulation und anschliessend eine Depression des ZNS statt. Eine hohe Dosierung kann zu Konvulsionen führen (Adams 2001c). Beim Kaninchen und Hund wird die Morphin-induzierte Atemdepression durch Physostigmin antagonisiert, beim Hund auch der Bewusstseinsverlust. Der analgetische Effekt von Morphin wird nicht beeinflusst. Es wird vermutet, dass diese Wirkung durch den verlängerten Effekt von Acetylcholin, welches von Neuronen aus dem Hirnstamm sezerniert wird, zustande kommt (Weinstock 1980a). Nach intravenöser Verabreichung beim Hund wird die Aktivität der Acetylcholinesterase im Plasma und Kortex gehemmt, in der Zerebrospinalflüssigkeit jedoch erhöht (Mattio 1986a).
© {{ new Date().getFullYear() }} - Institut für Veterinärpharmakologie und ‑toxikologie

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