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Eigenschaften

Benzodiazepine wirken dosisabhängig anxiolytisch, antikonvulsiv, sedierend, hypnotisch, zentral muskelrelaxierend und haben gleichzeitig nur geringe kardiopulmonäre Nebenwirkungen (Riebold 1995a; Thurmon 1996e). Benzodiazepine verstärken die Wirkung des inhibitorischen Neurotransmitters GABA an seinem Rezeptor (Mason 2004a; Pawson 2002a).
 
Mit der alleinigen Anwendung von Benzodiazepinen wird keine Analgesie erreicht (Erhardt 2004a).
 

Wirkmechanismus

Die verschiedenen Benzodiazepine sind alle strukturell ähnlich und haben den gleichen Wirkmechanismus (Seksel 2002a), unterscheiden sich aber in ihrer Wirkungspotenz und in ihrer Wirkungsdauer (Löscher 2003a).
Benzodiazepine wirken an einer spezifischen Bindungsstelle am GABA-Rezeptor im ZNS (Ebert 2002a). Es gibt zwei Typen von GABA-Rezeptoren, GABAA und GABAB, die prä- und postsynaptisch liegen können. Die zentrale Wirkung der Benzodiazepine spielt sich am GABAA-Rezeptor ab (Mason 2004a; Charney 2001a). Dieser Rezeptorkomplex enthält Bindungsstellen unter anderem für GABA, Benzodiazepine, Barbiturate, gewisse Steroide und einen Chlorid-Kanal, der durch den inhibitorischen Neurotransmitter GABA geöffnet wird und zu einer Hyperpolarisation der Neurone führt (Boothe 2001e). Die Bindung der Benzodiazepine löst eine allosterische Veränderung des GABAA-Rezeptors aus, so dass dieser effektiver stimuliert werden kann. Die Folge davon ist eine erhöhte Offenwahrscheinlichkeit des Chloridkanals und damit eine verstärkte Hyperpolarisation (Göthert 2001a). Barbiturate die auch an den GABAA-Rezeptor binden verstärken ebenfalls den Chloridstrom, allerdings auf eine etwas andere Weise als die Benzodiazepine (Starke 2001a).
 
Die Anwesenheit und Bindung von GABA an den Rezeptor induziert eine Veränderung der Benzodiazepinbindungsstelle, was zu einer erhöhten Affinität der Benzodiazepine führt (Paul 1981a). Auch die Barbiturate erhöhen die Affinität der Benzodiazepine für ihren Rezeptor (Thurmon 1996e).
 
Benzodiazepine antagonisieren daneben zu einem gewissen Teil auch Serotonin und führen zu einer verminderten Freisetzung von Acetylcholin im ZNS (Plumb 2002a).
 

GABAA-Rezeptor-Untereinheiten

GABAA-Rezeptoren bestehen aus fünf Untereinheiten, die eine zentrale Pore mit Selektivität für Chloridionen bilden. Es sind sieben verschiedene Klassen von Untereinheiten mit mehreren Variationen bekannt (α1-6, β1-3, γ1-3, δ, ε, θ, ρ1-3) (Mohler 2002a). Die meisten GABAA-Rezeptoren bestehen aus zwei α-, zwei β- und einem γ-Teil (Moehler 2005a). Die Rolle der δ-, ε- und θ-Untereinheiten ist noch nicht vollständig geklärt (Mohler 2002a).
 
Rezeptoren, welche eine α1-, α2-, α3- und α5-Untereinheit besitzen, können durch Benzodiazepine moduliert werden. Rezeptoren mit einer α4- oder einer α6-Untereinheit sind insensititv für die Benzodiazepine (Mohler 2002a).
 
Rezeptoren mit einer α1-Untereinheit sind am häufigsten im ZNS vorhanden, sie machen 60% aller GABAA-Rezeptoren aus. Rezeptoren mit α2- oder α3-Untereinheiten sind im Vergleich dazu weniger häufig, nur je zu 15%, im Gehirn vorhanden. Rezeptoren mit einer α5-Untereinheit kommen am seltensten vor und sind vor allem im Hippocampus anzutreffen (Mohler 2002a).
 
Die sedative Wirkung, die anterograde Amnesie und zu einem Teil auch die antikonvulsive Wirkung werden durch die α1-GABAA-Rezeptoren vermittelt (Mohler 2002a; Mohler 2001a; Rudolph 1999a). Die anxiolytische Wirkung hingegen kommt durch die Bindung der Benzodiazepine an α2-GABAA-Rezeptoren, die vor allem im Limbischen System lokalisiert sind, zustande (Low 2000a). Die muskelrelaxierende Wirkung der Benzodiazepine wird primär durch α2-GABAA-Rezeptoren , bei höheren Konzentrationen aber auch von α3-GABAA-Rezeptoren vermittelt. Im Rückenmark sind sowohl α2-, als auch α3-GABAA-Rezeptoren vorhanden (Mohler 2002a). Für die muskelrelaxierende Wirkung sind höhere Dosierungen erforderlich, als für die anxiolytische Wirkung (Moehler 2005a).
 
In der Humanmedizin sollten in Zukunft vermehrt selektive Benzodiazepine eingesetzt werden, die nur die α2-Untereinheit beeinflussen und somit ausschliesslich zu einer anxiolytischen Wirkung und zu keinen sedativen Nebenwirkungen führen (Mohler 2001a; Low 2000a).
 

Wirkungsort

Benzodiazepinrezeptoren kommen in verschiedenen Regionen im ZNS vor (Paddleford 1999b). In der Grosshirnrinde, im Thalamus und Hypothalamus (Paddleford 1999b; Erhardt 2004a), in der Kleinhirnrinde, im Rückenmark (Mason 2004a) und im Hirnstamm (Gross 2001a). Benzodiazepine wirken primär aber auf das Limbische System, wo die Rezeptoren in hoher Anzahl vorhanden sind (Göthert 2001a).
 

Periphere Wirkungen

Im Gegensatz zu anderen Sedativa, wie den α2-Agonisten, haben Benzodiazepine nur geringe periphere Wirkungen. Atmung und Kreislauf werden durch klinische Dosierungen nicht beeinflusst (Ebert 2002a). Allerdings kann es bei zu schneller intravenöser Injektion aufgrund der muskelrelaxierenden Wirkung zu einem Atemstillstand kommen (Löscher 2003a). Zusätzlich können Benzodiazepine die atemdepressiven Effekte anderer Anästhetika verstärken (Erhardt 2004a).
 

Antagonisten

Die Wirkungen der Benzodiazepine können durch Applikation der spezifischen Benzodiazepinantagonisten Flumazenil und Sarmazenil aufgehoben werden (Muir 1991c).
 

ZNS

Sedation

Die sedative Wirkung der Benzodiazepine kommt durch eine Unterdrückung des Limbischen Systems (Overall 1997a) und der Formatio reticularis im Hirnstamm (Short 1984b) zustande. Gesunde Tiere lassen sich aber mit Diazepam alleine nur schwer sedieren, es kann sogar zu Erregungszuständen und Panikanfällen kommen (Hall 2001k; Hall 2001f). Bei gesunden stehenden Pferden führt Diazepam zu hochgradigen Ataxien (Riebold 1995a).
 
Eine narkotische Wirkung wird auch mit hohen Dosen Diazepam nicht erreicht. Aufgrund der starken Ataxie legen sich die Tiere aber hin (Ebert 2002a).
 
Benzodiazepine haben einen beruhigenden sowie zähmenden Effekt und können den Umgang mit schwierigen und aggressiven Tieren erleichtern (Paddleford 1999b).
 
Jedoch können bei Hunden und Katzen nach der Injektion von Diazepam auch paradoxe Erregungszustände und Aggressionen auftreten. Dies kann durch die gleichzeitige Applikation eines Opioids vermieden werden (Paddleford 1999b).
 

Anxiolyse

Durch eine inhibitorische Wirkung der Benzodiazepine auf die Neuronen im Limbischen System (Erhardt 2004a) und der Amygdala kommt es zu einer Anxiolyse. Auch Effekte auf serotonerge und noradrenerge Neuronen im Hirnstamm tragen zur dieser anxiolytischen Wirkung bei (Seksel 2002a).
 

Muskelrelaxation

Benzodiazepine haben eine zentral muskelrelaxierende Wirkung (Thurmon 1985a; Paddleford 1999b), die auf einer Hemmung von polysynaptischen Reflexen in der Formatio reticularis und auf einer Hemmung der interneuronalen Uebertragung im Rückenmark beruht (Paddleford 1999b; Erhardt 2004a). Damit wird die Aktivität spinaler Motoneurone gehemmt, was zu einer Reduktion eines spastisch erhöhten Muskeltonus ausgenutzt werden kann (Ebert 2002a). Zum Teil legen sich die Tiere aufgrund der Muskelrelaxation hin oder zeigen Ataxien (Gross 2001a).
 
Für die muskelrelaxierende Wirkung braucht es jedoch höhere Dosierungen als für die anxiolytische Wirkung der Benzodiazepine (Mohler 2002a).
 

Antikonvulsion

Benzodiazepine hemmen die Ausbreitung von Anfällen im Gehirn und von generalisierten Krämpfen durch eine Potenzierung der hemmenden Wirkung des inhibitorischen Transmitters GABA im ZNS (McNamara 2001a; Vernau 2002a).
 
Diazepam dämpft als Antikonvulsivum Krampfanfälle und eignet sich zur Behandlung eines Status epilepticus (Frey 1985b), eines Tetanus und auch einer Metaldehydintoxikation (Gross 2001a).
 

Abhängigkeit

Bei einer Dauerbehandlung mit Diazepam kann es zu einer physischen Abhängigkeit kommen (Sloan 1993a). Beim abrupten Absetzen treten Entzugserscheinungen (Charney 2001a) wie Aengstlichkeit, Muskelkrämpfe, Schlafstörungen, Erregbarkeit (O'Brien 2001a), Tremor, Appetitverlust und tonisch-klonische Krämpfe auf (McNicholas 1983a).
 

Toleranz

Gegenüber den Wirkungen der Benzodiazepine kann sich eine Toleranz entwickeln (Seksel 2002a). Die Ursache dafür sind Adaptationsvorgänge im Gehirn (pharmakodynamische Toleranz) und nicht ein schnellerer Abbau des Wirkstoffes (pharmakokinetische Toleranz) (Göthert 2001a). Die Toleranz entwickelt sich deutlicher gegenüber der sedativen und antikonvulsiven Wirkung, wohingegen die anxiolytischen Effekte weniger betroffen sind (Göthert 2001a; Boothe 2001f). Beim Hund kommt es schon innert Wochen nach Beginn der Therapie zu einer reduzierten Wirkung von Diazepam (Vernau 2002a). Im Gegensatz dazu entwickelt sich bei Katzen keine Toleranz gegenüber den Wirkungen von Diazepam (Frey 1989a). Daher kann Diazepam bei dieser Tierart auch zur Dauertherapie verwendet werden (Erhardt 2004a).
 

Appetitstimulation

Diazepam hat durch eine hemmende Wirkung auf das zentrale Sättigungszentrum im Hypothalamus (Boothe 2001k) eine appetitstimulierenden Wirkung bei verschiedenen Tierarten, wobei dieser Effekt vor allem bei der Katze sehr ausgeprägt ist (Hall 2001b). Aber auch beim Hund (Boothe 2001k) und beim Pferd (Muir 1991c) führt Diazepam in geringerem Ausmass zu einer Appetitstimulation.
 

Kardiovaskuläres System

Diazepam hat nur minimale Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System (Charney 2001a). Die Herzfrequenz und das Herzminutenvolumen ändern sich nicht signifikant (Gross 2001a). Nach intravenöser Injektion kann es aber zu einer vorübergehenden leichten Hypotension kommen (Chai 1966a) und der Lösungsvermittlers Propylenglykol kann zu einer kardialen Depression führen (Erhardt 2004a).
 

Respirationstrakt

Diazepam hat nur gering dämpfende Auswirkungen auf den Respirationstrakt (Erhardt 2004a; Charney 2001a). Die Atemfrequenz, das Atemzugvolumen und die Blutgaswerte werden kaum verändert (Muir 1991c). Allerdings verstärken Benzodiazepine die atemdepressive Wirkung anderer Anästhetika, vor allem die der Opioide (Erhardt 2004i; Erhardt 2004a).
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