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Dipyridinium-Herbizide

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Dipyridiniumverbindungen erscheinen als farblose Kristalle. Alle Vertreter dieser Stoffklasse sind wasserlösliche Kationen mit stark korrosiver Wirkung. Die gebräuchlichsten Verbindungen sind Diquat und Paraquat.
 

2. Quellen

Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe werden als Herbizide verwendet. Dank der guten Wasserlöslichkeit werden Dipyridiniumverbindungen auch zur Bekämpfung von Algen eingesetzt. Zwischenfälle ereignen sich wegen Verwechslungen, unvorsichtiger Lagerung der Herbizidvorräte, Fahrlässigkeit in der Ausbringung oder Nichteinhalten der Wartezeiten nach Weidebehandlungen.
 

3. Kinetik

Dipyridiniumverbindungen können oral, aber auch über verletzte Hautbezirke aufgenommen werden. Nach oraler Resorption wird die höchste Plasmakonzentration nach etwa 1 Stunde gemessen. Eine Plasmaproteinbindung findet nicht statt. Anfänglich (bis etwa 30 Stunden nach Giftaufnahme) treten die höchsten Wirkstoffkonzentrationen in der Lunge und den Nieren auf; Dipyridiniumverbindungen werden jedoch nicht gespeichert.
Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich in nicht metabolisierter Form mit dem Harn, zum Teil auch mit dem Kot.
Die Halbwertszeit beträgt 12 Stunden, so dass der grösste Teil des aufgenommenen Wirkstoffes nach 24 Stunden bereits wieder ausgeschieden ist. Als Folge der Nierentoxizität kann die terminale Halbwertszeit auf über 120 Stunden verlängert sein.
 

4. Toxisches Prinzip

Konzentrierte Lösungen der Dipyridinium-Herbizide üben eine stark ätzende Wirkung auf Haut und Schleimhäute aus, womit es zur Bildung von Ulcera und Nekrosen kommt.
Im Gewebe induzieren Dipyridium-Herbizide die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies. Im Zentrum dieses Schädigungsmechanismus steht das Superoxidradikalanion (O2-), das durch Radikalübergänge zur Entstehung des äusserst reaktionsfähigen Hydroxylradikals (OH) führt. Über Lipidperoxidation der Zellmembranen greifen diese Sauerstoffradikale bevorzugt das Lungen- und Nierenparenchym an. Der Vorgang der Lipidperoxidation ist besonders gefährlich, weil es sich um eine Kettenreaktion handelt: ein Membranlipid nach dem anderen wird oxidativ geschädigt, was schliesslich den Untergang der Zelle zur Folge hat.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Chlormequat54  920
Difenzoquat31-44270-470  
Diquat125230-440101-187200-400
Morfamquat367400-800  
Paraquat120100-203110110-362
 

6. Umwelttoxikologie

In der Umwelt sind die Dipyridinium-Herbizide einem raschen photochemischen Abbauprozess unterworfen. Ferner werden diese Wirkstoffe von Bodenpartikeln irreversibel adsorbiert.
 

II. Spezielle Toxikologie - Wiederkäuer

1. Toxizität

1.1Diquat
Rind:Die LD50 beträgt 20-40 mg/kg Körpergewicht p.o.
Kalb:20 ppm im Trinkwasser sind nicht toxisch.
Schaf:20 ppm im Trinkwasser sind nicht toxisch.
  
1.2Paraquat
Rind:Die LD50 beträgt 35-50 mg/kg.
Schaf:Die LD50 beträgt 8-10 mg/kg.
Kühe:Vertragen mehrere Wochen 400 ppm Paraquat im Futter ohne nennenswerten Schaden. Es kann zu einer leichtgradigen Stomatitis und einer vermehrten Salivation kommen.
Kälber und jüngere Schafe:Werden durch 20 ppm Paraquat im Trinkwasser nicht vergiftet.
 

2. Latenz

Die gastrointestinalen Symptome treten einige Stunden nach Aufnahme der Substanzen auf. Die pulmonaren Symptome hingegen manifestieren sich erst einige Tage später.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Anorexie, Schwäche, Apathie
  
3.2Nervensystem
Keine Symptome
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation, Maulschleimhautläsionen
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall
  
3.5Respirationstrakt
Nach einigen Tagen Tachypnoe bis Dyspnoe, Husten
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefund

Stomatitis, Laryngitis, Tracheitis, Gastroenteritis, Lungenödem, Fibrose der Lungen, nekrotische Nieren.
 

5. Weiterführende Diagnostik

Nachweis im Blut, Harn oder Mageninhalt. Wegen des raschen Abbaus müssen die Proben frisch oder eingefroren worden sein.
 

6. Differentialdiagnosen

Enteritis anderer Genese, Pneumonie, Vergiftungen mit anderen Herbiziden.
 

7. Therapie

7.1Notfalltherapie
-Kreislauf: Substitution von Flüssigkeit
 
7.2Dekontamination
-Gastrointestinaltrakt: Aktivkohle, Glaubersalz
-Renale Elimination: Diurese fördern
 
7.2Weitere symptomatische Massnahmen
-Wegen der Gefahr einer bakteriellen Infektion infolge der Aspiration antibiotische Versorgung, Kortisone.
 

8. Fallbeispiel

Eine Herde von Schafen wurde auf eine Weide verbracht, die erst kürzlich mit einem auf Paraquat basierenden Herbizid gespritzt worden war. Kurz darauf zeigte ein Tier folgende Symptome: Zähneknirschen, rudernde Bewegungen und Opisthotonus. Das Schaf verendete einige Stunden später. Im Rumeninhalt konnt Paraquat in einer Konzentration von 2.7 ppm nachgewiesen werden. In der verbleibenden Herde wurde lediglich bei einem Tier Durchfall beobachtet (Lorgue et al., 1996).
 

9. Literatur

Anyeama HP & Oehme FW (1984) A literature review of paraquat toxicity. Vet Human Toxicol 26, 494-502
 
Buck WB (1978) Clinical toxicosis induced by pesticides in livestock. Vet Med 73, 810-819
 
Huff T, Cappelletti G & Hannappel E (1998) The dipyridyls paraquat and diquat attenuate the interaction of G-actin wiht thymosin β4. FEBS Letters 425, 495-498
 
Kitazawa K, Kobayashi T, Shibamoto T & Hirai K (1988) Effects of methylprednisolon on acute lung paraquat toxicity in sheep. Am Rew of Respir Dis 137, 173-180
 
Lorgue G, Lechenet J, Rivière A (1996) Paraquat. In:Clinical Veterinary Toxicology (Chapman MJ ed) Blackwell Science Ltd, London, pp 150-151
 
Lorgue G, Lechenet J, Rivière A (1996) Diquat. In:Clinical Veterinary Toxicology (Chapman MJ ed) Blackwell Science Ltd, London, p 98
 
Onyeama HP & Oehme FW (1984) A literature review of paraquat toxicity. Vet Human Toxicol 26, 494-501
 
Papiris SA, Maniati MA, Kyriakidis V & Constantopoulos SH (1995) Pulmonary damage due to paraquat poisoning through skin absorption. Resp 62, 101-103
 
Plumlee KH (1996) Herbicides. In:Large Animal Internal Medicine (Smith BP ed) Mosby-Year Book, St. Louis, Missouri, pp 1910
 
Radostits OM, Gay CC, Blood DC & Hinchcliff KW (1999) Herbicides. In: Veterinary Medicine (Radostits OM, Gay CC, Blood DC & Hinchcliff KW eds) Saunders Company London, pp 1618-1619
 
Shibamoto T & Kobayashi T (1986) Acute effect of paraquat on lung fluid balance and prostanoid production in awake sheep. Am Rew of Respir Dis 134, 1252-1257
 
Shinozaki S, Kobayashi T, Kubo K & Sekiguchi M (1992) Pulmonary hemodynamics and lung function during chronic paraquat poisoning in sheep. Possible role of reactive oxygen species. Am Rev of Respir Dis 146, 775-780
 
Smith EA & Oehme FW (1991) A Rewiew of Selected Herbicides and Their Toxicity. Vet Human Toxicol 33, 596-616
 
Tsuchiya T, Yoshida T, Imadea A, Kiho T & Ukai S (1995) Detoxification of paraquat poisoning: Effects of alkylsufates and alkylsulfonates on paraquat poisoning in mice and rats. Bio Pharm Bull 18, 523-528
 
Webb DB (1983) Nephortoxicity of paraquat in the sheep and the associated reduction in paraquat secretion. Toxicol & Appl Pharm 68, 282-289
 
Webb DB (1982) The pathophysiology of paraquat nephrotoxicity in the sheep. J of Tox Clin Toxicol 19, 911-929
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