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Kohlenmonoxid

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Kohlenmonoxid (CO) ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas mit einer Dichte von 1.145 g/l (25°C).
 

2. Quellen

Kohlenmonoxid ist ein ubiquitär in der Erdatmosphäre verbreitetes Gas. Der grösste Teil ensteht durch photochemische Prozesse in der Atmosphäre. Kohlenmonoxid wird auch mit Erdgasen sowie durch die Biosynthese freigesetzt. Des weiteren durch Benzin- und Dieselverbrennungsmotoren.
Im Ställen entsteht Kohlenmonoxid bei der unvollständiger Verbrennung beim Gebrauch von Gasstrahlern zur Aufwärmung des Stalles.
 

3. Kinetik

Die Einatmung von 0.4 Volumen-% CO führt nach einer halben Stunde zu Blockade von 70% des Hämoglobins.
 

4. Toxisches Prinzip

Durch die Blockade des Hämoglobins ensteht eine tödliche Gewebsanoxie.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute Toxizität von Kohlenmonoxid:

 MausMeerschweinchenRatteKaninchenHuhnTaube/Sperling
CO (mg/l Luft)2.3-5.710.3 4.64.611.5
Minuten12-1360 30-60324
 

II. Spezielle Toxikologie - Schwein

1. Toxizität

Maximal zulässige Arbeitsplatzkonzentration für Menschen ist 30 ppm in der Luft.
Ab 100 ppm in der Stalluft treten vermehrt Totgeburten auf, obwohl die Mutterschweine symptomlos bleiben. Ab 250 ppm in der Stalluft treten auch bei den Mutterschweinen Symptome wie Apathie, Dyspnoe und Lähmungen auf. Ab 1000 ppm in der Stalluft treten Todesfälle bei ausgewachsenen Tieren auf, ab 4000 ppm ist ein perakuter Verlauf mit Todesfolge innerhalb einer Stunde möglich.
 
1.1Empfindlichkeit
Wegen der höheren Affinität des foetalen Hämoglobins gegenüber Kohlenmonoxid sind Foeten empfindlicher. Neonaten und Ferkel haben zudem geringere Reservekapazitäten, was sie ebenfalls empfindlicher als ausgewachsene Tiere macht.
 

2. Latenz

Ist stark konzentrationsabhängig: Aborte und Totgeburten meist wenige Stunden bis Tage nach Exposition. Bei tiefen Konzentrationen sind unterschiedlich stark ausgeprägte Atembeschwerden meist wenige Stunden nach Beginn der Exposition erkennbar, bei hohen Konzentrationen kann der Tod innerhalb einer Stunde eintreten.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Mutterschweine: Bei Konzentrationen unter 200 ppm meist normales Allgemeinbefinden, darüber Benommenheit, Apathie, Somnolenz, Koma, Ataxie, Taumeln, Todesfälle. Neugeborene Ferkel: Lebenschwäche, Tod, Saugunlust
  
3.2Nervensystem
Paresen und Paralysen meist in der Hinterhand beginnend, hundesitzige Haltung, Muskelschwäche
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Tachypnoe, Dyspnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Blasses Aussehen, kirschrote Schleimhäute
  
3.11Blut, Blutbildung
Als Folge der vermehrten Carboxyhämoglobinbildung hellrote Verfärbung des Blutes
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Totgeburten, Frühgeburten toter, vollentwickelter Ferkel, Wehenschwäche der Muttertiere, Abort, Saugunlust der Ferkel, langsamere und schlechtere Entwicklung der Saugferkel
 

4. Sektionsbefunde

Infolge der Carboxyhämoglobinbildung hellrot-kirschfarbenes Blut, kirschfarbene Verfärbung der Cutis (besonders gut sichtbar an nicht pigmentierten Hautstellen), der Subkutis, der Muskeln und der inneren Organe, Hyperämie des Gehirns und serosanguinöse, rötliche Flüssigkeit im Thorax.
Histopathologie: Bei abortierten oder totgeborenen Ferkeln werden in der Leber eine erhöhte Anzahl von extramedullären "hematopoetic centers" gefunden.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Kontrolle der Heizungs- und Belüftungsanlagen
Da die meisten Vergiftungsfälle in der kalten Jahreszeit auftreten, ist auf eine genügende Frischluftzufuhr der Ställe zu achten, da diese gerne vernachlässigt wird, um Heizkosten zu sparen. Falls Gasstrahler zu Heizzwecken verwendet werden, sollten diese auf eine saubere Verbrennung kontrolliert werden (eine bläuliche Flamme deutet auf vermehrte Kohlenmonoxydbildung hin). Es sollte auch gefragt werden, ob sie regelmässig gereinigt und revidiert wurden.
 
5.2Bestimmung des Kohlenmonoxydgehaltes der Stalluft mit Gasspürröhrchen
Wegen der beträchtlichen Konzentrationsunterschiede sollte an mehreren Stellen im Stall gemessen werden. Der Kohlenmonoxydgehalt sollte 30 ppm nicht übersteigen.
 
5.3Bestimmung von Carboxyhämoglobin im Blut mit Spektrophotometrie
Die Probenentnahme sollte schnellstmöglichst erfolgen, da Carboxyhämoglobinwerte nach Eliminierung der Kohlenmonoxydquelle innerhalb von 90 Minuten um 50% abnehmen. Proben sollten mit heparinbeschichteten Spezialspritzen entnommen werden, Restluft in der Spritze ausgestossen und luftdicht verschlossen werden. Wie bei der Stalluftuntersuchung sollten die Proben an verschiedenen Stellen im Stall und von mehreren Tieren entnommen werden.
 

6. Differentialdiagnosen

6.1Plötzlicher Tod ohne oder mit wenig vorausgehenden Symptomen
Perakut oder akut verlaufende Infekektionskrankheiten wie z.B. Oedemkrankheit, hochgradige Anämie oder Blutverlust, Herz-/Kreislaufversagen, Unfälle mit Blitzschlag oder Elektrizität, Intoxikationen (Aflatoxine, Botulismus, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholecalciferol, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fumonisin, Ionophore, Kochsalz, Kumarinderivate, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Quecksilber, Schwefejwasswestoff, Selen, Strychnin).
 
6.2Tachypnoe oder Dyspnoe anderer Genese
  
6.3Zyanose
Sauerstoffmangel, (Rechts-)Herzinsuffizienz, Belastungsmyopahtie (Porcine Stress Syndrome), fortgeschrittene Nierenschäden nach Zystitiden, Pyelonephritiden, Nephritiden, als Komplikation bei Milchfieber (Mastitis-Metritis-Agalaktie).
 
6.4Totgeburten, Frühgeburten und Aborte
Virale, bakterielle oder parasitäre Aborterrger, Uterusinfektionen, mehrtägige Hyperthermie, Stress, saisonale Aborte, andere Intoxikationen (Aflatoxine, Blei, Botulismus, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Fusarientoxine, Fumonisin, Kumarinderivate, Mutterkornalkaloide, Organophosphate und Carbamate, Quinoxalinderivate, Selen, Stachybotryotoxin, Zearalenon).
 
6.5Wehenschwäche
Angst, Schmerzen, vorübergehende Hypokalzämie, Ventroflexion/Abknicken des Uterus, Eklampsie.
 
6.6Vermehrte Todesfälle bei Ferkeln anderer Genese
 

7. Therapie

7.1Auslüften der Ställe und Abschalten der Gasstrahler
  
7.2Atmungsstimulation
5-6 mg Theophyllin/kg Körpergewicht i.v.
 

8. Fallbeispiele

8.1In einem Zuchtbetrieb wurde eine Gruppe von Zuchtschweinen in einen Abferkelraum verbracht, der wegen der kalten Aussentemperaturen mit Gasstrahlern bei reduzierter Frischluftzufuhr aufgeheizt worden war. Frühgeburten und erhöhte Ferkelsterblichkeit während der ersten Lebenstages führten zu 90% Ferkelverlusten, derweil die Muttertiere völlig symptomlos blieben. Nach zweimaliger Wiederholung ähnlicher Vorfälle und negativer Abklärung infektiöser Aborte und Totgeburten wurde mit einem Gasprüfgerät an mehreren Stellen im Abferkelraum Kohlenmonoxydwerte von 450 bis 500 ppm gemessen (Käsebieter et al., 1985).
  
8.2In einem Zuchtbetrieb, der seine Schweine in einem alten Rinderstall untergebracht hatte, ereignete sich folgender Vorfall. Weil es im Winter jeweils sehr kalt wurde, wurde ein mit Koks zu heizendes Aggregat im Nebenraum untergebracht und die erzeugte Warmluft mittels Rohrleitungen in den Stall geblasen. Die zu erwärmende Luft wurde mit einem Rohr aus dem Stall angesogen, wodurch ein geschlossener Luftkreislauf entstand. Zu Problemen kam es, als ohne Anpassung der Luftzufuhr eine grössere Koksgrösse verwendet wurde. Zwölf Stunden nach Beginn lagen alle Tiere in apathischem Zustand fest und zwei Tiere waren tot. Wurden die Tiere aufgetrieben, konnten sie sich nur schwankend und taumelnd bewegen und einzelne brachen immer wieder in der Nachhand ein. Ausserdem zeigten die Tiere Tachypnoe, Tachykardie und zyanotische Häute und Schleimhäute. Als therapeutische Massnahmen wurde die Beheizung abgestellt, alle Türen und Fenster geöffnet und die Tiere mit Effortil behandelt. Innerhalb von zwei Stunden erholten sich die Tiere merklich, allerdings abortierten wenige Tage später noch zwei von drei hochtragenden Sauen (Schlecht, 1971).
  
8.3In einem Abferkelstall werden neue Gasstrahler fachgerecht montiert, der Betriebsleiter wird aber weder durch den Monteur instruiert wie die Geräte zu pflegen sind, noch bekommt er eine Bedienungsanleitung. Nach zwei Monaten treten bei den Saugferkeln die ersten Erkrankungsfälle mit Inappetenz, gestörtem Allgemeinbefinden, Müdigkeit, erhöhter Rektaltemperatur (40.0° bis 40.5°C), trockenem weisser Kot und starker Exsikkose auf. Vier Monate nach der Installation der Gasstrahler verschärft sich das Krankheitsbild bei den Saugferkeln: Zusätzlich Schwanken und Taumeln, es kommt zu Notschlachtungen und es gibt vermehrte Todesfälle. Nochmals einen Monat später nimmt der Betriebsleiter Gasgeruch wahr und lässt die Gasstrahler reinigen und den Gasdruck richtig einstellen und die Probleme verschwinden. Die Sektion eines umgestandenen Ferkels ergibt herförmige Blutungen in der Lunge, Schwellung und Rötung der regionalen Lymphknoten und einzelne Petechien an der Herzbasis. Die histopathologische Untersuchung ergibt frische Blutungen in Lunge und Nieren. Eine Blutprobe ergibt 55% CO-Hämoglobin (ab 20% CO-Hämoglobin treten Symptome auf) (Boller, 1976).
 

9. Literaturverzeichnis

Boller E (1976) Kohlenmonoxidvergiftung in einem Schweinezuchtbetrieb infolge falsch eingestellter Propangas-Infrarotstrahler. Schweiz Arch Tierheilk 118, 127-129
 
Carson TL & Donham KJ (1978) Carbonmonoxide abortion in Iowa swine. Amer Assn Vet Lab Diagn 21th Annual Proceedings, 179-184
 
Carson TL, Donham KJ, Dominick MA & Bertram TA (1980) Carbon monoxide induced abortion in swine: an update. Amer Assn Vet Lab Diagn 23rd Annual Proceedings, 59-66
 
Dominick MA & Carson TL (1983) Effects of carbon monoxide exposure on pregnant sows and their fetuses. Am J Vet Res 44, 35-39
 
Donham KJ, Carson TL & Adrian BR (1982) Carboxyhemoglobin values in swine relative to carbon monoxide exposure: guidelines for monitoring animal and human health hazards in swine-confinement buildings. Am J Vet Res 48, 813-816
 
Eich KO & Schmidt U (1998) Handbuch Schweinekrankheiten. Verlags Union Agrar p 246
 
Heinritzi K & Plonail H (1997) Blutkrankheiten. In: Lehrbuch der Schweinekrankheiten (H Plonait & K Bickhardt Hrsg.), Parey Berlin p 195
 
Käsebieter J, Bollwahn W & Hilliger HG (1985) Kohlenmonoxydvergiftung bei Saugferkeln (Fallbericht). Prakt Tzt 5, 379
 
Keller H (1976) Hoher Kohlenmonoxydgehalt der Stalluft als Ursache von Totgeburten beim Schwein. Schw Arch Thk. 118, 425-428
 
Kühnert M (1991) Kohlenmonoxid. In: Veterinärmedizinische Toxikologie, Gustav Fischer Verlag Jena, pp 271-278
 
Löscher W (1994) Pharmaka mit Wirkung auf das Zentralnervensystem. In: Grundlagen der Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren (Löscher W, Ungemach FR, Kroker K Hrsg.), Parey Berlin
 
Plonait H (1997) Geburt, Puerperium und perinatale Verluste. In: Lehrbuch der Schweinekrankheiten (H Plonait & K Bickhardt Hrsg.), Parey Berlin, pp 507-508
 
Schlecht H (1971) Ein Beitrag zur Kohlenmonoxydvergiftung beim Schwein. Wien Tierärztl Mschr 58, 263-264
 
Sprecher DJ, Leman AD,Dziuk PD, Cropper M & De Decker M (1974) Causes and control of swine stillbirths. JAVMA 165, 698-701
 
Stadler E (1973) Kohlenmonoxydvergiftung in einem Ferkelerzeugerbetrieb Prakt Tzt 8, 337-338
 
Wood EN (1979) Increased incidence of stillbirth in piglets associated with high levels of atmospheric carbon monoxide. Vet Rec 104, 283-284
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