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Stickstoffoxide

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Stickstoffoxide (Nitrose Gase) ist ein gelblich bis rotbraun gefärbtes spezifisch riechendes Gasgemisch, das schwerer als Luft ist und verschiedene Stickstoffoxide (Stickoxide) der allgemeinen Formel NXOY. Zu den Hauptkomponenten zählen Stickstoffmonoxid, Stickstoffdioxid (NO2), Distickstofftetroxid und Distickstofftrioxid.
 

2. Quellen

Stickstoffoxide bilden einen wesentlichen Bestandteil industrieller Emissionen.
 

3. Kinetik

Der Mensch kann Konzentrationen von 0.2-0.5 mg NO/l Luft über einige Stunden ohne klinische Beschwerden einatmen. Erst nach einer Latenzzeit von 6-12 Stunden treten respiratorische Symptome in perakuter Form auf. Wegen einem toxischen Lungenödem tritt nach 24 Stunden der Tod ein.
 

4. Toxisches Prinzip

Nitrose Gase werden hauptsächlich über den Respirationstrakt aufgenommen. Es dominieren bei akuten Intoxikationen Hustenreiz, Bluthusten, Dyspnoe, Zyanose, Lungenödem, Kollaps und letaler Ausgang innert 24 Stunden. Für das Vergiftungsbild der Nitrosegasvergiftung ist meistens die NO2-Wirkung entscheidend.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Beim Kaninchen wurde nach zwölfwöchiger Inhalation eine LD50 von 8-12 ppm NO2 in der Atemluft ermittelt.
 

Tödliche Luftkonzentrationen von NO2 und NO:

 MausMausMeerschweinchenRatte
CO (mg/l Luft)5004'50030'000 
Minuten304-55-9 
 

II. Spezielle Toxikologie - Schwein

1. Toxizität

Die toxische Konzentration bei Langzeitexposition liegt je nach Alter zwischen 12-100 ppm. Konzentrationen zwischen 100-150 ppm können nach mehrstündiger Exposition tödlich sein, Konzentrationen ab 250-300 ppm führen innerhalb weniger Minuten zum Tod.
 

2. Latenz

Je nach Konzentration zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
(Plötzliche) Todesfälle, Ataxie, Erregung, Fluchtverhalten, Muskelschwäche, Festliegen
  
3.2Nervensystem
Keine Symptome
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Keine Symptome
  
3.5Respirationstrakt
Niesen, Husten, Dyspnoe, Tachypnoe, Maulatmung
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Bläuliche oder braunverfärbte Schleimhäute
  
3.11Blut, Blutbildung
Zyanose, Methämoglobinämie (schokoladenbraunes Blut)
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Rötung der Mukosa von Nasenmuscheln, Trachea und grossen Bronchien. Blutroter Schaum in Nase, Maul und Trachea. Lungenödem und -emphysem, Hyperämie der Lunge, Fibrin in den Atemwegen. Dunkelrotes, nicht geronnenes Blut.
Histopathologie: Rhinitis und Tracheitis mit Epitheldesquamation: Epithelzellen sind in einem fibrinomukösem Exsudat zu finden, Lungenödem und -emphysem.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

5.1Bestimmung der Stickstoffdioxidkonzentration in der Stalluft mit einem Massenspektrometer
 

6. Differentialdiagnosen

-Andere Schadgasbelastungen wie Kohlenmonoxid und -dioxid oder Schwefelwasserstoff, die zu akuter Dyspnoe und/oder plötzlichen Todesfällen führen können.
-Perakute und akute Verlaufsformen von viralen oder bakteriellen Pneumonien (zum Beispiel Enzootische Pneumonie oder APP).
-Erbrechen: Viral, bakteriell, diätetisch, Magengeschwüre, Haarballen, Fremdkörper, Vitaminmangel (Riboflavin, Thiamin), andere Intoxikationen (Aflatoxine, Amitraz, anorganische Arsenverbindungen, Avermectine, Blei, Cadmium, Cholecalciferol, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fusarientoxine, Fluor, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Kupfer, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Stachybotryotoxine).
-Dyspnoe, Tachypnoe, Husten anderer Genese.
-Methämoglobinämie: Nitrat/Nitrit-Intoxikation.
 

7. Therapie

7.1Verhinderung einer weiteren Toxinaufnahme: Um eine weitere Einatmung des Schadgases zu verhindern, sollten die Tiere schnellstmöglichst aus den betroffenen Gebäuden entfernt werden. Die Erholungschancen sind am besten, wenn die Tiere nach draussen an die frische Luft gebracht werden.
  
7.2Kreislauf- und Atmungsstimulation: Mit 5-6 mg Theophyllin pro kg Körpergewicht intravenös injiziert. Bei Bedarf nach elf Stunden wiederholen.
 

8. Fallbeispiel

In einem kombinierten Zucht- und Mastbetrieb befand sich das Silo im gleichen Gebäude wie die Schweinebuchten. Während des mehrtägigen Silierens, wurden am Morgen des vierten Tages fünf tote Mastschweine in der Bucht, die direkt neben dem Silo stand, gefunden. Ausserdem war über ein Abflussrohr ein rotbraunes Gas entwichen, das sich bis auf eine Höhe von 75 bis 100 cm angesammelt hatte und langsam in den ganzen Schweinestall diffundierte. Mutterschweine und Saugferkel, die in den Buchten in der Nähe des Abflusrohres waren, zeigten Dyspnoe, Tachypnoe, Muskelschwäche, Zyanose und die Ferkel erbrachen. Die Tiere wurden daraufhin aus den Buchten entfernt und mit einer intravenösen Injektion mit Etaminphyllin behandelt. Fünf Stunden später zeigten zwei Galtsauen immer noch Tachy- und Dyspnoe, die noch zwei weitere Tage anhielt, worauf die Schweine geschlachtet wurden. Die restlichen betroffenen Tiere erholten sich rasch (McLoughlin et al., 1985).
 

9. Literaturverzeichnis

Giddens WE, Whitechair CK, Sleight SD (1970) Nitrogen dioxide (silo gas) poisoning in pigs. Am J Vet Res 31, 1779-1786
 
Kühnert M (1991) Nitrose Gase (Stickstoffoxide). In: Veterinärmedizinische Toxikologie, Gustav Fischer Verlag Jena, pp 291-294
 
Löscher W (1994) Pharmaka mit Wirkung auf das Zentralnervensystem. In: Grundlagen der Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren (W Löscher, FR Ungemach & R Kroker Hrsg.), Parey Berlin, 99
 
McLoughlin MF, Mc Murray CH, Dodds HM & Evans RT (1985) Nitrogen dioxide (silo gas) poisoning in pigs. Vet Rec 116, 119-121
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