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Fluor und Fluorverbindungen

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Fluor kommt ubiquitär in vielen verschiedenen Verbindungen vor. Molekulares Fluor (F2) ist ein gelb-grünliches Gas mit stechendem Geruch, das äusserst explosiv und aggressiv ist. Fluorgas ist fähig, auch in starken Verdünnungen Haut und Schleimhäute zu verätzen Es ist der wichtigste Grundstoff für die Synthese der organischen Fluorverbindungen. Die Flusssäure ist eine wässrige Lösung von Fluorwasserstoff (HF) und ist ebenfalls stark ätzend. Die Salze der Flusssäure bezeichnet man als Fluoride. Diese Verbindungen sind weisse kristalline Pulver mit einer sehr unterschiedlichen Wasserlöslichkeit. Fluoracetat ("compound 1080") und Fluoracetamid ("compound 1081") bestehen aus geruch- und geschmacklosen, gut wasserlöslichen, weissen Kristallen.
 

2. Quellen

Als Ursache von Fluorvergiftungen haben die Kontaminationen von Boden, Wasser und Futterpflanzen durch Industrieemissionen aus der Aluminium-, Ziegel-, Glas-, Keramik- und Düngemittelproduktion grosse Bedeutung erlangt. Naturphosphatdünger enthalten bis 4% Fluor. Weitere Vergiftungsmöglichkeiten bestehen durch den gelegentlichen Einsatz von Fluoriden als Rodentizide (zum Beispiel Fluoracetat), Insektizide (zum Beispiel Natriumfluorid oder Fluorsilikate) oder Holzschutzmittel (Natriumfluorid oder Kaliumhydrogenfluorid). Organische Fluorverbindungen, die als Herbizide (zum Beispiel Fluorglycofen), Fungizide (Flutriafol) oder Insektizide (Flufenoxuron) dienen, führen selten zu Vergiftungserscheinungen. Im Bauwesen werden Fluorverbindungen (zum Beispiel Kieselflusssäure) als Betonhärtungsmittel verwendet. Somit kann ein fortwährender Kontakt mit behandelten Zementböden zu chronischen Fluorvergiftungen führen. Die in einigen Ländern durchgeführte Fluorierung des Trinkwassers (1 mg/L) senkt die Karieshäufigkeit, wobei möglicherweise eine erhöhte Häufigkeit von Knochenbrüchen bei älteren Menschen in Kauf genommen wird.
 

3. Kinetik

Fluor und die wasserlöslichen Fluoride werden im Magen-Darmtrakt rasch resorbiert, möglich ist aber auch eine Aufnahme durch Inhalation. Fluorionen werden in Knochen und Zähnen gespeichert, weil F- gegen OH- im Hydroxylapatit ausgetauscht wird. Die Speicherung in das Knochengewebe findet zeitlebens statt, die Einlagerung in die Zähne nur während des Wachstums. Wenn die Speicherkapazitäten im Knochen- und Zahngewebe überschritten sind, erfolgt eine Fluorausscheidung über die Nieren.
 

4. Toxisches Prinzip

Die Toxizität der Fluorverbindungen entfaltet sich über verschieden Mechanismen:
-Flusssäure, Kieselfluorwasserstoff und die wasserlöslichen Fluoride führen zu lokalen Verätzungen der Haut und Schleimhäute.
-Fluor ist in der Lage, verschiedene Enzyme zu beeinträchtigen, wodurch beispielsweise die Glykolyse gehemmt wird. Auf diese Weise kommt es zu hyperglykämischen Zuständen mit entsprechenden Schädigungen des Herzmuskels, der Leber- und Nierenparenchyme und der Neuronen im ZNS.
-Bei der chronischen Vergiftung wird Fluor in Knochen und Zähnen eingelagert, wodurch das Knochengewebe zum weiteren Wachstum stimuliert wird. Die dabei entstehenden Knochenverdickungen und -auflagerungen führen zur Versteifung der Gelenke, die Wirbelsäure kann vollständig ankylosieren. Das aktive Knochenmark wird zunehmend eingeengt. Dabei verliert der Knochen seine elastische Qualität und es treten vermehrt Knochenbrüche auf. Die Zähne werden ebenfalls brüchig, verfärben sich und weisen eine übertriebene Abnützung auf. Dieses als Fluorose bekannte Krankheitsbild wurde vor allem bei beruflich exponierten Menschen und bei Rindern beobachtet.
-Fluoracetat und Fluoracetatamid werden nach Resorption in den toxischen Metaboliten Fluorcitrat umgewandelt. Diese Verbindung blockiert den Intermediärstoffwechsel durch Hemmung des Krebszyklus.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Ammoniumfluorsilikat6445  
Ammoniumperfluoroctanoat 430  
Calciumfluorid (Flussspat, CaF2) > 5'000  
Dichlordifluormethan (Freon 12) > 4'000  
Flamprop-isopropyl> 2'500> 3'000 > 2'500
Flamprop-methyl > 5'000  
Fluazifop-butyl1'490-1'7703'328621 
Fluchloralin 5'580  
Flufenoxuron > 3'000  
Fluoracetamid (compound 1081) 5.6  
Fluoraminobiphenyl 300  
Fluoranilin 420  
Fluorbenzol 4'400  
Fluorchloridon 3'650-4'000  
Fluordifen 9'000  
Fluoressigsäure (FCH2COOH) 5  
Fluoroglycofen-ethyl 1'500  
Fluoromid> 15'000> 15'000  
Fluorphosphorsäure (H2FPO3) 240-300  
Fluotrimazol > 5'000  
Flupropanat9'60011'900  
Fluridon> 10'000> 10'000  
Fluroxypyr 2'405  
Flusilazol 674-1'100  
Flutriafol 1'140-1'480  
Fluxofenim 670  
Hexafluorpropanol600   
Kaliumfluorid (KF) 250  
Kaliumfluorsilikat (K2SiF6)70160  
Kryolith (AlF6Na3) 200  
Natriumfluoracetat (Compound 1080)0.50.1  
Natriumfluorid (NaF)5752-200100-500 
Natriumsilicofluorid (Na2SiF6) 125138-150 
Schwefeldifluorid (SO2F2) 100  
 

6. Umwelttoxikologie

Die als Kühlmittel, Treibgase oder in der Schaumstoffherstellung verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zeichnen sich durch eine geringe Toxizität aus, haben aber wegen der Zerstörung der Ozonschicht in der Stratosphäre vorwiegend umwelttoxikologisches Interesse erlangt. Nicht-chlorierte Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) schädigen die Ozonschicht nicht.
 

II. Spezielle Toxikologie - Schwein

1. Toxizität

Ab einem Fluorgehalt von 70 ppm im Futter besteht bei allen Altersklassen die Gefahr einer akuten Fluorintoxikation.
Natriumfluorid wurde in einer Konzentraion von 500 ppm als Askarizid eingesetzt und besitzt eine sehr geringe "safety margin".
Eine chronische Fluorintoxikation führt zu leichtgradigen Zahnveränderungen und Lahmheiten unterschiedlichen Grades, die nur schwer von anderen Lahmheitsursachen abzugrenzen sind.
 

2. Latenz

Keine Angaben
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Ungestört bis Apathie, Kollaps und Tod, normaler Appetit bis vollständige Anorexie und Gewichtsverlust
  
3.2Nervensystem
Keine Symptome
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen, Zahnschäden und -verfärbungen (Form, Farbe, Konsistenz), Kaubeschwerden
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall
  
3.5Respirationstrakt
Keine Symptome
  
3.6Herz, Kreislauf
Keine Symptome
  
3.7Bewegungsapparat
Lahmheiten als Folge der Knochenveränderungen, spontane Knochenbrüche als Folge von Osteoporose
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Verschiedene Zahnveränderungen wie braune Verfärbungen und Unregelmässigkeit der Oberflächen, Brüchigkeit, übermässiger und unregelmässiger Abrieb. Knochenveränderungen wie laterale Exostosen der langen Röhrenknochen, Verdickung und Vergrösserung der Mandibula, Kieferdeformationen und Osteoporose.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

5.1Toxinnachweis
Bestimmung des Fluorgehaltes im Urin. Normalwerte liegen zwischen 5 und 15 ppm. Bestimmung des Fluorgehaltes im Knochen. Normalwerte liegen zwischen 3000 und 4000 ppm
 

6. Differentialdiagnosen

6.1Erbrechen
Viral, bakteriell, diätetisch; Magengeschwüre, Haarballen, Fremdkörper; Vitaminmangel (Riboflavin, Thiamin), andere Intoxikationen (Aflatoxine, Amitraz, anorganische Arsenverbindungen, Avermectine, Blei, Cadmium, Cholecalciferol, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fusarientoxine, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Kupfer, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Stachybotryotoxin, Stickstoffdioxid).
 
6.2Zahnschäden und -verfärbungen anderer Genese
  
6.3Durchfall
Diätetisch, viral, bakteriell, parasitär; andere Intoxikationen (Aflatoxine, anorganische Arsenverbindungen, Blei, Cadmium, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholecacliferol, Cyanamid, Eisenverbindungen, Fusarientoxine, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Mutterkornalkaloide, Ochratoxine, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Pyrethroide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Zearalenon, Zink).
 
6.3Lahmheiten
Panaritium; Beinschwächesyndrom/Osteochondrose; Trauma; Arthritiden (zum Beispiel Gelenksrotlauf, Glässer'sche Krankheit, Polyarthritis der Saugferkel); andere Intoxikationen (Cholecalciferol, Coumarinderivate, Eisenverbindungen, Selen, Zink).
 

7. Therapie

Bei klinisch erkrankten Tieren macht eine Therapie wegen der Irreversibilität der Symptome wenig Sinn. Als vorbeugende Massnahmen sollte eine Reduktion des Fluor-Gehaltes im Futter (falls dieses die Ursache ist) angestrebt und der Calcium- und Aluminium-Gehalt des Futters angehoben werden.
 

8. Fallbeispiel

Genügend dokumentierte Fallberichte liegen uns nicht vor.
 

9. Literaturverzeichnis

Carson TL (1999) Toxic minerals, chemicals, plants and gases. In: Diseases of swine 8th Edition (BE Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed), Iowa State University Press, Ames, p 784
 
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1996) Clinical Veterinary Toxicology. Blackwell Science Oxford, pp 106-107
 
Radostits OM, Gay CC, Blood DC & Hinchcliff KW (2000) Veterinary Medicine. WB Saunders London, pp 1594-1598
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