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Pyrethroide / Pyrethrine

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Schon in der alten chinesischen Kultur waren die Blütenextrakte verschiedener Chrysanthemenarten als Mittel gegen Ungeziefer bekannt. Die Lichtempfindlicheit des natürlichen Pflanzenwirkstoffes Pyrethrum hat zur Synthese abgeleiteter Verbindungen, den Pyrethroiden Typ I und II, geführt. Diese synthetischen Pyrethroide sind mit Stickstoff, Schwefel oder Halogenen substituiert und weisen im Vergleich zu Pyrethrum eine höhere Photostabilität sowie eine höhere Lipophilität (log P >4) auf.
 

2. Quellen

Pyrethroide werden als Insektizide und Akarizide zur Bekämpfung von Schädlingen verwendet. Viele Spritzmittel und Köder zur Fliegenbekämpfung in Rinderställen enthalten Pyrethroide. Ausserdem kommen diese Verbindungen als Ektoparasitika in Shampoos, Ohrclips, Tauchbädern, Halsbändern, Pour-on (Aufgusslösungen) und Spot-on Präparaten am Tier zur Anwendung.
 

3. Kinetik

Pyrethroide werden, ausser bei Reptilien, dermal kaum resorbiert. Nach der oralen Aufnahme liegt die Bioverfügbarkeit bei 60%, bei inhalativer Aufnahme erfolgt die Resorption nahezu vollständug. Im Magen-Darm-Trakt und in der Leber findet eine rasche Biotransformation statt, so dass innerhalb von 6 Stunden die ursprünglich aufgenommene Menge weitgehend ausgeschieden ist. Ein Grossteil der Metaboliten liegt in Form von Konjugaten vor.
Katzen sind wegen der verminderten Aktivität ihrer Glucuronyltransferase besonders empfindlich gegenüber Pyrethroiden und dürfen deshalb nicht mit pyrethroidhaltigen Spot-on Präparaten behandelt werden.
Pyrethroide werden häufig mit einem gering toxischen Synergisten (Piperonylbutoxid; orale LD50 für die Ratte 7.5 g/kg) kombiniert, der die Biotransformationsfähigkeit der Arthropoden vermindert und somit die Pyrethroidwirkung verstärkt. Weitere Synergisten der Pyrethroide sind Tropital (LD50 für die Ratte 4 g/kg), S 421(= Octachlordipropylether; LD50 für die Ratte 8 g/kg), Sulfoxid (LD50 für die Ratte 2 g/kg) sowie N-Octylbicycloheptendicarboxymid (= MGK-264).
 

4. Toxisches Prinzip

Allen Vertretern dieser Stoffgruppe ist eine hohe toxische Selektivität für Arthropoden und eine dementsprechend niedrige Toxizität für Säugetiere, Vögel und Reptilien gemeinsam. Bei Reptilien wird empfohlen, Pyrethroide nach vorsichtiger Anwendung sofort wieder mit lauwarmem Wasser abzuwaschen.
Vergiftungen mit Formulieren sind oft nicht auf die enthaltenen Pyrethroide, sondern auf die zusätzlichen Bestandteile des Insektizid-Präparates zurückzuführen. In Frage kommen hier Lösungsmittel (Isopropanol, aliphatische Kohlenwasserstoffe) sowie Mischungen mit Organophosphaten oder Carbamaten.
Als Nervengifte blockieren die Pyrethroide das Schliessen spannungsabhängiger Na+-Kanäle in der Membran von Neuronen und prolongieren damit die Depolarisation. Diskutiert wird auch der Einfluss auf andere Kanäle (zum Beispiel Chlorid-Kanäle bei Typ II Pyrethroiden). Durch die verlängerte Depolarisation kommt es zur ZNS-Erregung.
Des weiteren reizen sie die Haut, Schleimhäute und Augen. Nach der Inhalation von Pyrethroiden treten eine Reizung der oberen, in Form von Rhinitis und Larynxödem, sowie der unteren Atemwege auf. In seltenen Fällen können durch Pyrethroide allergische Reaktionen ausgelöst werden.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Die orale Toxizität der Pyrethroide ist stark abhängig vom verwendeten Träger und es sind beträchtliche Unterschiede zwischen einzelnen Studien festzustellen. Im allgemeinen sind wässrige Suspensionen der Pyrethroide weniger toxisch als ölige Darreichungsformen.
 

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhnVögel*
Allethrin480585-1'1004'290  
Alphamethrin 70-400   
Barthrin 54.5   
Bifenthrin 54   
Bioresmethrin 8'600-8'800   
Cyfluthrin300-600250-1'200   
Cyhalothrin 144-166   
Cypermethrin35-13840-800960> 2'000 
Cyphenothrin 318-419   
Deltamethrin (= Decamethrin)3'45030 bis > 5'000 1'000-5'000 
Depallethrin 920   
Emphenthrin 1'680-2'280   
Fenpropathrin 18-71   
Fenvalerat 450-3'200 > 1'600 
Fluvalinat156-222261 bis > 3'000   
Lambdacyhalothrin 56-79   
Permethrin> 5'000910-4'0004'000> 3'000 
Phenothrin > 10'000   
Phthalthrin (= Tetramethrin)1'000> 5'000   
Prallethrin 460-640   
Pyrethrum (= Pyrethrine)273-900200-1'200   
Resmethrin1'3901'400-1'600   
Tefluthrin 22   
Transfluthrin583    >1890
*) Colinus virginianus (Virginiawachtel) und Serinus canarius (Kanarengirlitz)
 

6. Umwelttoxikologie

Pyrethroide besitzen bessere Umwelteigenschaften als die früheren Generationen von Insektiziden wie Organophosphate oder chlorierte cyklische Kohlenwasserstoffe, da sie für Säuger, Vögel und Reptilien weniger toxisch sowie chemisch und enzymatisch relativ gut abbaubar sind. Problematisch hingegen ist ihre hohe Toxizität gegenüber Fischen und aquatischen Kleinlebewesen, da es immer wieder zu akzidentellen Gewässerverschmutzungen mit Pyrethroiden kommt. Der LC50-Wert von Permethrin für die Larven der Regenbogenforellen beträgt zum Beispiel nur 0.6 µg/Liter. So kam es 1993 zu einem ausgedehnten Fischsterben im Bach Goldach in der Ostschweiz: auf 20 km Länge wurde der gesamte Fischbestand bis zum Bodensee hin vernichtet. Die Ursache war Permethrin, das als Mottenschutzmittel in einer Textilreinigungsfirma angewendet wurde und in hohen Konzentrationen über die Kläranlage in den Bach gelangte. Beunruhigend ist auch die hohe Beständigkeit dieser Stoffe in Innenräumen. So können synthetische Pyrethroide zum Beispiel in Teppichen über Jahre persistieren und für Allergiker gefährlich werden.
 

II. Spezielle Toxikologie - Schwein

1.Toxizität

Synthetische Pyrethroide sind für Säugetiere wegen ihrer relativ schnellen Metabolisierung durch den Körper relativ untoxisch und Intoxikationen bei Schweinen sind eher unwahrscheinlich.
 

2. Latenz

Meist nach wenigen Stunden, kann aber bei dermaler Aufnahme verzögert sein.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Apathie, Depression; Erregung; Hypo- oder Hyperthermie; Orientierungslosigkeit; steifer Gang, Inkoordination
  
3.2Nervensystem
Hyperästehsie, Tremor, Anfälle
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbrechen, Salivation
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Durchfall
  
3.5Respirationstrakt
Tachypnoe, Dyspnoe
  
3.6Herz, Kreislauf
Tachykardie
  
3.7Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Keine Symptome
  
3.10Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.11Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Wegen des akuten Verlaufes meist keine spezifischen Veränderungen. Histopathologisch nachweisbare unspezifische Degenerationen in Leber und Nieren.
 

5. Weiterführende Untersuchungen

5.1Toxinnachweis
Im Mageninhalt, Niere und/oder Leber. Wichtig ist, dass das Untersuchungsmaterial schnellstmöglich untersucht wird, da Pyrethroide sehr schnell metabolisiert werden.
 

6. Differentialdiagnosen

6.1Erbrechen
Viral, bakteriell, diätetisch, Magengeschwüre, Haarballen, Fremdkörper, Vitaminmangel (Thiamin, Riboflavin), andere Intoxikationen (Aflatoxine, Amitraz, anorganische Arsenverbindungen, Avermectine, Blei, Cadmium, Cholecalciferol, Cyanamid, Dipyridinium-Herbizide, Eisenverbindungen, Ethylenglykol, Fusarientoxine, Fluor, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Kupfer, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Selen, Stachybotryotoxin, Stickstoffdioxid).
 
6.2Salivation
Schleimhautreizende Stoffe, Infektionskrankheiten wie Vesikulärkrankheit/SVD, Aujeszky'sche Krankheit/AUJ, Tollwut, Maul- und Klauenseuche, andere Intoxikationen (Amitraz, Blei, Botulismus, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Dipyridinium-Herbizide, Fumonisin, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Nitrat/Nitrit, Organophosphate und Carbamate, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Qucksilber, Quinoxalinderivate, Schwefelwasserstoff, Selen).
 
6.3Durchfall
Diätetisch, viral, bakteriell, parasitär, andere Intoxikationen (Aflatoxine, anorganische Arsenverbindungen, Blei, Cadmium, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Cholecalciferol, Cyanamid, Eisenverbindungen, Fusarientoxine, Fluor, Ionophore, Kochsalz/Trinkwassermangel, Metaldehyd, Mutterkornalkaloide, Ochratoxine, Organophosphate und Carbamate, Quecksilber, Phenoxycarbonsäure-Herbizide, Quecksilber, Schwefelwasserstoff, Zearalenon, Zink).
 
6.4Tachypnoe, Dyspnoe anderer Genese
  
6.5Tachykardie anderer Genese
 

7. Therapie

7.1Verhinderung einer weiteren Toxinresorption (bei oraler Aufnahme): Durch Verabreichung von 2 bis 8 g Aktivkohle pro kg Körpergewicht in Wasser aufgelöst. Danach 0.5 mg Magnesium- oder Natriumsulfat pro kg Körpergewicht, peroral verabreicht als zehnprozentige Lösung.
  
7.2Verhinderung einer weiteren Toxinresorption (bei dermaler Aufnahme): Absprühen oder sanftes Abwaschen mit kaltem Wasser und (eventuell) milder Seife.
  
7.3Atem- und Kreislaufstimulation: Mit 5 bis 6 mg Theophyllin pro kg Körpergewicht als intravenöse Injektion.
  
7.4Kein Antidot
  
7.5Kontraindizierte Therapien: Perorale Verabreichung von Oelen oder Fetten, da dies die Resorptin von Pyrethroiden beschleunigt.
 

8. Fallbeispiel

Es liegt uns kein ausreichend dokumentierter Fallbericht vor.
 

9. Literaturverzeichnis

Aiello SE (1998) The Merck Veterinary Manual. Merck Whitehouse Station NJ, pp 2066-2067
 
Carson TL (1999) Toxic minerals, chemicals, plants, and gases. In: Diseases of Swine-8th Edition (BE Straw, S D'Allaire, WL Mengeling & DJ Taylor ed.), Iowa State University Press, Ames, p 788
 
European medicines agency (EMA) (2014) Assessment report on Transfluthrin. Regulation (EU) n°528/2012 concerning the making available on the market and use of biocidal products, 8052_1404-18
 
Lorgue G, Lechenet J & Rivière A (1996) Clinical Veterinary Toxicology. Blackwell Science Oxford, pp 163-164
 
Löscher W (1994) Pharmaka mit Wirkung auf das Zentralnervensystem. In: Grundlagen der Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren (W Löscher, FR Ungemach & R Kroker Hrsg.), Parey Berlin, p 111
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