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Arsen und Arsenverbindungen

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Arsen (ein graues, weiches und sprödes Metall) ist ungiftig, geht aber leicht in Arsenik oder andere toxische Arsenverbindungen über. Auch wenn es in Reinform gehandelt wird, kann Arsen bis zu 10% und mehr mit dem giftigen Arsenik verunreinigt sein. Arsentrioxid (Arsenik, As2O3) war durch Jahrhunderte ein beliebtes Mordgift, bis es ab 1836 möglich wurde, selbst Spuren von Arsen im Leichenmaterial nachzuweisen. Fowler' Lösung enthält Arsenik in 1%ger Konzentration. Arsenik erscheint als geruch- und geschmackloses weisses Pulver, das in Wasser wenig löslich und beim Erhitzen flüchtig ist.
Arsen existiert in drei- und fünfwertiger Form. Verbindungen des dreiwertigen Arsen sind die arsenige Säure (H3AsO3) und ihre Metallsalze, die Arsenite. Verbindungen des fünfwertigen Arsen sind die Arsensäure (H3AsO4) und ihre Salze, die Arsenate. Dabei sind die Arsenite bis zu 10-mal toxischer als die Arsenate - Arsenik gehört zu den dreiwertigen Verbindungen. Natriumarsenit (NaAsO2) ist ein weisses oder graues Pulver, das sich gut in Wasser auflöst. Schweinfurter Grün (Pariser Grün, Kupferarsenitacetat, C4H6As6Cu4O16) und Scheeles Grün (Kupferarsenit, CuAs2O4) lassen sich durch die charakteristische grüne Farbe erkennen. Arsensulfid (Realgar, As4S4) ist ein rotes Pigment. Arsentrisulfid (Auripigment, As2S3) ist gelb gefärbt. Arsentrichlorid (AsCl3) ist eine farblose, rauchende und ölige Flüssigkeit. Die Kampfstoffe Phenarsazinchlorid und Diphenylarsinchlorid gehören zu den organischen Arsenverbindungen. Meerestiere, besonders Meeresfrüchte enthalten organische Arsenverbindungen (Arsenobetain, Arsenocholin), denen keine toxische Wirkungen nachgesagt werden.
Arsenwasserstoff (Arsin, AsH3) ist ein farbloses, brennbares, explosives und unangenehm nach Knoblauch riechendes Gas, das noch bei starken Verdünnungen zu schwersten Vergiftungen führt. Der Geruch von Arsenwasserstoff wird ab einer Konzentration in der Luft von 0.5 ppm wahrgenommen.
 

2. Quellen

Arsen ist ubiquitär verbreitet und kleine Mengen dieses Elementes sind im Boden wie auch in Nahrungs- und Futtermitteln oder Trinkwasser zu finden.
In der Vergangenheit wurden arsenhaltige Substanzen breitgefächert und sehr freizügig angewendet. So wurden Arsenverbindungen nicht nur als Arzneimittel, sondern auch als Rodentizide, Insektizide, Akarizide, Herbizide, Fungizide, Holzschutzmittel, Wachstums- und Leistungsförderer, sowie als Roborantien eingesetzt.
Heute noch werden Arsenverbindungen als Antiprotozoika beim Hund oder für die Warzenbehandlung beim Pferd genutzt.
Chronische Arsenvergiftungen wären auch im Zusammenhang mit industriellen Emissionen (arsenhaltigem Flugstaub) denkbar.
 

3. Kinetik

Wasserlösliche Arsenverbindungen (zum Beispiel Arsenik oder Natriumarsenit) werden oral, inhalativ und über die Haut sehr gut resorbiert. Das Verteilungsvolumen von Arsenverbindungen ist relativ gross: bei nur geringfügiger Speicherung in Leber und Niere wird ein Teil des aufgenommenen Arsen ans Keratin gebunden. In Haut, Horn und Haaren eingelagertes Arsen kann deshalb noch mehrere Wochen nach einer Exposition nachgewiesen werden. Im Organismus werden die fünfwertigen Verbindungen zu toxischeren dreiwertigen Formen reduziert. Weitere metabolische Umwandlungen erfolgen durch Methylierung.
Die Eliminationshalbwertzeit liegt anfänglich bei 1-2 Stunden. In einer zweiten und dritten Eliminationsphase ist die Halbwertszeit auf 30 bis 200 Stunden verlängert. Bis die Gesamtmenge den Organismus verlassen hat, dauert es deshalb mehrere Wochen. Die Ausscheidung erfolgt über Harn, Kot, Schweissdrüsen und Milch.
Arsen lässt sich bereits 5-6 Stunden nach der oralen Aufnahme im Urin nachweisen.
 

4. Toxisches Prinzip

Die toxischen Wirkungen der Arsenverbindungen sind sehr vielfältig. Die Pathophysiologie des Arsens scheint durch die hohe Affinität für Sulfhydrylgruppen von Proteinen bestimmt zu sein, die zur Denaturierung der Proteine führt. Am Eintrittsort in den Körper entstehen zunächst schwere Haut- oder Schleimhautverätzungen. Neben dem Magen-Darm-Trakt und - bei Inhalation - dem Respirationstrakt stellen Blutkapillaren, ZNS und Haut die wichtigsten Angriffspunkte der Arsenwirkung dar.
Arsenwasserstoff führt nach Inhalation zu einer massiven Hämolyse. Ferner werden Arsenverbindungen zu den karzinogenen Substanzen gezählt.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Arsanilsäure (C6H8AsNO3) > 1'000  
Arsenige Säure (H3AsO4)5748  
Arsenik (Arsentrioxid, As2O3)25-4515.1850-300
Arsenoxid 763  
Arsenpentoxid (As2O5)55110  
Arsentrisulfid (As2S3)185255  
Bleiarsenat (PbHAsO4) 100-825125450
Cacodylat (CH5AsNa2O3) 821-928  
Calciumarsenat (Ca3As2O8) 20-29850 
Carbarson (C7H9AsN2O4) 510  
Dimethylarsinsäure (C7H9AsO2)650   
Kaliumarsenit  (As2HKO4) 14  
Kupferarsenitacetat (C2H3As3Cu2O8) 22-10013 
Magnesiumarsenat (MgxAsH3O4)315   
Methanarsonsäure (CH5AsO3)970   
Natriumcacodylat (C2H6AsNaO2)4'0002'600  
Natriumarsenit (NaAsO2) 41  
Na-Methylarsinsäure (CH5AsNaO2) 1'059-1'105  
Na-Dimethylarsinsäure (C2H6AsNaO2)4'0002'600  
Phenarsazinoxid 25  
Phenoxyarsinoxid 7-12  
Roxarsone (C6H6AsNO6)70155 110-123
 
Gemäss Untersuchungen an Mäusen ist Arsenwasserstoff ab einer Konzentration von 3 ppm in der Luft toxisch, und ab 25 ppm innerhalb von Minuten tödlich (maximale Arbeitskonzentration: 0.05 ppm oder 0.16 mg/m3). Arsentrichlorid ist ab einer Konzentration von 338 ppm in der Luft akut tödlich.
 

6. Umwelttoxikologie

Ein mögliches Gesundheitsrisiko besteht beim Konsum von Trinkwasser. In der Schweiz wurde im Tessin eine und im Graubünden drei Quellen gefunden, die den ehemaligen schweizerischen Arsen-Grenzwert von 50 ppb überschritten. Alle vier Quellen wurden geschlossen. In Graubünden befinden sich 21 weitere Quellen mit einer Arsenkonzentration zwischen 10-50 ppb, im Wallis neun Quellen; der WHO- sowie der schweizerische Grenzwert (seit dem 1.1.2014) ist bei 10 ppb (μg/l). Bis jetzt gibt es keine Hinweise darauf, dass gesunde, gut genährte Menschen durch diese relativ geringen Werte ernsthaft geschädigt werden. Anders sieht es in Bangladesch und Westindien aus, wo im Trinkwasser Arsenwerte gemessen wurden, die hundert mal höher liegen als erlaubt und die Menschen zum Teil unterernährt sind.
 

II. Spezielle Toxikologie - Pferd

1. Toxizität

Die Toxizität von Arsenverbindungen bei Equiden ist nur lückenhaft bekannt:
 
1.1Minimale toxische Dosis
Die minimale toxische Dosis von Arsenik beträgt für das Pferd 2-7 mg/kg Körpergewicht p.o.; Arsenwasserstoff führt bereits ab 25 ppm in der Luft zu Vergiftungserscheinungen.
 
1.2Minimale letale Dosis (oral)
Arsenik: 20-50 mg/kg Körpergewicht
 
1.3Chronische Toxizität
Arsanilsäure ist erst ab 1 g/kg Futter toxisch; Natriumarsenit führt bei einer oralen Zufuhr von 0.2-0.5 mg/kg/Tag nach mehreren Monaten zum Tode.
 

2. Latenz

In Abhängigkeit von der aufgenommenen Dosis kann die Vergiftung perakut, subakut oder chronisch verlaufen.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Inappetenz, Durst, Dehydratation, Depression, Koma, plötzlicher Tod durch hypovolämischen Schock
  
3.2Nervensystem
Ataxie, Tremor, Krämpfe, Konvulsionen, Paralysen
  
3.3Oberer Gastrointestinaltrakt
Salivation, Erosionen oder Ulcera in der Schleimhaut, aus der Humanmedizin ist die Bildung eines violetten bis schwarzen Arsensaumes auf der Gingiva bekannt
  
3.4Unterer Gastrointestinaltrakt
Wässriger oft blutiger Durchfall, auch Obstipation, Kolik
  
3.5Respirationstrakt
Husten, Laryngitis
  
3.6Herz, Kreislauf
Hypotonie
  
3.7Bewegungsapparat
Gelenkschmerzen, Lahmheit
  
3.8Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.9Harntrakt
Polyurie, Anurie, Proteinurie
  
3.10Fell, Haut, Schleimhäute
Hautödeme, Haarausfall, Hyperkeratose
  
3.11Blut, Blutbildung
Anämie
  
3.12Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Neben einer hämorrhagischen Gastroenteritis werden Erosionen oder Ulcera der Schleimhaut des Verdauungstraktes sowie Perforationen der Darmwand beobachtet. Weitere Befunde können petechiale Blutungen vor allem am Herzmuskel, sowie Leber- und Nierendegeneration umfassen.
 

5. Weiterführende Diagnostik

-Arsen kann in Magen- und Darminhalt, sowie in Milch, Urin und Kot (> 2 ppm) mittels Atomabsorptionsspektrometrie bestimmt werden.
Das beste Material für eine Laboruntersuchung ist eine grosse Urinprobe (1 Liter). Arsenkonzentrationen über 0.2 ppm im Urin können auf eine Vergiftung hinweisen. Nicht wasserlösliche Arsenverbindungen, die schlecht resorbiert werden, sind im Kot nachgeweisbar.
-Haare (5-10 g) sind der beste Indikator für eine vergangene Arsenexposition. Arsen ist nachweisbar, bis die Haare ausfallen. War ein Tier nicht exponiert, sollte der Arsengehalt unter 0.5 pppm betragen. Haare gesunder Tiere können jedoch einen Arsengehalt von 5-10 ppm enthalten.
-Der Nachweis von Arsen in den Organen (Leber, Niere > 10 ppm, bezogen auf das Feuchtgewicht) ist wegen der raschen initialen Ausscheidung weniger geeignet.
 

6. Differentialdiagnosen

Mögliche Arsenvergiftungen müssen von Pflanzenvergiftungen, Quecksilber- oder Nitrat/Nitrit-Vergiftungen, Salmonellose, Darmdrehungen, toxämischer Kolitis oder Thrombosen der Darmarterien abgegrenzt werden.
 

7. Therapie

7.1Dekontamination
-Bei Hautkontakt mit Detergens abwaschen
  
7.2Kreislauf
-Flüssigkeit- und Elektrolytersatz
  
7.3Antidottherapie
-Inaktivierung von Arsen durch Komplexbildung mit Natriumthiosulfat und Dimercaprol:
-Natriumthiosulfat: 60-100 g als 10%ige Lösung p.o.
-Dimercaprol (BAL) wird als 10%ige Lösung wie folgt i.m. verabreicht: 2.5-5 mg/kg Körpergewicht alle 4 Stunden während 2 Tagen, dann die gleiche Dosis 2mal täglich während 10 Tagen.
 

8. Fallbeispiel

Es wurden 5 Pferde mit wässrigem Durchfall, exzessiver Salivation, Muskelzittern, Ataxie und Depression vorgestellt. Vier Tiere starben etwa 24 Stunden nach Beginn der Symptome und das fünfte Pferd wurde kurz danach euthanasiert. Bei der Sektion wurde eine Füllung des Darmes mit grün-schwarzem Inhalt sowie Schleimhautulcera und Nekrosen in Caecum und Kolon festgestellt. Im Darm wurde eine Mischung aus Getreide und einem rosa Pulver gefunden, das mehr als 3'000 ppm Arsen enthielt. Im Lebergwebe der betroffenen Tiere wurden Arsenkonzentrationen von 11-14 ppm und in den Nieren Arsenkonzentrationen von 108 ppm gemessen (Pace et al., 1997).
 

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