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Methylxanthine

I. Allgemeine Toxikologie

1. Chemisch-physikalische Eigenschaften

Coffein (1,3,7-Trimethylxanthin), Theobromin (3,7-Dimethylxanthin) und Theophyllin (1,3-Dimethylxanthin) sind die aktiven Inhaltsstoffe von Kaffee (Coffein), Tee (Coffein, Theophyllin) und Kakao (Theobromin). Es handelt sich um basische Alkaloide, die in reiner Form als Kristalle vorliegen und bitter schmecken. Die Methylxanthine lösen sich gut in Wasser. Aminophyllin ist das wasserlösliche Ethylendiaminsalz von Theophyllin.
 

2. Quellen

2.1Natürliche Quellen
Coffein: Der Gehalt an Coffein in einer Kaffeebohne beträgt 21 mg/g. Teeblätter beinhalten 32-36 mg/g Coffein sowie 1.5-20 mg/g Theobromin. Ein Tasse Kaffe enthält 80-185 mg Coffein (Espresso 133 mg Coffein/100 ml, Filterkaffe 55 mg Coffein/100 ml). Eine Tasse Tee enthält 15-70 mg Coffein. Colagetränke nur etwa 25 mg/dl.
Theobromin: Die Kakaobohne enthält 11-53 mg/g Theobromin, die Schalen 5-9 mg/g.
Der Gehalt an Theobromin in verschiedenen Produkten ist wie folgt:
 
 TheobrominCoffein
Rohkakao18-35 mg/g 
Kakaopulver14-29 mg/g1.7-2.5 mg/g
Schokoladenpulver 32%ig5 mg/g0.5 mg/g
Kakaogetränkepulver 25%4 mg/g 
Milchschokolade 25-30%ig0.5-2.3 mg/g0.1-1.4 mg/g
Kochschokolade 46%ig2-8.8 mg/g0.3-2.6 mg/g
Zartbitter 55%ig5-8.8 mg/g0.5-2.6 mg/g
Edel-/ Halbbitter 70%ig5.5-13.6 mg/g0.7-3.1 mg/g
Bitterschokolade 90%ig6.5-15.2 mg/g0.9-3.1 mg/g
Weisse Schokolade 0.01 mg/g0.03 mg/g
Berechnung im Notfall siehe unter II. Spezielle Toxikologie
 
2.2Arzneimittel
Methylxanthine werden als Analeptika, Bronchodilatatoren (Asthmamittel), Vasodilatatoren, Diuretika oder als Kardiotonika eingesetzt. Missbräuchlich werden Methylxanthine zu Dopingzwecken verwendet.
 

3. Kinetik

Die Methylxanthine werden im Magen-Darm-Trakt fast vollständig resorbiert. Der Abbau der Methylxanthine beginnt mit der Demethylierung in der Leber und wird mit Konjugationsreaktionen fortgesetzt. Im Zuge der Demethylierung wird Coffein in Theobromin und Theophyllin umgewandelt. Etwa 10% der aufgenommenen Methylxanthinen werden unverändert mit dem Urin ausgeschieden. Die Theobrominausscheidung ist beim Hund im Vergleich mit anderen Spezies verlangsamt.
Die einzelnen kinetischen Daten sind wie folgt:
 
 Orale BioverfügbarkeitZeitpunkt des maximalen Blutspiegels nach oraler AufnahmePlasmaproteinbindungVerteilungsvolumen (L/kg)Plasmahalbwertszeit in Stunden
Coffein93%1-2 Stunden (Hund)36%0.74.5 (Hund), 18-22 (Pferd)
Theobromin73%2-4 Stunden (Hund)3%0.817.5 (Hund)
Theophyllin96%2-5 Stunden56%0.65.7 (Hund), 7.8 (Katze), 11 (Schwein), 10-17 (Pferd)
Coffein zu Theobromin
metabolisiert
 6-8 Stunden (Hund)   
 

4. Toxisches Prinzip

Die zentrale analeptische Wirkung der Methylxanthine beruht auf einem kompetitiven Adenosinantagonismus. Die peripheren Wirkungen (Broncho- und Vasodilatation, Diurese, Steigerung der Herzmuskelkontraktilität) entstehen durch Hemmung der Phosphodiesterase, die für den Abbau von cyklischem AMP (cAMP) verantwortlich ist. Damit führen die Methylxanthine zu einem Anstieg der zellulären cAMP-Konzentration, wodurch eine Reihe von Wirkungen resultiert, die denen von β-Sympathomimetika (Erhöhung der cAMP-Konzentration durch Stimulation der Adenylatcyklase) gleichen. Die Methylxanthine steigern zudem die intrazelluläre Kalziumkonzentration durch Erhöhung des intrazellulären Kalziumeinstroms und Verringerung der intrazellulären Sequestrierung von Kalzium in das sarkoplasmatische Retikulum der quergestreiften Muskulatur. Dies führt zu einer erhöhten Kontraktilität der Skelettmuskulatur.
Ein hoher Anteil an Zucker und Fett in der Schokolade kann zu gastrointestinalen Beschwerden führen, der Fettgehalt kann bei Hunden eine Pankreatitis verursachen.
Coffein und Theobromin durchlaufen den enterohepatischen Kreislauf und sie werden aus der Harnblase reabsorbiert.
Für die Letalität spielt neben der Theobromin-Menge auch das Theobromin-Coffein-Verhältnis eine Rolle. Das höchste toxische Potential liegt bei einem Theobromin-Coffein-Verhältnis von 5:1.
 

5. Toxizität bei Labortieren

Akute, orale LD50 (in mg/kg Körpergewicht):

 MausRatteKaninchenHuhn
Coffein127192224 
Theobromin8371'265  
Theophyllin235225350 
 

II. Spezielle Toxikologie - Kleintier

Vorgehen im Notfall
1.Theobromingehalt der eingenommenen Menge an Schokolade ausrechnen (z.B. 100 g Milchschokolade: 100 x 2.3 mg Theobromin).
2.Errechneter Theobromingehalt geteilt durch Körpergewicht des Tieres.
3.Werte > 20 mg/kg Körpergewicht: Dekontamination notwendig. Werte darunter, keine Massnahmen notwendig.
 

1. Toxizität

Coffein: Die minimale letale orale Dosis von Coffein beträgt beim Hund 140-150 mg/kg Körpergewicht und und bei der Katze 100-150 mg/kg Körpergewicht.
Theobromin: Die orale LD50 von Theobromin liegt beim Hund im Bereich von 250-500 mg/kg Körpergewicht, bei der Katze bei 200 mg/kg Körpergewicht. Schwere Verläufe werden beim Hund ab 80-90 mg/kg Körpergewicht Theobromin beschrieben, letale ab der Einnahme von 100 mg/kg Körpergewicht. Leichte klinische Anzeichen (Unruhe) können ab 20 mg/kg Körpergewicht Theobromin, kardiovaskuläre Symptome ab 40 mg/kg Körpergewicht und Krampfanfälle/Tremor ab 60 mg/kg Körpergewicht auftreten.
Dekontamination: Die Dekontamination wird ab 20 mg/kg Körpergewicht Theobromin empfohlen.
Um nicht in Konflikt mit den geltenden Tierschutz- und Dopingbestimmungen zu kommen, sollten Hundehalter darauf achten, dass ihre Tieren in den Tagen vor einem Rennen keinen Zugang zu Kaffee, Tee oder Kakaoprodukten haben.
Achtung: es gibt auch Xylit-haltige Schokolade!
 

2. Latenz

Schon innerhalb von 45-60 Minuten kann es zum Auftreten der ersten Symptome kommen, verzögert bis zu 4 Stunden. Bei akuten Expositionen tritt der Tod nach 16-24 Stunden ein. Bei der chronische Aufnahme (über mehrere Tage) kann ein Herzversagen nach Tagen auftreten.
 

3. Symptome

3.1Allgemeinzustand, Verhalten
Unruhe, Erregung, Durst, Hyperthermie, Ataxie, Schwäche
  
3.1Nervensystem
Hyperästhesie, Hyperreflexie, Tremor, Krämpfe
  
3.1Oberer Gastrointestinaltrakt
Erbechen
  
3.1Unterer Gastrointestinaltrakt
eventuell Durchfall, Abdominalschmerzen
  
3.1Respirationstrakt
Hecheln, Tachypnoe, Dyspnoe, Tod durch Atemstillstand
  
3.1Herz, Kreislauf
Tachykardie, Herzarrhythmien, ventrikuläre Extrasystolen, Tod durch Herzstillstand
  
3.1Bewegungsapparat
Keine Symptome
  
3.1Augen, Augenlider
Keine Symptome
  
3.1Harntrakt
Polyurie, Diurese, Inkontinenz
  
3.1Fell, Haut, Schleimhäute
Keine Symptome
  
3.1Blut, Blutbildung
Keine Symptome
  
3.1Fruchtbarkeit, Jungtiere, Laktation
Keine Symptome
 

4. Sektionsbefunde

Die postmortalen Veränderungen am Tierkörper sind nicht spezifisch für die Vergiftung mit Methylxanthinen. Manchmal sind Schokoladenreste im Mageninhalt zu finden.
 

5. Weiterführende Diagnostik

5.1Direkter Nachweis
-Der Nachweis der Methylxanthine ist in Mageninhalt, Blutplasma, Serum, Harn oder in der Leber möglich. Die hierfür benötigete Methode ist die der Hochdruckflüssigchromatographie.
 

6. Differentialdiagnosen

-Strychnin-, Nikotin-, Amphetamin-, Metaldehyd- oder Insektizidvergiftung.
-Überdosierung von Herzglykosiden, Vergiftung mit herzglykosidhaltigen Pflanzen.
-andere Ursachen von Gastroenteritis
-Herzarrhythmien
 

7. Therapie

7.1Notfallmassnahmen
-Kreislauf stabilisieren, β-Blocker oder (beim Hund) Lidocain gegen schwere Tachyarrhythmien.
-Atmung stabilisieren
-Krämpfe kontrollieren
 
7.2Dekontamination
-Wiederholt Aktivkohle, bei Verstopfung in Verbindung mit Glaubersalz.
-Emesis: wenn das Erbrechen aufgrund der Klebrigkeit von Schokolade wirkungslos bleibt, kann eine Magenspülung durchgeführt werden.
-Häufiges Entleeren der Blase, um eine Reabsorption der Alkaloide und deren Metabolite vom Urin durch die Blasenwand zu verhindern.
 
7.3Forcierte renale Elimination
-Mittels Diurese
 
7.4Weitere symptomatische Massnahmen
-Aufhebung der Azidose: Ringerlaktat- oder Bikarbonatinfusion
-Antiemetika: Metoclopramid
-Regulierung der Körpertemperatur: Kühlen
-Arrhythmie-/Tachykardiebehandlung
 

8. Fallbeispiele

8.1Ein Hund hat frisch zerkleinerte Kakaobohnenschalen gefressen.
Symptome: Krämpfe, Konvulsionen
Therapie: Keine
Verlauf: Stirbt noch am selben Tag
(Quelle: Drolet et al, 1984).
  
8.2Zwei Englische Bulldoggen (Rüde und Hündin, beide 2 Jahre alt) haben je ein Stück Kuchen mit Schokoladenglasur gefressen (etwa 20-30 g Schokolade).
Symptome: Kollaps, Schaum vor dem Maul, Konvulsionen, Tod innerhalb weniger Minuten nach Einlieferung.
Sektion: Keine auffällige Veränderungen
(Quelle: Stidworthy et al, 1997).
  
8.3Eine Springer Spaniel-Hündin (21 kg) hat am vorangegangenen Abend 1 kg Milchschokolade gefressen. Daraufhin war sie nachts unruhig und hat Urin verloren. Später bekam sie Krämpfe.
Therapie: Keine
Labor: Theobromin-Konzentration im Serum: 133 mg/L
Verlauf: Tod 15 Stunden nach Aufnahme der Schokolade
(Quelle: Glauberg & Blumenthal, 1983).
 

9. Literatur

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